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Ich seh, ich seh, was du nicht siehst

Eine an der Kepler Universität entwickelte Drohne soll künftig dabei helfen, vermisste Personen selbst im dichtesten Wald zu finden. Es ist ein Meilenstein bei der Suche nach vermissten oder verletzten Menschen.

Von Florian Freistetter

Im Naturschutzgebiet „Unterer Inn“ bei Reichersberg befindet sich eine der größten Reiherpopulationen Österreichs. Wie groß genau? Bisher schwer zu sagen, denn die Vögel haben leider keine Lust, sich gut sichtbar für uns aufzustellen und abzählen zu lassen. Ihre Nester sind mitten in den Bäumen und weder vom Boden noch von der Luft aus gut zu erkennen. Für die Linzer Drohne ist das aber kein Problem, wie ein Feldexperiment der JKU zeigen konnte. Die Position der Tiere und Nester wurde vollautomatisch bestimmt, aufgezeichnet und gezählt.

Verstecken ist so einfach, dass man es überall auf der Welt schon immer gespielt hat. Seit 2010 finden in der Umgebung der italienischen Stadt Bergamo sogar regelmäßig Weltmeisterschaften im Versteckspiel statt (kein Witz!). Als sich vergangenes Jahr Studierende und Mitarbeiter*innen der Johannes Kepler Universität Linz in Feldern und Wäldern versteckt haben, waren sie allerdings nicht daran interessiert, Österreich zum Weltmeistertitel zu verhelfen. Sie wollten gefunden werden, und zwar von der Drohne, die Professor Oliver Bimber und seine Mitarbeiter David Schedl und Indrajit Kurmi vom Institut für Computergrafik entwickelt haben. Genauer gesagt von einer am Institut geschaffenen neuen Bildverarbeitungstechnik. Zweck der Übung war das Training des Systems, das lernen sollte, wie man Menschen aus der Luft erkennt.

Suche nach vermissten Personen

Eigentlich klingt es ja nicht unbedingt nach einem Problem, mit dem sich die Forschung großartig beschäftigen muss. Mittlerweile können sogar Satelliten im All hochaufgelöste Bilder der Erdoberfläche machen. Wie schwer kann es da schon sein, einen Menschen von einer Drohne aus zu erkennen, die gerade mal ein paar Dutzend Meter hoch fliegt? Sehr schwer, wenn zum Beispiel eine verletzte Person irgendwo unter Bäumen verborgen im Wald liegt. Auch Wärmebildkameras helfen da nur bedingt. Der warme Körper eines Menschen hebt sich zwar deutlich von der kälteren Umgebung ab. Das tun aber auch die Reflexionen der Sonne auf Blättern, Ästen und Boden.

Wenn das Versteckspiel mangels Erfolg langweilig wird, kann man einfach aufhören. Die Suche nach vermissten Personen muss aber weitergehen und kann es dank dem System der Kepler Universität Linz auch. Es basiert auf einem einfachen Prinzip: Wenn eine kleine Kamera nicht reicht, braucht es eine größere! Natürlich kann man nicht einfach gewaltige Apparate durch die Gegend fliegen lassen. Aber man kann so tun als ob und den Rest am Computer erledigen. Vergleichbare Techniken werden zum Beispiel in der Astronomie eingesetzt. Dort hätte man gerne Teleskope, die ein paar hundert oder tausend Kilometer groß sind. Das scheitert verständlicherweise an der Finanzierung. Aber man kann stattdessen einfach mehrere kleine Teleskope das gleiche Objekt beobachten lassen und aus den erhaltenen Daten das Bild simulieren, das ein größeres Gerät gemacht hätte.

Bimber und sein Team brauchen sogar nur eine einzige Drohne. Die aber tut einfach so, als sei sie sehr viel größer, als sie es tatsächlich ist. Dazu fliegt sie über dem Wald eine Strecke von beispielsweise 100 Metern und macht dazwischen jede Menge Bilder sowohl mit einer normalen als auch mit einer Wärmebildkamera. Das allein reicht aber noch nicht, denn im Zweifelsfall hat man dann immer noch nur sehr viele Aufnahmen von Blättern und Ästen und keine Ahnung, was darunterliegt. Man muss die Bilder kombinieren, und zwar auf die richtige Weise – und erhält eine Aufnahme, die das zeigt, was eine Drohne gesehen hätte, die eine Kameralinse von 100 Meter Durchmesser hat.

Zu einer Aufnahme kombiniert

Dabei kommt es vor allem auf die Schärfe an. Am Computer werden die Aufnahmen künstlich scharf gestellt, und zwar immer auf den Boden (wo der sich befindet, weiß man vorab aus entsprechenden geografischen Modellen). Danach werden alle Fotos der Wärmebildkamera zu einer einzigen Aufnahme kombiniert. Auf der ist nun nur das scharf zu sehen, was sich auf dem Boden befindet. Auf den Einzelbildern ist vielleicht nur hier und da ein kleiner Teil einer verdeckten Person zu erkennen, die man auch nur dann als Person identifizieren kann, wenn man vorher schon weiß, dass da etwas sein muss. Setzt man aber die aus verschiedenen Winkeln aufgenommenen Einzelbilder zusammen, verschwinden die Bäume regelrecht und die Menschen sind klar und deutlich sichtbar. Zumindest dann, wenn das System auch erkennt, wie ein Mensch aussieht – weswegen es mit den versteckspielenden Freiwilligen von der JKU entsprechend trainiert wurde.

Nutzen für die Gesellschaft

In Zukunft soll das System der Johannes Kepler Universität Linz noch weiter automatisiert werden. Dazu muss die Energieversorgung der Drohne optimiert werden, um längere Einsätze fliegen zu können. Die Datenverarbeitung soll direkt an Bord des Fluggeräts passieren, so dass sie autonom ihr Ziel erkennen, bei Bedarf näher analysieren und entsprechende Rückmeldungen geben kann.

Eine Drohne, die ganz automatisch durch die Gegend fliegt und Dinge erkennt, die eigentlich versteckt sind, kann durchaus ein wenig Unbehagen hervorrufen. Man muss nicht lange nachdenken, um – zum Beispiel militärische – Einsatzzwecke zu finden, bei denen man sich wünscht, man hätte sie nicht gefunden. Aber – und das gilt für die Drohne ebenso wie für jede andere Technologie: Die hilfreichen Anwendungen sind mindestens ebenso zahlreich. Die Suche nach verletzten und vermissten Menschen, das Aufspüren von Glutnestern bei Waldbränden, archäologische Spurensuche oder die Beobachtung wilder Tiere – der Nutzen für die Gesellschaft liegt auf der Hand. Und vielleicht klappt es ja auch noch mit dem Weltmeistertitel im Versteckspiel.