Zur JKU Startseite
Kepler Tribune
Was ist das?

Institute, Schools und andere Einrichtungen oder Angebote haben einen Webauftritt mit eigenen Inhalten und Menüs.

Um die Navigation zu erleichtern, ist hier erkennbar, wo man sich gerade befindet.

Der Doktorhut

Kleidung setzt Unterscheidung. In diesem Sinne war sie immer konfliktgeladen. Der Hut war einst ein Zeichen der Freiheit.

Von ROMAN SANDGRUBER

Der JKU-Doktorhut wird in der Werkstatt des Diakoniewerks hergestellt
Der neue Sponsionshut der JKU, nach einem Entwurf von Studierenden der Kunstuniversität Linz. Foto: Martin Stöbich.

Die JKU ist 50 geworden. Als sie gegründet wurde, war gerade der Aufstand der Studenten das große Thema: gegen den Muff von tausend Jahren, von Doktorhüten und Talaren. Inzwischen ist das bereits wieder Schall von gestern. Die Talare und Doktorhüte sind zurückgekehrt.

„Welches Logo steht für eine Universität?“, war eine der Fragen, die der heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten & Forschung zu lösen hatte, als die Wiener Verkehrsbetriebe für eine Karte ihrer Linien ein geeignetes Piktogramm für die Standorte der Universitäten suchten. Schließlich wurde es nicht ein Buch wie im Wappen der JKU oder eine Urkundenrolle, die bei Sponsionen oder Promotionen üblicherweise überreicht wird, sondern ein Doktorhut, obwohl keine einzige der neun Wiener Universitäten ein Abschlussritual hat, in dem der Doktorhut vorkommt. So prangt seit 2014 auf der Verkehrs-App „Qando“ der Wiener Linien auf Vorschlag Van der Bellens ein weißer Doktorhut auf türkisem Grund, der auf die über 100 Wiener Universitäts- und Hochschulstandorte hinweist.

Kleidung setzt Unterscheidung. In diesem Sinne war sie immer konfliktgeladen. Der Hut war einst ein Zeichen der Freiheit. Im alten Rom wurde den Sklaven zum Zeichen der Freilassung ein Hut überreicht. Hüte spielten nicht nur in Rechtsakten und religiösen und staatstragenden Zeremonien, sondern auch in magischen und zauberischen Praktiken eine entscheidende Rolle: Die Krone des Königs, die Infel des Bischofs, der hohe Imponierhut des Zauberers, die Hutungetüme der Glöckler, die Tarnkappe, die eine sonst nur Geistern eigene Unsichtbarkeit verleiht. Der Hut macht Menschen nicht nur größer, sondern auch mächtiger. Er ist ein Zeichen der Erhöhung, das Tuch eines der Erniedrigung, schrieb der Philosoph Ernst Cassirer 1929. Das Amtskappl ist uns immer noch als das Symbol der Allgewalt des Staates und seiner Diener geläufig.

Die Gelehrtenkleidung des Mittelalters war der Priesterkleidung entlehnt, mit Baretten und Biretten in verschiedenen Formen und Farben, ob rund oder eckig, rot oder schwarz. Höhere akademische Grade durften Rot tragen. Doch in Wahrheit war das Ziel der Akademiker jene Kleidung, von der die Wissenschaft eigentlich meilenweit entfernt ist: die Soldatenkleidung. Die Landsknechtsmode dominierte die mitteleuropäische Studentenkleidung der Frühneuzeit, woran noch die Mützen, Jacken und Uniformen traditioneller Studentenverbindungen erinnern. Der frühmoderne Staat hingegen drängte auf Talare als Amtskleidung.

Kaiser Joseph II. hatte am 11. November 1784 die Abschaffung der Talare verordnet. Neugegründete Universitäten führten sie bald wieder ein, und auch die traditionsreichen alten schlossen sich an, auch wenn manche Professoren dagegen waren. Einer der heftigsten Gegner der Talare und Barette war Jakob Grimm, der ältere der beiden berühmten Brüder. Er hielt sie nicht nur für antiquiert, sondern wie Joseph II. auch für eine unnütze Geldausgabe. Durchsetzen konnte er sich nicht. Und so schritten die Professoren im 19. Jahrhundert wieder in wallenden Talaren und Baretten zu Promotionen und akademischen Feiern, während sich die Studenten bei ihren Kneipen und Kommersen militärisch mit Deckeln, Wichs und Stiefeln adjustierten und mit Schlägern duellierten.

Die Bilder von feierlich schreitenden oder ausgelassen feiernden Absolventen und Absolventinnen mit fliegenden Bachelor- und Doktorhüten kennt man bei uns nur aus amerikanischen oder englischen TV- und Kino-Produktionen. Ihr englischer Name ist Mortarboard, zu Deutsch „Mörtelbrett“. Dass dieses Kleidungsstück bei uns Doktorhut heißt, rührt daher, dass an mitteleuropäischen Universitäten bis ins späte 20. Jahrhundert, anders als im angelsächsischen Raum, mit ganz wenigen Ausnahmen nur Doktorgrade verliehen wurden. Inzwischen ist die Zahl der Universitäten und der dort verliehenen Titel nicht nur explodiert, sondern auch anglisiert worden. Wenn wir schon die Bachelor- und Master- Titel importiert haben, spricht wenig dagegen, auch die entsprechenden Hüte zu übernehmen. Und da der akademische Titel „Master“ in Österreich, und insbesondere im Wienerischen, so sehr an den Hausmeister, Schlossermeister oder auch Maurermeister erinnert, passt auch das Mörtelbrett als Form ganz gut.