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Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft
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Wissen! Welches Wissen? Wahrheit, Theorie und Glauben in der ökonomischen Theorie



 

5. Wintertagung des ICAE

Wissen ist einerseits zu einer zentralen Kategorie gesellschaftlicher Verfasstheit geworden, -angezeigt durch z.B. solche Begriffe wie „Wissensgesellschaft“ (Stehr 1994, 2001) oder Informationsgesellschaft (Wersig 1996). Andererseits steigt die Bedeutung von Wissen in unsicheren Zeiten, wie derzeit in der Finanzkrise.

Veranstaltungsdaten

Termin

12.12. – 14.12.2013

Ort

Wissensturm Linz, Kärntnerstraße 26, 4020 Linz

Programm

finden sie hier

Tagungsinhalt

Erörterungen dazu erfolgen auf den verschiedensten Ebenen: zu Wissensarten (wissenschaftliches Wissen, Alltagswissen), zu Wissensmedien (herkömmliche und neue Medien), zu Wissenseigenschaften (Immaterialität, Unbegrenztheit, Kopierbarkeit), zu Wissensträgern (personales Wissen, repräsentatives Wissen), zu Wissensäußerungen (implizites Wissen, explizites Wissen), zur Wissensnegation (gewolltes und nicht gewolltem Nichtwissen (Willke 2002; Wehling 2001) usw. Innerhalb der Ökonomik stellte etwa die Finanz- und Wirtschaftskrise beginnend mit 2008 eine Zäsur dar, die gleichzeitig als „window of opportunity“ (Rothschild 2010) für eine grundsätzliche Neuausrichtung der (Finanz)-Ökonomik betrachtet wurde. Allerdings hat sich nach kurzer Zeit gezeigt, dass der von Krugman beschriebenen „Keynesian moment“ kaum zu Brüchen in der monolithischen Aufstellung der Ökonomik geführt hat (Epstein/Carrick-Hagenbarth 2010) und die Krise im öffentlichen Diskurs oftmals als „extraordinary event“ begründet wurde (Pühringer/Hirte 2013).

Hauptproblem der Kategorie Wissen ist dessen Korrelationsbezug. Wissen allgemein kann als Anerkanntes gesehen werden (Gottschalk-Mazouz 2005, 350), denn bei Wissen handelt er sich letztlich immer um erfüllte Wissensansprüche, egal, ob es sich um implizites Wissen handelt (Wissen als Überzeugung) oder um explizites Wissen (Wissen als „durch institutionelle Praxen geadelte Information“ – Hubig 1997). Im wissenschaftlichen Kontext wurde und wird dieser Korrelationsbezug als Adäquation (Übereinstimmung von Theorie und Tatsache) – und damit als Wahrheitsanspruch – diskutiert sowie damit einhergehend die Beweisbarkeit/Widerlegbarkeit von Wissen (Popper 1969; Kuhn 1976; Lakatos/Musgrave 1974). Dem gegenüber stehen in neuester Zeit konstruktivistische und performative Ansätze, in denen Wissensgenerierung selbst als Tatsachenerschaffung gefasst wird, angezeigt z.B. durch den Boom der Diskursforschung (Keller 2008) sowie Performativity-Theorie (Bachmann-Medick 2006): Das Geschriebene bzw. Gesprochene als Ausdrucksform des Wissens ist Handeln (Austin 1979) und schafft somit Tatsachen. Anhand der Entwicklung und Hegemonie einzelner ökonomischer Schulen kann die wechselseitige Wirkung von impliziten und expliziten Wissen sowie die besondere Bedeutung einzelner AkteurInnen im Prozess der Wissensformation aufgezeigt werden.

Angesichts dieser Entwicklung werden Fragen um das Problem, was eigentlich in der heutigen Gesellschaft, in der Wissen ein solch wichtigen Stellenwert einnimmt, vermittelt wird: Theorien? Glaube? Wahrheit? Wie gesichert ist Wissen? Was ist wissenschaftliches Wissen? Ebenso drängend werden Fragen zu den Akteuren der Vermittlung: Wer bestimmt, was wir wissen? Welche Rolle spielen Medien? Welche Dynamiken haben Diskurse?

Eingeladen wird zu Beiträgen, welche sich diesem Spannungsfeld widmen.

Quellen:

  • Austin, John L. (1979): Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with words). Reclam Verlag Stuttgart.
  • Bachmann-Medick, Doris (2006): Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg.
  • Epstein, Gerald; Carrick-Hagenbarth, Jessica (2010): “Financial Economists, Financial Interests and Dark Corners of the Meltdown: It’s Time to Set Ethical Standards for the Economics Profession.” Working Papers Series No 239, Political Research Institute University of Massachusetts Amherst.
  • Gottschalk-Mazouz, Niels (2005): Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft? Anforderungen an einen interdisziplinär brauchbaren Wissensbegriff. In: Abel, Günter (Hg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie, 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, Bd. 2, 349-360.Hubig (1997): Technologische Kultur. Leipzig.
  • Keller, Reiner (2008): Wissenssoziologische Diskursanalyse. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden.
  • Kuhn, Thomas S. (1976): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.
  • Lakatos, Imre; Musgrave, Alan (1974): Kritik und Erkenntnisfortschritt. Verlag Vieweg Braunschweig.
  • Popper, Karl (1969): Logik der Forschung. Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen.
  • Pühringer, Stephan; Hirte, Katrin (2013): The financial crisis as a tsunami. Discourse profiles of economists in the financial crisis. (forthcoming)
  • Rothschild, Kurt W. (2010): Wenn man die Welt verändern will, muss man die Wirtschaft verändern. Interview in Eurozine.com.
  • Stehr, Nico (1994): Arbeit, Eigentum und Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaften. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.
  • Stehr, Nico (2001): Moderne Wissensgesellschaften. In: Aus Politik und Zeitgeschichte Band 36, 7-14.
  • Wehling, Peter (2001): Jenseits des Wissens? Wissenschaftliches Nichtwissen aus soziologischer Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 30, Heft 6, 465-484.
  • Wersig, Gernot (1996): Die Komplexität der Informationsgesellschaft. Universitätsverlag Konstanz.
  • Willke, Helmut (2002): Dystopia – Studien zur Krisis des Wissens in der modernen Gesellschaft. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Programm

19:00 Uhr: Eröffnung und Diskussionsabend (Video ansehen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)

Eröffnung der Tagung durch Walter Ötsch (Johannes Kepler Universität Linz), Franz Leidenmühler (Stadt Linz) und Josef Moser (Arbeiterkammer Oberösterreich)

Anschließend Diskussionsabend zum Thema
"Zukunft der Universität? - Wieviel Markt braucht die Universität?"

Impulsreferate von:
- Erich Ribolits (Universität Wien)
- Karin Ortner (Arbeiterkammer Oberösterreich, betreibt den Blog Arbeiten und Studieren)

Diskussion mit:
- Johann Bacher (Johannes Kepler Universität Linz)

09:00 – 10:00h (Plenum): Eröffnung

Opening: Walter Ötsch

Eröffnungsvortrag: Claus Thomasberger (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, FB Wirtschaftswissenschaften):
‘Wenn vermeintliches Wissen ‚die Welt regiert’. Zum Verhältnis von ökonomischem Denken, gesellschaftlichen Tatsachen und Demokratie

Kaffeepause

Session 1: Economics as Knowledge (chair: Stephan Pühringer)

10:30 – 11:30h: Is Economics a Misanthropic Science?

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Vortrag von Sebastian Thieme (Universität Hamburg, ZÖSS)
Discussant: Stephan Pühringer

Abstract: The presentation gives a brief introduction to the phenomenon of economics misanthropy, i.e. the violation of the idea of human dignity, human integrity, and/ or human equality, within and by the economic theory. Therefore, the essay concentrates on the discussion of three basic elements of economics misanthropy, namely the negative idea of human being, the concept of competition, and the abstractness of economic theories, respectively what some scientists call ‘reification’. As the article tries to show, these elements are very typical for economic theory and teaching, but they are also relevant for our real world. However, economics is not a misanthropic science by nature. As the history of economic thought shows, some means of the reduction of misanthropy can be found within the works of, to mention just a few, Adam Smith, Johann Heinrich von Thünen and Arthur Spiethoff.

11:30 – 12:30h: ‘Knowing’ the boundary: Sematic demarcations between economic and the political in modern economic discourse

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Vortrag von Stefan Scholl (Universität Bielefeld und Universität Siegen)
Discussant: Stephan Pühringer

Abstract: Dass Wirtschaft und Politik zwar eng aufeinander bezogene, aber fundamental getrennte Bereiche mit eigenen Handlungslogiken, Gesetzmäßigkeiten und Akteuren sind, wird von einem Großteil wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Ansätze vorausgesetzt und gehört zum Alltagswissen vieler Menschen, welches nicht weiter hinterfragt wird. Gleichzeitig sind Debatten um die ‚richtige‘ Abgrenzung von Wirtschaft und Politik, die Notwendigkeit und Reichweite ‚politischer Interventionen‘ in den Ablauf des Marktes, die Gefährdungen des Ökonomischen durch ‚die Politik‘ wie auch vice versa seit dem 19. Jahrhundert omnipräsent und hochgradig kontrovers. Den Wortführern im liberal-ökonomischen Diskurs, akademischen Ökonomen und Unternehmerverbänden, kommt in diesen Debatten eine tragende Rolle zu, die dabei selbst aus dem Diskurs erwächst: Indem diese Akteursgruppen ihr ‚Wissen‘ um das Ökonomische als ‚unpolitisch‘, die reinen ‚Sachgesetze‘ des Ökonomischen betreffend markieren, etablieren sie sich zu Fürsprechern einer autonomen ökonomischen Rationalität, die ‚der Politik‘ gegenüber spezifische Ansprüche und Handlungsanforderungen stellt.

Mein Dissertationsprojekt, das ich auf der Tagung gerne in Ausschnitten vorstellen würde, beschäftigt sich mit der Frage, mit welchen Semantiken, Metaphern und Deutungsmustern die stets umstrittene Grenzziehung von ‚Wirtschaft‘ und ‚Politik‘ vorgenommen wird. Dabei konzentriert es sich auf Deutschland im 20. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre. Die liberalökonomische diskursive ‚Selbstvergewisserung‘, die sich in diesem Zeitraum beobachten lässt – so die zentrale These –, bringt die Abgrenzung von ‚Wirtschaft‘ und ‚Politik‘ und damit die Evidenz eines autonomen ökonomischen Bereiches erst hervor.

Session 2: Die Ökonomisierung von Wissen (chair: Katrin Hirte)

10:30 – 11:30h: Ökonomisierung der Wissenschaft – contra: Die Wissensgesellschaft zwischen Wissenswirtschaft und neuem Humanismus

Vortrag von Bertram Schefold (J.W.Goethe-Universität Frankfurt, FB Wirtschaftswissenschaften)
Discussant: Walter Ötsch

Abstract: Diesen Vortrag gibt es auch als fertiges Paper.

Wissenskulturen hat es stets gegeben; von einer Wissensgesellschaft kann gesprochen werden, wenn sich zur Entwicklung und Tradierung der Wissensinhalte besondere Strukturen arbeitsteilig herausbilden. Unter den zeitgenössischen Beschreibungen historischer Wissenskulturen ragt diejenige Ibn Khalduns heraus. Heute entsteht eine Wissenswirtschaft, gegründet auf individuelles Humankapital, spezialisiertes Wissen in Unternehmen, allgemeines Wissen (nationale Innovationssysteme); darüber wird Wissen global ausgetauscht und fördert die Rationalisierung. Schon im Altertum wurde eine Spannung zwischen Wissenserwerb und Bezahlung für Wissenstransfer gesehen (Philosophenschulen). Es war eine noch heute partiell gültige Lösung, die Wissensvermittlung als Gabentausch zu interpretieren, der wechselseitige Anerkennung voraussetzt (Ricoeur). Nur teilweise lässt sich Wissen über den Markt vermitteln; Hindernisse bestehen beispielsweise beim impliziten Wissen, wie schon die französischen Enzyklopädisten erfuhren, als sie die Handwerksgeheimnisse offen zu legen suchten. Die ökonomische Rolle des Wissens ist dann besonders von der deutschen Historischen Schule untersucht worden, die Wissenschaft als Produktivkraft begriff; ein Pionier war Storch mit seinem Begriff der inneren Güter, der den Ansatz der Wissenssoziologie Bourdieus vorwegnahm. Die neue Wachstumstheorie versucht eine Synthese der Wissensökonomie (Romer). Wie die Zuspitzung der Wissensökonomie zu einer Verarmung des Bildungsbegriffs führt, lässt sich am Beispiel der europäischen Wissensgesellschaft illustrieren, aber auch anhand der Evaluierungsverfahren in der universitären Wissenschaft. Es stellt sich schließlich die Frage, welche Idee von Bildung diesem fortgesetzten Rationalisierungsprozess gegenübergestellt werden kann.

11:30 – 12:30h: Wissen ist keine Ware, Bildung hat keinen Wert (Tonaufnahme anhören, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)

Vortrag von Erich Ribolits (Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft)
Discussant: Katrin Hirte

Abstract: Anders als bei realen Gütern, die im Prozess der Verwandlung von Geld in mehr Geld als Zwischenmedium eine Rolle spielen, verliert ein »Verkäufer von Wissen« dieses bei seiner Weitergabe nicht. Wissen verbraucht sich durch seine Verausgabung nicht, tatsächlich »vermehrt« es sich dabei sogar. Wird Wissen durch eine Person einer anderen vermittelt, kommt es quasi zu einer Verdoppelung – nach dem Vermittlungsprozess sind sowohl »Käufer« als auch »Verkäufer« im »Besitz« des Wissens. Indem der (Tausch-)Wert einer Sache mit ihrer Verfügbarkeit korreliert, verkörpert etwas das sich im Verkaufsvorgang »vermehrt« – und somit tendenziell unbegrenzt verfügbar ist – aber keinen Wert. Etwas, was man weggeben kann und dabei dennoch behält, passt nicht in das Korsett einer Ware.

Solange nur Menschen Träger formalen Wissens sein konnten, stellte die Weitergabe von Wissen eine zeitintensive und deshalb der Verwertung zugängliche Dienstleistung dar. Die Bedeutung des Menschen als Träger formellen Wissens nimmt derzeit allerdings rapide ab. Die Informations- und Kommunikationstechnologie macht es möglich, die für Produktion und Verwaltung erforderlichen, bisher an das »Trägermedium Mensch« gebundenen Kenntnisse und Fertigkeiten manueller und kognitiver Art in anwachsendem Maß von Menschen getrennt in Form von Software zu speichern und als Maschinen-Wissen abzurufen.

Nur mit Hilfe juristischer und technischer Kunstgriffe lässt sich Wissen weiterhin als Ware »verkleiden«. Damit sich digital gespeichertes Wissen für seinen »Eigentümer« in Form von Profit und Marktmacht rentiert, muss letztendlich genau das unterbunden bzw. reglementiert werden, was die euphorische Hoffnung darauf, dass Wissen zur neuen Profitquelle in der Wissensgesellschaft heranwachsen wird, überhaupt erst entstehen hat lassen – seine problemlose Reproduzierbarkeit. Das Spezifische digitalen Contents, dass er problemlos und (nahezu) kostenlos vervielfältigt und verbreitet werden kann, muss durch rechtliche oder technische Sperren verhindert werden. Der Tauschwert von speicherbaren formalen Wissen ist letztendlich gänzlich an die Möglichkeit geknüpft, seine Nutzung monopolisieren zu können. Dass dieses Unterfangen auf Dauer allerdings nicht von Erfolg gekrönt sein kann, lässt sich sehr gut am alltäglichen Urheberrechtskampf im Software- oder digitalen Musikbereich ermessen.

MITTAGSPAUSE

Freitag, 13.12.2013, Nachmittag

Session 3: On the History of Economic Reasoning (chair: Arne Heise)

14:00 – 15:00h: On Bubbles in Economics and in the Economy

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Vortrag von Heinz-Dieter Kurz (Universität Graz, Institut für Volkswirtschaftslehre)
Discussant: Sebastian Thieme

Abstract: People form an opinion about the world or segments of the world in which they live. Economics is concerned with such a segment. Competing economic theories are opinions about the segment under consideration. Given the complexity of the subject matter there is no presumption that economists will ever fully understand the object of their investigation and arrive at a universally accepted theory. An economic theory may help us to understand the segment, but it may also blind us to important factors at work and thus produce in our mind a very distorted view of reality. Contagion and herd behaviour do not exist only amongst laymen and agents in the real world, but also amongst researchers in general and economists in particular. Reputation mechanisms serve as amplifiers and may engender an intellectual bubble. The theory of opinion dynamics provides an insight into the mechanisms at work. The paper exemplifies bubble building in terms of references to the history of economic analysis.

15:30 – 16:30h: Economics After Keynes: What Could Have Been, What Might Still Be

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Vortrag von Anna Carabelli (Dipartimento di Studi per l’Economia e l’Impresa, Università del Piemonte Orientale “Amedeo Avogadro” – Alessandria, Novara)
Discussant: Heinz-Dieter Kurz

Abstract: Keynes cannot claim to have fostered a revolution in economic methodology. But historians of economic thought and methodologists cannot refrain from speculating about the essence of this attempted revolution, and the current twin crises of global economy and economic theory provide good reasons to investigate this issue. This paper elaborates on Keynes’s vision of economics as a branch of probable logic, a way of thinking about the economic material, a method to analyse economic problems, that makes use of non-demonstrative reasoning. We therefore investigate the continuity Keynes’s mature economic writings provide with the Treatise on Probability. In particular, we focus on Keynes’s rejection of the assumption of complete knowledge (that is, of both determinism and the positivist view of knowledge as based upon certainty) and the resulting need he felt to construct a theory of partial knowledge. We highlight the crucial role played by partial knowledge in both Keynes’s reasoning in economics (his “method”) and concrete suggestions of practical policies. In so doing, we clarify the epistemological nature of the concept of “radical uncertainty”, centred on the limited bases available to form calculable probability, underlying Keynes’s economics. After showing evidence, and examining the implications of such fundamental difference between Keynes’s reasoning and the (neo)classical theory attacked in the General Theory, we speculate on the legacy of Keynes’s theory of partial knowledge and radical uncertainty for today’s economics. In particular, we focus on the potential relevance of Keynes’s “method” to “complexity economics” and the challenge this latter currently poses to conventional neoclassical thinking.

16:30 – 17:30h: On Pluralism and Truth in Economics (Video ansehen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)

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Vortrag von Iona Negru (Anglia Ruskin University Cambridge) als Skype-Konferenz

Abstract: Pluralism is one of the most problematic concepts in the social sciences. Despite a burgeoning debate on the nature of pluralism and its relevance for economics, consideration of pluralism within economics has a short history. This paper identifies various conceptions of pluralism that have been proposed by heterodox economists and what would be their implications for economics as a discipline. Also, the paper discusses some reflections on the impact of pluralism debate for economic pedagogy and on the economic profession barriers against introducing forms of pluralism in economics. Finally, the paper argues for the importance of introducing pluralism in economics at the level of methodology, pedagogy and policy-making as a way to address some of the fundamental problems exhibited as a discipline. The paper postulates a return to philosophy of science, epistemology and critical reflection as a fruitful direction for discussing and implementing pluralism in economics.

Session 4: Wirkungen (ökonomischen) Wissens (chair: Jürgen Nordmann)

14:00 – 15:00h: Ökonomik – Politikwissenschaft – Soziologie: Konvergenz im sozialwissenschaftlichen Feld?

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Vortrag von Alexander Lenger (Goethe-Universität Frankfurt am Main, FB Wirtschaftswissenschaften)
Discussant: Heinrike Sander

Abstract: Es ist dem Soziologen Pierre Bourdieu zu verdanken, aufgezeigt zu haben, dass die Hauptmotivation von Forscher/innen nicht allein in der Suche nach objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis liegt, sondern dass im akademischen Feld – wie auch in allen anderen gesellschaftlichen Feldern – substantielle Klassifikationskämpfe um feldspezifische Positionen, Ressourcen und wissenschaftliche Reputation stattfinden. Aus wissenschaftssoziologischer Perspektive erscheint es daher geboten, eine Feldanalyse im Anschluss an Pierre Bourdieu durchzuführen, dessen Theorie als Theorie konflikthafter Differenzierung zu verstehen ist.

Prototypisch für Feldgegensätze beschreibt Bourdieu den Gegensatz von Orthodoxie und Häresie auf dem religiösen Feld sowie den Gegensatz von autonomen und heteronomen Pol auf dem künstlerischen Feld. Diese chiastischen Strukturen finden sich laut Bourdieu in allen Feldern und Subfeldern wieder. Gemäß dieser Ausgangslage befasst sich der Beitrag mit der Position der Wirtschaftswissenschaften im sozialwissenschaftlichen Feld und versucht die für die Sozialwissenschaften konstitutiven Feldstrukturen theoretisch herzuleiten. Hierzu wird in einem ersten Schritt die Feldtheorie von Bourdieu vorgestellt und die Struktur des wissenschaftlichen Feldes beschrieben. Daran anschließend werden erste systematische Überlegungen zum sozialwissenschaftlichen Feld vorgestellt und anhand erster Befunde zum soziologischen Feld geprüft.

15:30 – 16:30h: Modellierungskulturen in der Ökonomik: Vom Disziplinierungsinstrument zum Treiber von Theoriepluralismus?

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Vortrag von Hanno Pahl (Universität Luzern, Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Soziologisches Seminar)
Discussant: Karl Beyer

Abstract: Die Wirtschaftssoziologie konturiert ihre Identität zu einem guten Stück über eine Abgrenzung von „der“ neoklassischen Ökonomie und dem dortigen „Modellplatonismus“. So sinnvoll diese Variante von Ökonomiekritik auch sein mag, sie ist an entscheidenden Stellen unterkomplex: So bescheidet sie sich in der Regel mit einer Explikation dessen, was Modelle nicht sind oder leisten, nämlich eine 1:1-Abbildung der Realität. Hier wird die Frage vernachlässigt, welches denn mögliche „positive“ Leistungen oder Funktionen von Modellierung darstellen. Dieses Defizit ist sichtlich mit einer unterkomplexen Kompaktunterscheidung von Modell und Realität verbunden, die es erschwert, sich detailliert mit den verschiedenartigen Realitätsbezügen und Abstraktionsstrategien von Modellierungen auseinanderzusetzen. Daneben verhindert die Fokussierung auf die neoklassischen Stränge der Ökonomik das Ausloten alternativer Modellierungstraditionen innerhalb der Wirtschaftswissenschaft.

Ich möchte in meinem Beitrag einen stilisierten Vergleich zweier Modellierungskulturen anstellen, die zunächst ganz pauschal als „neoklassische“ und „post-neoklassische“ Varianten bezeichnet werden können. Die These die ausgelotet werden soll besteht in der Vermutung, wonach die Rolle von Modellbildungspraxen in der neoklassischen Wissenschaftskultur primär als Disziplinierungsinstrument sowie als Katalysator neoklassischer Monoparadigmatik bestimmt werden kann, wohingegen interdisziplinär entstandene Verfahren neueren Datums (Agent Based Modeling) als mögliche Treiber eines größeren Theorienpluralismus innerhalb der Wirtschaftswissenschaft gewertet werden können.

Es soll erläutert werden, inwiefern die neoklassische Tradition durch eine spezifische Verkopplung von inhaltlichen Prämissen und mathematischen Modellierungstechniken gekennzeichnet war und ist, während Simulationsverfahren wie Agent Based Modeling mehr als eine offene Experimentierumgebung fungieren, die seitens zahlreicher – gerade auch heterodoxer Ansätze – in pragmatischer Weise eingesetzt werden kann. Diese Überlegungen werden angereichert mit Hinweisen auf den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext der Wirtschaftswissenschaften in der Nachkriegszeit und der Gegenwart. Neben Bezügen auf die einschlägige Science-Studies-Literatur zu ökonomischer Modellierung (etwa: Morgan, Boumans, Yonay) wird sich der Input auf Experteninterviews mit Vertretern der evolutionären Ökonomik beziehen, die selbst mit agentenbasierten Simulationen arbeiten.

Am Ende soll kurz der Bogen zur Soziologie zurückgeschlagen werden: Eine mikrologisch ansetzende wissenschaftssoziologische Betrachtung der Ökonomik, so die These, kann der Soziologie nicht nur einen wichtigen Forschungsbereich erschließen, sie kann auch Impulse für die Fortschreibung der Wirtschaftssoziologie liefern: An die Stelle der hauptsächlichen Fokussierung (qua Abgrenzung) auf die Neoklassik rücken mögliche „Kollaborationen“ mit nicht- oder postneoklassischen Forschungstraditionen stärker ins Zentrum.

16:30 – 17:30h: Alternative theoretische und methodische Ansätze und die Qualität des wirtschaftspolitischen Diskurses

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Vortrag von Günther Chaloupek, (Arbeiterkammer Wien)
Discussant: Hanno Pahl

Abstract: Wirtschaftspolitische Entscheidungen werden getroffen im dreifachen Kontext von Sachzwängen, Machtverhältnissen und Sachdiskursen. Die relative Bedeutung dieser Determinationsebenen wird hier nicht näher untersucht. Der folgende Beitrag diskutiert die Bedeutung alternativer theoretischer bzw. methodischer Ansätze der Wirtschaftswissenschaft für den wirtschaftspolitischen Diskurs.

Im Verhältnis zu einer wissenschaftlichen Behandlung wirtschaftspolitischer Fragen findet die Diskussion zwischen den unmittelbar in die Entscheidungsprozesse involvierten Akteuren (Entscheidungsträger) mit stark simplifizierenden, vergröbernden Argumentationen statt, die sich auch für rhetorische Apelle eignen. Demgegenüber wird in einer technokratischen Politikdarstellung eine wissenschaftliche Fundierung von wirtschaftspolitischen Entscheidungen durch Expertenstäbe unterstellt, bzw. suggeriert. Diese wissenschaftliche Fundierung wird von den politischen Entscheidungsträgern gerne als (zusätzliche) Legitimationsgrundlage verwendet, aber auch von der wissenschaftlichen community in ihrer Selbstdarstellung zur Erhöhung ihrer politischen Relevanz eingesetzt. Meine These ist, dass die Bedeutung einer solchen technokratisch-wissenschaftlichen Fundierung im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozess differenziert gesehen werden muss, sie ist sehr unterschiedlich zwischen den Politikebenen, als auch auf ein und derselben Ebene zwischen den Teilbereichen.

Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene (makroökonomische Politik) ist der direkte Einfluss technokratisch-theoretischer Ansätze eher gering zu veranschlagen, konkrete Entscheidungen werden je nach Situation aufgrund pragmatischer Erfordernisse getroffen. Ein Beispiel dafür ist die Geldpolitik der Notenbanken, die einen umfangreichen technokratischen Apparat unterhalten, der ununterbrochen Analysen produziert, die jedoch in kritischen Situationen bei Seite geschoben werden (in ruhigen Normalsituationen in dieser Dichte nicht gebraucht werden). Der Einfluss alternativer theoretischer Ansätze ist hier hauptsächlich ein indirekter und in dieser Form oft durchaus beträchtlich, indem bestimmte Aussagen zur Untermauerung von gegensätzlichen politischen Interessenpositionen verwendet werden.

Anders verhält es sich in einzelnen Teilbereichen der Wirtschaftspolitik. Z.B. wird in dem in Österreich seit den 50er-Jahren praktizierten Modell der Lohnpolitik eine keynesianisches Kreislaufdenken als Grundlage der Kollektivvertragsverhandlungen verwendet, bei unterschiedlicher expliziter oder impliziter Akzeptanz auf der einen oder anderen Seite des Verhandlungstisches. – Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist die Versteigerung von Lizenzen für neue Frequenzen in der Telekommunikation. Hier ist beim Design der Auktion das Wissen der Spieltheorie zur Maximierung des Versteigerungserlöses eingesetzt worden. – Keine große Rolle spielen die ausgefeilten Formen der Theorie des monopolistischen Wettbewerbs und die Spieltheorie in der Wettbewerbspolitik und in der Kartellkontrolle in Österreich, im Unterschied zu anderen großen Ländern.

In diesem Beitrag werden drei alternative theoretische und methodische Ansätze unterschieden: neoklassischer mainstream (inkl. Th. d. rationalen Erwartungen), (post-) keynesianische Theorie, Österreichische Schule (Austrian economics) ( in Anlehnung an Sheila Dow) und in ihren wesentlichen Merkmalen und Varianten kurz charakterisiert. Anhand von Beispielen, die vorzugsweise der österreichischen Wirtschaftspolitik entnommen sind – und vorläufig noch nicht in einem umfassenden Konzept – wird in diesem Beitrag untersucht, wie und von wem diese Ansätze in der wirtschaftspolitischen Diskussion verwendet wurden und werden, wie sich der Stil der wirtschaftspolitischen Diskussion in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten verändert hat, und welcher Art die Auswirkungen auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen waren.

19:00h GEMEINSAMES ABENDESSEN

im Ristorante Michelangelo (Hotel Lokomotive), Weingartshofstraße 40 (gleich neben dem Tagungsort)

 

Session 5: Wissensphilosophie (chair: Walter Ötsch)

09:00 – 10:00h: Unvollständigkeit und Idealisierung in der wissenschaftlichen Theorienbildung (Tonaufnahme anhören, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)

Vortrag von Volker Gadenne (JKU, Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie)
Discussant: Karl-Heinz Brodbeck

Abstract: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Erklärungen besitzen eine Eigenschaft, die man als Unvollständigkeit bezeichnen kann. Diese hängt damit zusammen, dass man nur über eine unvollständige Kenntnis von relevanten kausalen Einfüssen verfügt oder die Gegenstände der der jeweiligen Theorie auf vereinfachte Weise konzipiert (Idealisierung). Unvollständigkeit und Idealisierung haben verschiedene methodologische Probleme zur Folge, insbesondere für die Prüfbarkeit von Theorien sowie für ihre Anwendung zum Zweck der Erklärung und Vorhersage. Im Vortrag soll analysiert werden, unter welchen Bedingungen diese Probleme besonders zum Tragen kommen und was man zu ihrer Lösung tun kann. Hierbei werden Beispiele aus verschiedenen Wissenschaften herangezogen, aus der Physik ebenso wie aus den Wissenschaften vom Menschen.

10:30 – 11:30h: Ökonomie des Wissens und das Wissen der Ökonomie (Artikel von Radio FRO, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)

Vortrag von Karl-Heinz Brodbeck (Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, Fakultät für Betriebswirtschaft)
Discussant: Walter Ötsch

Abstract: Ökonomische Theorien, ursprünglich Teil der Ethik, gelten als ein abgesondertes Reich des Wissens in der Gesellschaft. Wenn Ökonomen von Wissensprozessen sprechen, denken sie in der Regel an Informationen, die man wie Güter behandelt – so in der Theorie des technischen Fortschritts als Produktionsfaktor, bei Patenten oder der Behandlung von Rechten. In der Theorie rationaler Erwartungen bezieht man immerhin die ökonomische Theorie selbst in den Untersuchungsgegenstand mit ein, verbleibt aber im Horizont mechanischer Modelle. Tatsächlich sind – anders als in den Naturwissenschaften – die Objekte der Wissenschaft Ökonomik nie von ihrer theoretischen Beschreibung getrennt. Das ökonomische Wissen gehört selbst zum Gegenstand der Ökonomik. Diese grundlegende Struktur ökonomischen Wissens wird traditionell kaum je methodisch behandelt. Sobald man aber die soziale Natur des ökonomischen Wissens explizit betrachtet, wird deutlich, dass die den Naturwissenschaften nachgeahmte Modellbildung und die empirische Datenerfassung ein grundlegender Irrweg sind. Dieser Irrweg ist für zwei Fehlleistungen verantwortlich: Einerseits für die ideologische Funktion der traditionellen Geld- und Markttheorien, andererseits für die systematische Unfähigkeit nach dem Vorbild der Naturwissenschaften gültige Prognosen der wirtschaftlichen Abläufe zu liefern. Diese Einsicht führt zur Forderung nach einer radikal anderen Ökonomik, die sich selbst als Teil der Wirklichkeit begreift. Es gilt zu zeigen, dass die Erkenntnisse des ökonomischen Wissens als sozialer Prozess auch die Grundkategorien wie Geld, Markt, Preise, Zins usw. fundamental verändert. Ferner zeigt eine Explikation solcher Wissensprozesse, dass die Ökonomik auch in ihrer quasi naturwissenschaftlichen und mathematisierten Form nie etwas anderes war als eine implizite Ethik.

11:30 – 12:30h: Zu den Wollens- und Wissensgrundlagen wirtschaftlichen Handelns

Vortrag von Adolf Wagner (Universität Leipzig, Institut für Empirische Wirtschaftsforschung)
Discussant: Claus Thomasberger

Abstract: […]die weithin kritischen Bemerkungen zum “Homo oeconomicus” und die häufi­gen An­deutungen zu besserem menschlichen Verhalten haben mich zu meinem heutigen Thema angeregt. Ich beginne beim “Homo oeconomicus” im weitesten Sinne und reklamiere dabei die Ausführungen von Lionel Robbins (1932) und Paul Krugman (1995) als bekannt. Was wird – wodurch – maximiert? Ich stelle sodann ne­ben die Optimierung (als Maximierung z. B. von Gewinn oder Minimierung z. B. von Kosten) die Satisfizierung. Der Gedanke ist in der ökonomischen Weltliteratur neu – seit dem Nobelpreis an Herbert A. Simon (1916-2001), aber faktisch – mit Blick in die deutsche Wirtschaftsliteratur – schon recht alt. Dazu bringe ich drei Beispiele: den aufgeklärten Monopolisten nach Bernhard Pfister, den nachgiebigen Dyopolisten nach Wilhelm Krelle und den belastungsorientierten Bankier alter Art nach Wolfgang Stützel und anderen. Zur Abrundung wechsle ich in zweierlei gesamtwirtschaftliche Entscheidungslagen: erstens nach dem Jonas-Imperativ und zweitens nach Ideen einer islamischen Marktwirtschaft mit Moral.

Session 6: Wirkungen ökonomischen Wissens II (chair: Karl Beyer)

09:00 – 10:00h: Politikergebnisse im Spannungsfeld der Ökonomie: zwischen Glauben, Wahrheit und Strategie

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Vortrag von Rainer Bartel (Institut für Volkswirtschaftslehre, Johannes Kepler Universität Linz)

Abstract: Zum einen gibt es Modelle zur Optimierung von Wirtschaftspolitik und ihren Ergebnisse, zum anderen praktische Politikergebnisse, die kaum jemandes Zufriedenheit und Zustimmung erfahren. Welche Erklärungsansätze bietet die Wissenschaft dafür? Welche Schlüsse können sich daraus ergeben? Anstoß zu diesen Überlegungen sind Beobachtungen und Empfindungen in Wahlkämpfen wie dem jüngsten: eine gewisse Entideologisierung, Inkonkretheit und Verwechselbarkeit, eine faktische Personifizierung des Listenwahlrechts – eine Art Entideologisierung und Entpolitisierung(?) der Politik.

Verlernthaben von und somit Ungeübtheit in effizienter demokratischer Kultur wird hier als eine Hauptursache für das Praktizieren einer Abstimmungsmaschinerie (i.S.v. Sicherung von Mehrheiten) unterstellt. Dabei ist Kontrollversagen umfassend zu sehen und umfasst Wahlen, institutionalisierte Prüfungen und (wirtschafts-)politische Beratung. Eine wesentliche Ursache für Kontrollversagen ist die „rationale Unwissenheit“ des Wahlvolks. Die Transaktionskosten guter demokratischer Wahlentscheidungen sind für nicht Spezialisierte zu hoch, ihre Reduktion im Wahlkampf der Parteien und im Quotenkampf der Medien erfolgt allerdings in unzweckmäßiger Weise. Als Retterinnen winken die (Wirtschafts-/Sozial-/Human-)Wissenschaften. Dort begegnen wir aber dem „Fluch und Elend“ dieser Wissenschaften. Gerade angesichts der Schwierigkeiten mit dem Untersuchungsgegenstand und damit den Analysemethoden stellt sich die Frage nach Handwerk, Nützlichkeit und Kunst einschlägiger Wissenschaften – hin und her gerissen zwischen Nichtwissen und Wahrheitsanspruch, Immanenz und Transzendenz, Offenheit oder Wettbewerbsstrategie. Hoffnungsträger sind hierbei professionelle peer-Standards, doch auch hier treffen wir auf die „Tyrannei der Majorität“, hinter welcher menschliche Eigentümlichkeiten diesen oder jenen Extrems stehen. Als zentrale Frage erscheint, wie die Wissenschaft mit ihrer Heterogenität umgeht (eine Frage, die auch die Politik im demokratischen System beschäftigen sollte). Offenbar bedarf es einer Revision wissenschaftlicher Objektivitätskriterien und eines sozialen Grundkonsenses darüber in der scientific community wie in der political community. Beiderseits dürfte es an Macht- und Verantwortungsbewusstsein mangeln. Besonders in der Wissenschaft ist das Gefahrenpotenzial für eine Herrschaft der Expertise groß, hegt die Bevölkerung doch stärkere Präferenzen für die Wissenschaft als für die Politik und neigt der Souverän deshalb einer Unterwerfung unter eine faktisch traditionale Herrschaft zu. Der Weg zu einer graduellen Selbstentmachtung der Wissenschaft zeichnet sich gerade nach Krisen wie der jüngsten ab. Er ist immerhin leichter zu begehen, wenn die Politik die Rahmenbedingungen für die Wissenschaft (als normatives Konstrukt) förderlich gestaltet. Doch auch dazu sind (wie für jede Verbesserung) geeignete Bedingungskonstellationen nötig; sie entstehen aber nicht automatisch aus dem Nichts, sondern unter dem politisch wirksamen Druck der Unzufriedenheit einer immer weniger politischen Bevölkerung. Speerspitze dafür sind die zivilgesellschaftlichen Institutionen; sie zeigen erste Wirkungen (z.B. beim IWF). So mögen Entpolitisierung und Unzufriedenheit zu Repolitisierung, Selbstermächtigung und Demokratieaufwertung führen. Dafür sind eben good governance-Regeln in Wissenschaft und Politik hilfreich und werden im Resümee angedacht. Die historische Gelegenheit dazu ist gut, und sie wird – leider – immer besser (d.h., das Leben muss noch schlimmer werden, bevor es besser wird).

10:30 – 11:30h: Führt Pluralismus in der ökonomischen Theorie zu mehr „Wahrheit“?

Vortrag von Jakob Kapeller (JKU, Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie)
Discussant: Wolfgang Plaimer

Abstract: Die Frage nach dem Pluralismus in der Ökonomie lässt sich auf zumindest zwei Arten stellen. Zum Einen ist von Interesse, ob Pluralismus als forschungsleitendes Prinzip der Wahrheitsfindung zuträglich ist. Schließlich scheint die Notwendigkeit einer pluralistischen Wissenschaftskonzeption nicht ohne weiteres vereinbar mit dem Ziel der Wissenschaft immer allgemeinere und umfassendere Theorien zur Erklärung der Welt bereitzustellen.

Andererseits stellt sich die Frage nach der ökonomischen Forschungspraxis und inwieweit diese überhaupt als pluralistisch oder monistisch charakterisiert werden kann. Hier treffen wir auf sehr unterschiedliche Interpretationen des aktuellen Stands ökonomischer Forschung in der entsprechenden Literatur, die zu ebenso unterschiedlichen Befunden hinsichtlich der Vielfalt und Offenheit aktueller ökonomischer Theoriebildung führen.

Der Vortrag versucht zuerst eigenständige Antworten auf diese beiden Fragen nach Brauchbarkeit und Existenz pluralistischer Erkenntnisprinzipien in der Ökonomie zu formulieren. In Folge werden die strukturellen Gründe für die vorherrschenden unterschiedlichen Befunde zur Rolle des Pluralismus in der Ökonomie diskutiert um die vorhandenen, divergenten Standpunkte besser verständlich zu machen.

11:30 – 12:30h: Zur Performativität der Ökonomik als Wissenschaft in Verantwortung

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Vortrag von Katrin Hirte und Stephan Pühringer (JKU, ICAE)
Discussant: Rainer Bartel

Abstract: Die bis heute andauernde weltweite Wirtschaftskrise, die ihren Anfang in der Finanzkrise 2007/08 nahm, hat zu einer Welle von Kritik an ökomischen Expertisen geführt.

Einerseits wurde ein passiver bzw. negativ konnotierter Beitrag konstatiert. Hier reichen die Befunde von „Discribern“ (Callon 2007) oder praxisfernen Modellrechnern (Dürmeier et al. 2006), die als neoklassische Ökonomen mathematische Schönheit mit Wahrheit verwechselt hätten (Krugman 2009) und mit dieser Entwicklung zu Praxisferne auch zur Finanzkrise antwortlos geblieben seien bis hin zur Diagnose des kollektiven Versagens der Ökonomen (z.B. als „Schweigen der Ökonomen“ – Ahmia 2008) sowie der Prognoseinstitute (Nienhaus 2009).

Andererseits mehren sich gerade im Kontext der Problematik der Finanzmärkte Analysen zur aktiven Rolle von Ökonomen in der Ökonomie. Angezeigt damit, dass Marktinstrumente sogar den Namen von Ökonomen tragen (z.B. Black-Scholes-Merton-Modell), wird zunehmend die Rolle von Ökonomen in wirtschaftlichen Verläufen hinterfragt, ob als „Innovatoren“ (Faulhaber/Baumol 1988) oder gar „Market Maker“ – so Zwick (2006) zu Richard Sandor, Research Professor an der Kellog Graduate School of Management at Northwestern University und gleichzeitig Gründer des größten Emissionshandelssystem in den USA, in den 1970er Jahren schon maßgeblich beteiligt am Aufbau der Derivatemärkte in den USA und daher auch als „…father of financial future…“ bezeichnet (Hunter 1999).

Dieser gestaltenden Rolle der ÖkonomInnen in der Ökonomie wird im geplanten Beitrag performativ entsprochen. D. h., mit „Wissenschaft“ wird nicht nur „Praxis“ reflektiert (Adäquationstheorie) und diese bedient auch nicht nur einfach Politik, z. B. durch Auftragsforschung, Gutachten usw. (Implementierungstheorie). Sondern Wissenschaft selbst muss als gesellschaftsbeeinflussender Bereich verstanden werden, der die Realität mehr oder weniger entscheidend mitformt.

Im Rahmen dieses Beitrages soll anhand einiger Beispiele in der europäischen Krisenpolitik die performative Einflussnahme der ÖkonomInnen in der Finanzkrise aufgezeigt werden. Mit Hilfe von sozialen Netzwerkanalysen von zentralen AkteurInnen im wirtschaftspolitischen Diskurs wird dabei gezeigt, dass sich über die letzten Jahrzehnte und insbesondere im Zuge der EU-Krisenpolitik zwar die Formen der Einflussnahme von ÖkonomInnen geändert haben, auf politisch-ideologischer Ebene aber eine große Kontinuität herrscht.

Quellen:

  • Ahmia, Tarik (2008): Das Schweigen der Ökonomen. In: Die taz vom 19.12.2008. www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/das-schweigen-der-oekonomen/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (Stand 02.07.2010).
  • Callon, Michel (2007): What Does It Mean to Say Economics Is Performative? In: MacKenzie, Donald, Fabian Muniesa, Lucia Siu (Hg.): Do Economists Make Markets? On the Performativity of Economics. University Press Princeton, 311-357.
  • Dürmeier, Thomas; von Egan- Krieger, Tanja; Peukert, Helge (2006): Scheuklappen der Wirtschaftswissenschaft. Postautistische Ökonomik für eine pluralistische Wirtschaftslehre. Metropolis Verlag Marburg.
  • Faulhaber, Gerald R.; Baumol, William T. (1988): Economists as Innovators: Practical Products of Theoretical Research. In: Journal of Economic Literature, Vol. 26, No. 2, 577-600.
  • Hunter, Robert (1999): The World According to Richard Sandor. Interview mit Richard Sandor durch Robert Hunter. In: Derivates Strategie, Dezember 1999.
  • Krugman, Paul (2009): How Did Economists Get It So Wrong? In: New York Times Magazine vom 02. September 2009. In: www.nytimes.com, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster 2009/09/06/magazine/06Economic-t.html (Stand 20.01.2010).
  • Nienhaus, Lisa (2009): Die Blindgänger: Warum die Ökonomen auch künftige Krisen nicht erkennen werden. Campus Verlag Frankfurt am Main.
  • Zwick, Steve (2006): Richard Sandor: Maker of Markets. In: Climatebiz, 30. September 2006. In: www.climatebiz.com/news/2006/09/30/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster richard-sandor-maker-markets (Stand 10.02.2010).

12:30 MITTAGSPAUSE

14:00 – 15:00h: Abschluss-Sitzung

Podiumsdiskussion: Welches ökonomische Wissen braucht die Gesellschaft?
mit Diskussionsbeiträgen von Karl-Heinz Brodbeck, Walter Otto Ötsch, Claus Thomasberger und Adolf Wagner