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Durchblick für Spot

Der berühmte Roboterhund von Boston Dynamics kommt an die JKU. Für ein Projekt des Ars Electronica Festivals 2021 soll er mit einem zusätzlichen Sinn ausgestattet werden.

Von Thomas Brandstetter

Rektor Meinhard Lukas mit dem Roboterhund Spot.

Er ist ein wahrer Star unter den Robotern. Spot, der süße gelbe Roboterhund, tanzt leidenschaftlich zu Hits aus den Sixites, hütet Schafe in Neuseeland oder erledigt für sein Herrchen gewissenhaft Kontrollgänge in Industrieanlagen – und das mit einer Anmut, die in der Welt der Maschinen ihresgleichen sucht. Vor der Charmeoffensive, die ihn seine Schöpfer vom US-Robotikunternehmen Boston Dynamics gerade durchlaufen lassen, war das Bild von Spot freilich noch ein ganz anderes. Als man ihn bei seinem ersten Auftritt 2015, damals noch in schlichtem Grau gekleidet, unbeirrt und mit geradezu gespenstischer Geschicklichkeit über unwegsames Gelände laufen sah, konnte einem noch angst und bange werden. Zu offensichtlich war der militärische Hintergrund. Doch egal, ob Kampfroboter oder treuer Begleiter – Spot gehört mit zum Besten, was moderne Robotertechnologie zu bieten hat.

Höchste Zeit also, dass der Laufroboter in zivile Hände kommt und mit ihm geforscht werden kann. Und genau das haben Andreas Stelzer, Leiter der Abteilung für Hochfrequenzsysteme, und Andreas Müller, Leiter des Instituts für Robotik der JKU, nun vor. Anlässlich eines Projektes für das heurige Ars Electronica Festival holen die beiden Wissenschaftler ein Exemplar des Vierbeiners nach Linz und geben ihm an der Universität ein neues Zuhause. Im Zuge des international hoch angesehenen Festivals wollen sie Spot mit einem an der JKU gemeinsam mit dem Spin-Off INRAS entwickelten Sensor ausstatten, der ihm im wahrsten Sinne des Wortes zu mehr Durchblick verhelfen soll: Ein Radar mit synthetischer Apertur (SAR) soll dem Roboter einen zusätzlichen Sinn verleihen und ihm ermöglichen, Dinge in seiner Umgebung wahrzunehmen, die der serienmäßig eingebauten 3D-Kamera entgehen könnten.

Noch halten sich die beiden Forscher eher bedeckt, was Details angeht. Spot ist schließlich noch gar nicht bei ihnen angekommen. Doch die Idee hinter SAR ist es, auch unter schwierigen Bedingungen wie Nebel oder extremer Staubentwicklung ein detailliertes Bild der Umgebung zu ermitteln. „Sehen ist unser wichtigster Sinn“, sagt Stelzer, an dessen Abteilung das Radarauge entwickelt wurde. „Eine Maschine kann aber auch in anderen Wellenlängenbereichen als das menschliche Auge sehen.“ Für Spot fiel die Wahl der Forscher auf Millimeterwellen, ein Teil des elektromagnetischen Spektrums, der uns Menschen verborgen bleibt. Sie durchdringen mühelos nicht nur Nebel, Staub und dichten Regen, sondern auch so manche Wand.

Da es für Millimeterwellen allerdings keine Kameras gibt, müssen die Bilder auf eine andere Art erzeugt werden, die mit einigem Rechenaufwand verbunden ist. So wird Spot Objekte in seiner Umgebung erst dann scharf sehen können, wenn er sich bewegt und sie aus unterschiedlichen Perspektiven „betrachtet“. Denn erst wenn die vom Objekt reflektierten Wellen von mehreren Positionen aus gemessen wurden, ist es möglich, aus den Daten ein Bild mit ausreichender Auflösung zu errechnen. Mit derselben Methode hat auch schon das Space Shuttle aus dem Orbit die Erdoberfläche vermessen. Ein entscheidender Faktor bei SAR-Anwendungen ist, dass die Position des Sensors stets bekannt ist. Damit Spot Objekte, wie etwa eine Getränkedose, die auf seinem Weg liegt, erkennen kann, muss die Position seines Kopfes während der Messung auf weniger als einen Millimeter genau bestimmt werden. Dafür wollen die Forscher einerseits die bereits im Roboter vorhandene Positionssensorik nutzen, bereiten sich allerdings auch darauf vor, ihn mit zusätzlichen Sensoren auszustatten, falls das nicht reichen sollte. „Im Grunde ist Spot für uns hier Mittel zum Zweck“, sagt Stelzer. „Mit ihm wollen wir untersuchen, wie man die exakten Trajektorien, die man für SAR braucht, synergetisch mit einem sich ohnehin bewegenden Roboter ausführen kann.“

Am Institut für Robotik soll Spot zudem erst einmal auf Herz und Nieren getestet werden. Denn trotz seiner beeindruckenden Leistungen hat das System natürlich auch seine Schwächen. So stellt sich etwa die Frage, wie er damit umgeht, wenn eines seiner Beine beschädigt wird oder komplett ausfällt. Oder wie er sich unter erschwerten Bedingungen, z.B. bei Katastrophen und Rettungseinsätzen, zurechtfindet. „Spot ist eine super Testplattform“, so Robotiker Müller. „Hinsichtlich der Einsatzfähigkeit in harschen Umgebungen hat er aber auch seine Schwächen.“ Dabei wollen die Forscher aber keineswegs Boston Dynamics unterstützen, um deren System weiterzuentwickeln. Vielmehr geht es ihnen darum, allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen, die dann auch für andere Laufroboter gültig sind.

Und auch danach soll Spot natürlich nicht verstauben. Geplant ist unter anderem, ihn dauerhaft in der Lehre und für Studentenprojekte einzusetzen. Aufgrund seiner einfachen Bedienbarkeit ist er schließlich bestens dafür geeignet, Lehrinhalte zu veranschaulichen. „Das wird sicher eine zusätzliche Attraktion für unser Studium“, freut sich Müller.  

Der harte Aufschlag in der Realität

Martin Honzik, der Leiter des Ars Electronica Festivals, im Gespräch über das diesjährige Festival.

Was steckt hinter „A New Digital Deal“?

Der Titel des heurigen Festivals spielt mit dem Begriff Deal. Green Deal und Digital Deal gehören zusammen, und wenn wir es nicht schaffen, das Digitale zum Teil unseres Kulturverständnisses zu machen, werden wir aus dem ewigen Improvisieren und Löcherstopfen nicht herauskommen und wir werden keine nachhaltigen Lösungen zusammenbringen.

Digitalisierung als Rettung?

Leider hat nichts einen härteren Aufschlag in der Realität gehabt als das Digitale. Gerade jetzt in der Pandemie und beim Homeschooling zeigt sich ja die Ungleichheit. Es ist halt einfach nicht wahr, dass jeder einen Internetzugang und ein Notebook zu Hause hat. Wir alle haben gehofft, dass wir als Gesamtgesellschaft schon viel weiter wären. Die grundlegende Intention des Digitalen war ja der demokratische Ansatz, es zum Wohl aller Menschen einzusetzen. Das ist so leider nicht passiert. Stattdessen haben das Digitale und das Internet den Turbokapitalismus beschleunigt.

Digitale Demokratie ist also eine Illusion?

Es wird uns im Internet eine demokratische Öffentlichkeit vorgegaukelt. In Wirklichkeit stehen dahinter Leute wie Mark Zuckerberg, die so tun, als würden sie uns Plätze schenken, die öffentlich sind und wo die Community die Regeln bestimmt. Wenn man gegen die Regeln verstößt, ist es nicht die Community, sondern eben Zuckerberg oder eine der anderen superreichen und „glamourösen“ IT-Persönlichkeiten, die uns rauskicken.

Wie kann ein Festival da helfen?

Es war schon immer unser Kulturauftrag, niederschwellige Portale für ein möglichst breites Publikum zu generieren. So können die Menschen zu kritischen Bürgern und Bürgerinnen werden und ihr eigenes Potenzial erkennen, sich diese Technologien anzueignen und für sich nutzbar zu machen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der JKU?

Wir brauchen ganz allgemein eine neue Kultur des Kooperierens. Die Projekte mit der JKU sind ein schönes Beispiel dafür. Hier wird versucht, eine neue Perspektive auf das eigene Schaffen zu generieren, die für das Umfeld oder sogar für die gesamte Gesellschaft relevant ist. Hier können wir zeigen, dass Künstler und Künstlerinnen mehr als nur die Clowns der Gesellschaft sind. Und auch mehr als nur die, die erkennen, welchen Wahnsinn wir gerade als Menschheit machen. Gerade Medienkünstler mit ihren Skills und ihrem Kulturbewusstsein können helfen, die richtigen Fragen zu stellen, anstatt blind nach einer Antwort zu suchen.

Ihr Verhältnis zu Spot?

Als die ersten Bilder von ihm auftauchten, war das für mich der angsteinflößendste Moment in der Geschichte der Robotik. Dass so etwas zunächst militärische Anwendung findet, ist klassisch. Der Imagewechsel hin zur Zivilgesellschaft, indem man ihn jetzt für die Forschung nutzbar macht, ist natürlich genial. Wir vom AEC wollten den Hund immer schon im Museum haben – das ist die Speerspitze der Robotertechnologie. In der falschen Anwendung zeigt er uns aber, dass wir auch Dinge erfinden können, denen wir in gewissen Situationen nicht mehr gewachsen sind. Dann fürchten wir uns vor unseren eigenen Erfindungen. Dabei ist Technologie per se ja nicht böse. Nur lässt die Fantasie halt auch viele Anwendungen zu. Jedenfalls wird Spot, zusammen mit der coolen Applikation von Müller und Stelzer, sicher der Star des Festivals.