Linzer Studie zeigt: in den Sozialwissenschaften fließen jährlich bis zu 103 Millionen Euro aus öffentlicher Hand an private Verlagsunternehmen
Linz – Seit 1. Jänner ist der „Plan S“ in Österreich in Kraft. Diese länderübergreifende Initiative von Forschungsförderern, der EU-Kommission und dem Europäischen Forschungsrat soll dazu beitragen, wissenschaftliche Erkenntnisse für alle kostenlos zugänglich zu machen. Ab jetzt finanziert der österreichische Wissenschaftsfonds FWF nur mehr Studien, die als „Open Access“ veröffentlicht werden - sprich: frei von Bezahlschranken für Leser. Dieser freie Zugang für die Öffentlichkeit kommt dem FWF aber teuer zu stehen – denn private Verlagsunternehmen verlangen dafür Geld. Der Ökonom Stephan Pühringer von der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) hat gemeinsam mit Kolleginnen Johanna Rath und Teresa Griesebner in einer Fallstudie im Rahmen eines FWF-geförderten Projekts untersucht, wie viel Geld die öffentliche Hand jährlich für private Wissenschaftsverlage ausgibt. „Zwischen 66 und 103 Millionen Euro fließen jedes Jahr allein in den Sozialwissenschaften über direkte und indirekte Wege an private Verlage. Das ist ein Viertel der gesamten Grundausgaben des Bildungsministeriums in dem Bereich“, fasst Pühringer das Ergebnis der Studie zusammen. Die Sozialwissenschaften machen in Österreich rund ein Sechstel des Wissenschaftssektors aus.
Ein lukratives Geschäft
Mit Gewinnspannen von bis zu 40% zählen Wissenschaftsverlage zu den weltweit profitabelsten Unternehmen. Die Mittel kommen hauptsächlich von öffentlichen Institutionen. Diesen Aspekt hat die Linzer Studie erstmals beleuchtet. „Bis jetzt haben die meisten Studien nur berechnet, wie groß die Gewinne der Verlagskonzerne sind. Wir haben den Spieß umgedreht und geschaut: Wie viel kosten uns diese Gewinne eigentlich?“, sagt Pühringer über den Forschungsansatz. In der Fallstudie wurden Geldflüsse über vier Kanäle identifiziert: Einerseits über Abonnementgebühren von Bibliotheken (5 bis 12 Millionen Euro jährlich) und Einreichungs- bzw. Open Access-Gebühren (1,25 bis 1,5 Millionen Euro jährlich). Der große Teil des öffentlichen Geldes fließt aber indirekt an Verlagskonzerne, über Gratis-Leistungen von staatlich entlohnten Wissenschaftlern. Das sind einerseits unbezahlte Begutachtungen von eingereichten Publikationen (3,3 bis 4,9 Millionen Euro jährlich) und die kostenlose Bereitstellung von Forschungsergebnissen in Form von wissenschaftlichen Artikeln (57 bis 84,8 Millionen Euro jährlich). „Für die internationalen Verlagsfirmen ist das ein lukratives Geschäft: Sie bekommen wissenschaftliche Arbeit vom österreichischen Staat quasi geschenkt – und machen dann Profit damit“, sagt Pühringer, oder ökonomisch ausgedrückt: „es kommt hier zu einer indirekten staatlichen Subventionierung eines ohnehin schon hochprofitablen Guts“.
Reform am Wissenschaftsmarkt
Die aktuelle Initiative des “Plan S” hin zu mehr Open Access sieht Pühringer positiv: „Es ist ein erster, richtiger Schritt. Um die mächtige Position der Verlagskonzerne und ihre hohen Profitspannen auf Staatskosten wirksam einzudämmen, braucht es aber mehr.“ Mittlerweile haben die großen Verlage Open Access schon in ihr Business-Modell integriert. Wenn das Ziel frei zugängliches Wissen und nicht Profitmaximierung sei, bräuchte es eine grundsätzliche Reform vom Wissenschaftsmarkt, meint der Ökonom. Als eine Möglichkeit sieht er, dass öffentliche Institutionen sich das Monopol auf Wissenschaftspublikationen zurückholen oder zumindest staatlich regulieren. Eine andere Option wäre die Nutzung von Netzwerktechnologien wie Blockchain, um den Publikationsprozess automatisch und dezentral ohne Verlagsfirmen im Hintergrund zu organisieren.
Die Ergebnisse der gesamten Studie, sind hier als Working Paper frei zugänglich, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.