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Mathematik verkehrt herum

Weit draußen im Weltall stoßen wir auf einige der größten Rätsel der Wissenschaft. Die Mathematik, mit der man sie entschlüsseln kann, hängt eng mit konkreten irdischen Anwendungsgebieten zusammen, etwa mit der Computertomographie. An der Kepler Universität forscht man an „inversen Problemen“, die oft unerwartete Erkenntnisse bringen – über das Innere unseres eigenen Körpers genauso wie über die Geheimnisse des Kosmos.  

Von Florian Aigner

Auf diesem Bild sieht man die zwei Spiralgalaxien NGC 5426 und NGC 5427, die so wirken, als wären sie in einem faszinierenden wirbelnden Tanz miteinander. Das dabei entstehende astronomische Objekt hat den Namen Arp 271. In Millionen von Jahren werden beide dann zu einem einzigen Objekt verschmelzen.
Auf diesem Bild sieht man die zwei Spiralgalaxien NGC 5426 und NGC 5427, die so wirken, als wären sie in einem faszinierenden wirbelnden Tanz miteinander. Das dabei entstehende astronomische Objekt hat den Namen Arp 271. In Millionen von Jahren werden beide dann zu einem einzigen Objekt verschmelzen.

In einer fernen Galaxie strahlt ein namenloser Stern sein Licht in den Weltraum. Ein winziger Teil dieses Lichts bewegt sich genau Richtung Erde, und nachdem dieses Licht Millionen Jahre durch das intergalaktische Vakuum gereist ist, gelangt es schließlich durch die Linse eines großen Teleskops auf einen elektronischen Sensor, wird absorbiert und macht einen kleinen Bildpunkt auf einem Bildschirm ein kleines bisschen heller.

Nichts daran ist kompliziert. Es ist leicht zu verstehen, wie dieses Bild zustande kommt. Würde man die Positionen und die Leuchtkraft aller Sterne in dieser Galaxie genau kennen, dann ließe sich recht einfach ausrechnen, welches Bild von dieser Galaxie sich dadurch von der Erde aus gesehen ergibt. Jeder Stern trägt mit seinem Licht ein bisschen zum Gesamtbild bei. Wenn man Punkt für Punkt das Licht aller Sterne zusammenzählt, bekommt man das Bild. Fertig.

Doch wenn man das Teleskop in die Weiten des Weltraums richtet, möchte man eigentlich den umgekehrten Weg gehen: Man hat das Bild und möchte daraus möglichst viel über seine Ursache lernen – über die Galaxie, über ihre Sterne, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Zukunft. Und das ist mathematisch viel komplizierter.

Wenn man eine weit entfernte Galaxie betrachtet, kann man die einzelnen Sterne nicht erkennen, man sieht nur eine verschwommene Überlagerung unzähliger Lichtquellen, nebelig helle Lichtwolken mit hoher Sternendichte und dunkle Flecken mit geringerer Leuchtkraft.

Aus diesem komplizierten Lichtgemisch auf die subtilen Eigenschaften der Galaxie und ihrer Sterne zu schließen ist viel schwieriger als der umgekehrte Weg – ähnlich wie sich recht leicht allerlei Zutaten zu einem Eintopf verarbeiten lassen, während es hingegen ziemlich mühsam ist, den Eintopf wieder in seine einzelnen Zutaten aufzudröseln.  

Von der Wirkung zur Ursache: Inverse Probleme  

„Man spricht in diesem Fall von einem inversen Problem“, sagt der Mathematiker Ronny Ramlau. Er ist Professor am Institut für Industriemathematik der JKU Linz und gleichzeitig wissenschaftlicher Direktor des Johann Radon Institute der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Wenn eine Ursache zu einem bestimmten Ergebnis führt, heißt das noch nicht, dass man vom Ergebnis auch eindeutig auf die Ursache schließen kann“, erklärt Ramlau. „Aber wir untersuchen, mit welchen Methoden das möglichst präzise und rasch gelingen kann. Und wir können auch sagen, welche Ergebnisse stabil und verlässlich sind, und ob vielleicht kleine Abweichungen schon zu einem völlig anderen Ergebnis führen würden.“

Ronny Ramlau ist mit seinem Team Teil des Spezialforschungsbereichs „Tomography Across the Scales“, in dem mehrere Forschungsgruppen aus Wien, Linz und Innsbruck zusammenarbeiten. Dort werden inverse Probleme ganz unterschiedlicher Größenordnungen betrachtet – nicht nur auf kosmischer Skala, sondern auch auf mikroskopischer Ebene, etwa wenn es darum geht, mit Laserstrahlen einzelne Moleküle aufleuchten zu lassen, um die Position einzelner Proteine in der Zelle zu vermessen.

Das vielleicht bekannteste inverse Problem ist die Computertomographie: Ein menschlicher Körper wird mit Röntgenstrahlung durchleuchtet. Jeder Strahl durchquert auf seinem Weg unterschiedliche Arten von Gewebe. An manchen Stellen wird er stärker abgeschwächt, an anderen weniger. Am Ende wird die verbleibende Stärke des Röntgenstrahls gemessen.

Ein gewöhnliches Röntgenbild ist bloß der Röntgenstrahl-Schattenwurf des Körpers. Dreidimensionale Strukturen lassen sich auf diese Weise nicht erkennen. Ob der Knochen nach links oder rechts verschoben ist, kann man zwar sehen – ob er weiter oben oder weiter unten liegt, hingegen nicht.  

Die Wellenlänge als dritte Dimension  

Wenn man allerdings Röntgenbilder aus vielen unterschiedlichen Richtungen aufnimmt, kann man daraus am Computer ein dreidimensionales Modell des Körpers errechnen. Mit ausreichend vielen Daten gelingt es, aus der Abschwächung von Röntgenstrahlen zuverlässig auf die Ursache zu schließen – nämlich die Gewebeverteilung im Inneren. Verwendet wird dafür bis heute die sogenannte „Radon-Transformation“, eine Methode, die der österreichische Mathematiker Johann Radon entwickelte, nach dem auch das Radon-Institut benannt ist, an dem Ronny Ramlau forscht.

Etwas anders ist die Situation, wenn man das Innere von Galaxien untersuchen möchte. Schließlich ist es nicht möglich, Raumschiffe Millionen Lichtjahre weit durchs Universum zu schicken, um aus allen denkbaren Richtungen Bilder einer Galaxie aufzunehmen.

„Aber auch hier können wir das Problem lösen, indem wir zusätzliche Informationen nutzen“, sagt Simon Hubmer, Postdoc im Team von Ronny Ramlau. „Wenn wir das Bild einer Galaxie analysieren, dann interessiert uns nicht nur, wie hell oder dunkel jeder einzelne Punkt auf diesem Bild ist, sondern auch, aus welchen Wellenlängen sich das Licht an jedem einzelnen Punkt zusammensetzt. Aus dem zweidimensionalen Bild wird somit ein dreidimensionaler Datenwürfel mit einer zusätzlichen Achse, auf der die Wellenlängen aufgetragen sind.“

Diese Daten kann man nun mit physikalischen Modellen über die Entstehung von Sternen und Galaxien vergleichen. Die Modelle sagen, welche Daten unter bestimmten physikalischen Bedingungen zu erwarten sind, und die mathematische Datenanalyse sagt, welches dieser Szenarien mit der Wirklichkeit übereinstimmt. So lassen sich in aufwendiger Detailarbeit interessante Informationen über die Vergangenheit von Galaxien ermitteln – sowohl über die Geschichte unserer eigenen Milchstraße als auch die Geschichte unserer Nachbargalaxien. Man bezeichnet das als „(extra-)galaktische Archäologie“.

Die Verteilung der Wellenlängen gibt Auskunft über die Zusammensetzung der Sterne: Welche chemischen Elemente kommen in ihnen vor, und mit welcher Häufigkeit? Werden in der Kernfusions-Gluthitze dieser Sterne Wasserstoffatome zu Heliumkernen gebacken oder entstehen dort schwerere Elemente?  

Licht und Bewegung  

Sogar die Bewegung der Sterne innerhalb ihrer Galaxie kann man untersuchen. Auch hier hilft eine sorgfältige Analyse der Wellenlängen. Man nutzt dabei den Doppler-Effekt: Je nachdem, ob sich die Sterne einer bestimmten Region Richtung Erde bewegen oder von der Erde weg, verschiebt sich die Wellenlänge des Lichts. Sterne, die sich von uns wegbewegen, sehen ein bisschen rötlicher aus, Sterne, die sich auf uns zu bewegen, erscheinen etwas blauer.

„Wenn etwa vor vielen Millionen Jahren eine kleine Galaxie von einer größeren eingefangen wurde, dann kann man das auf diese Weise heute noch nachweisen“, erklärt Prashin Jethwa, Assistent im Team von Professor Glenn van de Ven am Institut für Astrophysik der Universität Wien, das mit Ronny Ramlaus Team eng zusammenarbeitet. Es kann sein, dass sich die Sterne der beiden Galaxien nicht gleichmäßig vermischt haben, sondern dass viele der Sterne aus der kleineren Galaxie noch immer gemeinsam um das neue galaktische Zentrum unterwegs sind. Sie haben andere Geschwindigkeiten und daher eine andere Rot- oder Blauverschiebung als die anderen Sterne der Galaxie, von der sie eingefangen wurden. Auf einem gewöhnlichen Foto der Galaxie könnte man das nicht erkennen – doch wenn man das gesamte Datenmaterial mathematisch analysiert, erschließt sich plötzlich ein Blick tief in die Vergangenheit.

So hat etwa unsere Milchstraße vor Milliarden Jahren die Sagittarius-Zwerggalaxie eingefangen und ihre Sterne an sich gebunden. Als „Sagittarius Stream“ bezeichnet man eine komplexe Struktur aus Sternen, die zwar um das Zentrum unserer Milchstraße kreisen, aber nicht als Teil ihrer Spiralarme, sondern auf völlig anderen Bahnen. Diese Bahnen ragen weit aus der Ebene hinaus, in der sich unsere Sonne mit ihren Nachbarn um das galaktische Zentrum bewegt, und dieses ungewöhnliche Bewegungsmuster verrät, dass die Sterne dieses „Sagittarius Stream“ eine andere Herkunft haben müssen.

Genauso kann man auch einen Blick in die Zukunft werfen: Wenn sich in der Nähe einer größeren Galaxie eine kleine Galaxie befindet, handelt es sich dann um eine „Satellitengalaxie“, die um die größere kreist? Oder befinden sich die beiden Galaxien möglicherweise auf Kollisionskurs, wie unsere Milchstraße und ihr kosmischer Nachbar Andromeda, die sich in einigen Milliarden Jahren zu einer neuen, großen elliptischen Galaxie vereinen werden?  

Schwarze Löcher und dunkle Materie  

Schließlich kann man mit sorgfältiger Datenanalyse und astrophysikalischen Modellrechnungen sogar Objekte finden, die man gar nicht sehen kann, etwa schwarze Löcher. Man vermutet heute, dass sich in den Zentren der meisten Galaxien ein supermassives schwarzes Loch befindet – ein Objekt gewaltiger Masse, dessen Gravitation so stark ist, dass ihm nicht einmal Licht entkommen kann.

Sehen kann man diese kosmischen Ungetüme allenfalls indirekt: Wenn ein schwarzes Loch nämlich von einer Gaswolke umgeben ist, dann kann dieses Gas ins schwarze Loch hineingezogen werden, sich dabei erhitzen und leuchten, bevor es schließlich für immer verschluckt wird. So entstand das berühmt gewordene Bild vom schwarzen Loch im Zentrum der Riesengalaxie M 87, das vom „Event Horizon Telescope“ aufgenommen wurde: Durch das Zusammenfügen vieler Einzelaufnahmen gelang es, ein Bild vom Gasleuchten am Rand des schwarzen Lochs zu erstellen.

Das ist aber bisher die Ausnahme. „Wir untersuchen schwarze Löcher auf ganz andere Weise, nämlich indem wir die Bewegung der Sterne in der Nähe des galaktischen Zentrums analysieren“, erklärt Prashin Jethwa. Wenn die Geschwindigkeitsverteilung dieser Sterne darauf hindeutet, dass sie alle um ein sehr massereiches Zentrum kreisen, das selbst allerdings nicht sichtbar ist, dann muss es sich dort um ein schwarzes Loch handeln. Doch schwarze Löcher sind nicht die einzigen unsichtbaren Objekte im Weltraum, die der Wissenschaft Rätsel aufgeben: Noch mysteriöser ist die sogenannte dunkle Materie. Bis heute weiß niemand, woraus sie besteht. Man weiß nur: Sie ist da. Irgendetwas muss es da geben in und um Galaxien, was wir noch nicht kennen. Ein entscheidendes Indiz dafür ist die Geschwindigkeit, mit der die Sterne ferner Galaxien ihr galaktisches Zentrum umkreisen. Die klassischen Gesetze der Gravitation sagen uns: Wenn sich ein Objekt im Orbit um ein anderes Objekt befindet, dann hängt seine Bahngeschwindigkeit vom Abstand ab. So bewegt sich etwa der Merkur sehr schnell, weil sein Abstand zur Sonne sehr klein ist. Die Bahngeschwindigkeit der Erde ist kleiner, und der Neptun, weit draußen am Rand des Sonnensystems, bewegt sich noch viel langsamer um die Sonne. Dasselbe könnte man auch bei Sternen erwarten, die sich um das galaktische Zentrum bewegen. Doch die Messungen ergeben etwas völlig anderes: In manchen Bereichen vieler Galaxien scheint die Bahngeschwindigkeit der Sterne kaum von ihrem Abstand zum Mittelpunkt der Galaxie abzuhängen. Das deutet darauf hin, dass es dort zusätzliche Materie geben muss, die durch ihre Gravitation die Bahn dieser Sterne beeinflusst – „dunkle Materie“ eben. Wenn man die Sternendichte ferner Galaxien und die Geschwindigkeitsverteilung ihrer Sterne analysiert, kann man daraus ableiten, wie viel zusätzliche dunkle Materie es dort geben muss.

All diese astrophysikalischen Fragestellungen sind Beispiele für inverse Probleme. Und immer wieder führen diese Probleme zu ähnlichen Herausforderungen: Man muss berücksichtigen, ob die Daten verlässlich sind, oder ob das gewünschte Signal von einem Zufallsrauschen überlagert wird. Man muss klären, ob die Lösung des inversen Problems eindeutig ist, oder ob es vielleicht mehrere ganz unterschiedliche Ursachen geben könnte, mit denen sich die gemessenen Daten erklären lassen. Manchmal muss man auch mit Vereinfachungen arbeiten, um in akzeptabler Zeit zu einem Ergebnis zu kommen. „Mit komplizierten inversen Problemen sind manchmal auch die leistungsfähigsten Supercomputer überfordert“, sagt Ronny Ramlau. Das schönste Rechenergebnis bringt nichts, wenn es Jahrhunderte auf sich warten lässt – in solchen Fällen sind kreative Ideen gefragt, um die Rechnung zu beschleunigen, ohne bei der Genauigkeit der Ergebnisse allzu große Kompromisse einzugehen.  

Galaxien, Autos und Finanzmathematik  

All das gilt natürlich nicht nur für Anwendungen aus der Astrophysik, sondern auch überall sonst, wo man auf inverse Probleme stößt: Bei der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs oder in der Finanzmathematik oder bei der Analyse von Erdbebenwellen. Das ist ein typisches Beispiel für die bemerkenswerte Universalität der Mathematik: Ähnliche Formeln, Ideen und Lösungsansätze führen in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zum Ziel. Oder, wie man in diesen Fällen vielleicht sagen könnte: Nicht zum Ziel, sondern vom Ziel, das man bereits kennt, zurück zu seiner Ursache. Von den Röntgen-Messdaten der Computertomographie zur genauen Form eines verletzten Kniegelenks. Vom Schall, den das Sonarsystem eines U-Boots registriert, zu den Objekten im Wasser ringsherum. Oder vom kleinen Bildpunkt auf einem Bildschirm, der ein kleines bisschen heller geworden ist, zum namenlosen Stern in einer fernen Galaxie, der sein Licht in den Weltraum strahlt.  

Elemente, die schwerer sind als Eisen, entstehen nur dann, wenn ein großer Stern das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat und in einer gewaltigen Explosion seine Atome zu schwereren Atomen fusioniert. Auf der Erde finden wir solche schweren Elemente – also muss sich in unserer Gegend der Milchstraße eine solche Supernova-Explosion ereignet haben, bevor sich aus ihren Überresten unser Sonnensystem bildete. Wenn man in fremden Galaxien hingegen Regionen findet, in denen fast nur die allerleichtesten Elemente vorkommen (nämlich Wasserstoff und Helium), dann ist das ein Hinweis darauf, dass es sich dort um eine Ansammlung besonders alter Sterne handelt. Sie haben sich nie aus der Asche einer Sternenexplosion neu gebildet, sondern stammen aus jener Zeit, in der nach dem Urknall die erste Generation von Sternen geformt wurde.

Wie man die Atmosphäre verschwinden lässt

Um hochauflösende Bilder ferner Galaxien zu bekommen, kann man entweder Weltraumteleskope ins All schicken oder man kann große Observatorien auf der Erde errichten. Beides hat Vor- und Nachteile. Im Oktober 2021 wollen NASA, ESA und die kanadische CSA gemeinsam das James-Webb-Teleskop starten. Mit einem Spiegeldurchmesser von etwa 6,5 Metern wird es das Hubble-Weltraumteleskop deutlich übertreffen. Allerdings sind solche Projekte teuer und aufwendig, und wenn Fehler auftreten, sind sie schwer zu beheben.

Einfacher ist es, auf der Erdoberfläche Teleskope zu errichten. Allerdings hat man dann mit einem anderen Problem zu kämpfen: Zwischen dem Teleskop und den Sternen befindet sich ziemlich viel störende Atmosphäre. Feuchtigkeit und Luftströmungen lassen die Sterne „funkeln“ – das sorgt für verschwommene, unscharfe Bilder.

Aus diesem Grund betreibt die Europäische Südsternwarte ihre Teleskope in der chilenischen Atacama-Wüste. Die Luft dort ist sehr trocken und ruhig, sodass die Bilder durch die Atmosphäre nur schwach gestört werden. Doch auch das genügt noch nicht. Für eine optimale Bildqualität muss man Wege finden, selbst kleine atmosphärische Störungen auszugleichen.

Im Jahr 2025 soll in der Atacama-Wüste ein neues Teleskop mit dem eher prosaischen Namen „Extremely Large Telescope“ (ELT) in Betrieb gehen – mit der bisher höchstentwickelten Störungskorrektur der Welt, auch dank der mathematischen Forschungsarbeit von Ronny Ramlaus Team.

Wenn von fernen Galaxien eine ebene Lichtwelle zur Erde gelangt, dann wird sie von einem Spiegel reflektiert und dann von einer Linse gebündelt. Wenn die Welle aber durch atmosphärische Unregelmäßigkeiten verändert wird, kommt sie etwas verzerrt an. Das kann man ausgleichen, indem man im Gegenzug den Spiegel auf die exakt richtige Weise verzerrt, sodass dann das reflektierte Bild wieder möglichst genau der Original-Lichtwelle entspricht.

Man bringt daher am Spiegel Hunderte Aktuatoren an, die in winzigen Sekundenbruchteilen die glatte Spiegeloberfläche zu einer komplizierten Landschaft aus kleinen Aus- und Einbuchtungen verformen können. Das einfallende Licht wird analysiert, daraus wird blitzschnell errechnet, welche Korrekturen am Spiegel vorgenommen werden müssen, im nächsten Moment wird der Spiegel entsprechend angepasst – und das alles Tausende Male pro Sekunde.

Auch hier handelt es sich um ein inverses Problem, die Kernkompetenz von Ronny Ramlaus Forschungsgruppe. Daher wurde bereits beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Südsternwarte im Jahr 2008 vereinbart, dass diese Arbeit an der adaptiven Optik des ELT ein wesentlicher Teil des österreichischen Beitrags zu diesem Projekt sein wird.