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Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik
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Elmar Stracke (Universität Bayreuth) über Moral und kalendarische Altersgrenzen

Auf Einladung von Tobias Wiß war am 13. Juni Elmar Stracke, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, Doktorand an der Universität Bayreuth, im Forschungskolloquium des Instituts für Gesellschafts- und Sozialpolitik zu Gast. Er stellte seine Dissertation in praktischer Philosophie über die moralische Zulässigkeit kalendarischer Altersgrenzen im Rentensystem vor.

Ausgangspunkt ist die Frage, ob der Sozialstaat das kalendarische Alter zur Zuteilung von Lasten und Pflichten nutzen darf. Denn da es nur lose mit Eigenschaften wie Gesundheit, Reife oder Motivation korreliert und die Menschen für ihr kalendarisches Alter nicht verantwortlich sind, ist seine Anwendung äußerst willkürlich. Es vermisst die Menschen nicht individuell, wie es der Goldstandard moderner Moralphilosophie, die proportionale Gleichheit, verlangt.

In seinem Vortrag arbeitete er heraus, dass aber gerade in der Unverfügbarkeit des kalendarischen Alters sein großer Vorteil liegt: alle Menschen altern gleich schnell in die gleiche Richtung. Das kalendarische Alter lässt sich nicht manipulieren und seine Entwicklung ist, sofern man lange genug lebt, mit Sicherheit planbar. Es ist objektiv und theorieneutral bestimmbar. Dadurch ist es eine völlig unstrittige Kategorie, während bei den eigentlich relevanten Dimensionen wie Gesundheit, Leistungsfähigkeit oder Motivation bereits die Bestimmung ein höchst umstrittenes Unterfangen ist. Da es keinen Konsens gibt und diese Dimensionen sich individuell sehr wohl beeinflussen lassen, schwebt immer ein begründeter Verdacht von Willkür und Unfairness im Raum.

Wenn die Zuteilung sich aber auf willkürliche Faktoren stützen muss, weil keine besseren Bestimmungsverfahren zur Verfügung stehen, ist es aus egalitaristischer Sicht besser, diese Willkür gleich zu verteilen. Denn nicht immer ist proportionale Gleichheit das Ideal, sondern häufig ist es arithmetische Gleichheit. Gemeint ist eine Pro-Kopf-Gleichheit, die Menschen gleicher behandelt, als sie in Wirklichkeit sind. Beispiele sind die Zuteilung von Grundrechten oder Losverfahren wie das berühmte Streichholzziehen. Das Streichholz ist moralisch völlig irrelevant und geht nicht auf die individuellen Eigenschaften ein, aber alle akzeptieren das Ergebnis.

Genau diese Willkürgleichheit ist ein Vorteil des kalendarischen Alters, der nicht aufgegeben werden sollte. Das kalendarische Alter sollte nicht der alleinige Grund für die Zuteilung von Lasten und Pflichten sein. Aber als Basis hilft es durch seine Planbarkeit und Willkürgleichheit, für arithmetische Gleichheit und hohe gesellschaftliche Akzeptanz einer Zuteilung – zum Beispiel im Rentensystem – zu sorgen.

Mehr über die Philosophie, Soziologie und Geschichte des Alters kann man auch in Elmar Strackes Podcast „Alter, was geht?“ auf Spotify, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, Apple Podcasts, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und überall, wo es Podcasts gibt, erfahren.