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Perfekte Unperfektheit

Franz Joseph-Huainigg über die scheinbare Unvernunft, mit einer Behinderung leben zu wollen. Denn ein selbstbestimmtes Leben, eine inklusive Gesellschaft und der Wert des Lebens werden zunehmend infrage gestellt. Die Suche nach Antworten führt ihn in die ehemalige Euthanasieanstalt Schloss Hartheim. Dort fand unter der Leitung von Angela Wegscheider (Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik) und Siegfried Bachmayer (Soziologe und gehörlos) ein spannendes Forschungsprojekt statt.

Von Franz Joseph-Huainigg

Vielfalt bereichert die Gesellschaft
Illustration: Istock / ELENABS

7 Uhr früh.

Es läutet an der Tür. Judit, meine Frau, öffnet. Es ist meine persönliche Assistentin Sara, die mich mit einem „Guten Morgen“ begrüßt. Tee kochen, Vitamincocktail mit Strohhalm, katheterisieren, und dann werde ich von ihr auf den Rücken gedreht. Die Atemkanüle wird gespült und abgesaugt, und meine Lebensgeister erwachen durch die frische Morgenluft. Ich lebe ein selbstbestimmtes Leben durch meine Familie und nicht zuletzt durch die Unterstützung der persönlichen Assistentinnen, die mich den ganzen Tag und bis spät in die Nacht begleiten und es mir ermöglichen, ein guter Vater für meine zwei Kinder, ein helfender Ehemann und beruflich tätig zu sein.

Immer wieder lese ich von Forderungen, die aktive Sterbehilfe endlich auch in Österreich einzuführen. Denn selbstbestimmtes Leben muss auch am Lebensende gelten, wird argumentiert. Meine Empörung über eine Euthanasie-Debatte ohne behinderte Menschen und ohne den geschichtlichen Hintergrund in Österreich zu führen, stößt immer wieder auf heftige emotionale Gegenreaktionen: ich solle „nicht mit der Nazikeule“ kommen. Ich beschließe, die ehemalige oberösterreichische Euthanasieanstalt Schloss Hartheim aufzusuchen. Ein vorbildliches Forschungsprojekt der Johannes Kepler Universität hat mit intellektuell behinderten und gehörlosen Menschen Grundlagen für eine inklusiv gestaltete Gedenkarbeit erarbeitet. Vielleicht können Menschen mit Behinderungen als Bindeglied zwischen Geschichte und Gegenwart und als Mahner für den Wert des Lebens eintreten. Wie das funktionieren kann, wollte ich herausfinden. Ich packte meinen Koffer.

11:30 Uhr.

Ich fahre mit meinem Elektrorollstuhl in den Zug. Eine kleine Schwelle, ein Ruck, die Assistentin stützt meine Schulter, und schon bin ich im Waggon. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Barrierefrei mit dem Zug reisen, ohne Voranmeldung, ohne mühsamen Hublift, der gelegentlich auch nicht funktioniert hat, das bedeutet gelebte Inklusion und damit die gleichberechtigte Teilhabe am Leben! Ich rolle zum vorgesehenen Rollstuhlstellplatz und es gibt auch eine Steckdose für die Befeuchtung meines Beatmungsgerätes. In den vergangenen Jahren hat durch das Behindertengleichstellungsgesetz und die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein Paradigmenwechsel stattgefunden, weg von Fürsorge, Almosen und Mitleid hin zu Barrierefreiheit, Gleichstellung und selbstbestimmtem Leben. Die Schweizer Trendstudie des Gottlieb Duttweiler Instituts über die Zukunft von behinderten Menschen sieht eine positive Normalisierung. Gleichzeitig ortet sie auch eine gesellschaftliche Entsolidarisierung als Nebenwirkung der Individualisierung. Die Öffentlichkeit muss immer wieder mit der Vielfalt konfrontiert werden. Nur wer die Geschichten hinter der gesellschaftlichen Diversität versteht, entwickelt Empathie und kann „Nicht-Perfektion“ akzeptieren.

Vor dem Bahnhof in Linz wartet bereits der bestellte Fahrtendienst des Samariterbundes. Aus dem Heck wird die Rampe ausgeklappt, ein Zivildiener schiebt den Rollstuhl hinten an, während mich meine Assistentin in das Fahrzeug manövriert. Dann beginnt die Fahrt ins drei Kilometer entfernte Schloss Hartheim. 1939–1941 waren Busse mit pflegebedürftigen und behinderten Menschen ebenfalls auf diesem Weg. Hinter abgedunkelten Fenstern, damit sie nicht sehen, wohin sie gebracht wurden, und vor allem, damit die Bevölkerung nicht sehen konnte, wer sich in den Bussen befand.

Mitten in der idyllischen Landschaft taucht das Renaissance-Schloss auf. Bei dem drastischen Gegensatz zwischen der bestechenden Schönheit des Gebäudes und der grausamen Vorfälle, läuft es mir kalt über den Rücken. Der Fahrtendienst parkt vor den Toren des Hauses. Die NS-Busse fuhren zum Seiteneingang, zu dem wir als Erstes geführt werden. Versteckt in einem Schuppen wurden die behinderten Menschen, die damals als nutzlose „Kretinen und Idioten“ bezeichnet wurden, aus den Bussen geladen und in die Garderobe geführt. In einer Kosten-Nutzen-Rechnung wurde der Aufwand ihrer Pflege, Betreuung und Ernährung dem für die Tötung durch Vergasung gegenübergestellt. Im Rahmen der T4-Aktion – der Name kommt von der Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo der NS-Beschluss zur Euthanasie von „unwertem Leben“ gefasst worden ist – wurden 71.000 behinderte Menschen dem sogenannten Gnadentod zugeführt. Davon 30.000 in Schloss Hartheim.

In der Ausstellung „Wert des Lebens“ bleibt mein Blick auf einer Tafel über Julius Tandler hängen, einem Sozialpolitiker, der in den 1920er-Jahren klar für Eugenik und die Sterilisation sowie die Vernichtung von unwertem behinderten Leben eingetreten ist. So setzte er sich im Rahmen des “Vereins österreichischer Hochschuldozenten Athenäum“ zwar für eine gemeinsame Schule von Mädchen und Buben ein – aber diese ohne behinderte Kinder. Durch seine brennenden Reden zur Eugenik hat er die Basis für die spätere NS-Euthanasie mitgelegt. 1924 schrieb er in seinem Aufsatz „Ehe und Bevölkerungspolitik“: „Welchen Aufwand übrigens die Staaten für völlig lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen, daß die 30.000 Vollidioten Deutschlands diesen Staat zwei Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung. Gewiss, es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegensprechen, aber schließlich und endlich wird auch die Idee, daß man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbewußtsein dringen.“ Noch heute gibt es in Wien den Julius-Tandler-Platz und regelmäßig zeichnet die Stadt Wien mit der Julius-Tandler-Medaille Persönlichkeiten aus, die sich durch ihre uneigennützige und aufopfernde Tätigkeit um das Wohl der Mitmenschen besonders verdient gemacht haben. Zynismus pur und ein Stück Geschichte, das noch aufzuarbeiten ist! Ich bin übrigens nicht dafür, dass es mit einer bloßen Umbenennung, wie es die Wiener Stadtregierung beim Lueger-Ring durchführte (weil dieser ein christlich-sozialer Antisemit war), getan ist. Aber was gemacht werden muss, ist die Aufarbeitung der Geschichte, beispielsweise durch eine historisch fundierte Gedenktafel am Julius-Tandler-Platz und die Abschaffung der gleichnamigen Auszeichnung.

In der Garderobe wurde den Ankömmlingen im Schloss Hartheim das persönliche Eigentum wie Tassen oder Schüsseln sowie die Kleidung abgenommen. Die letzte ärztliche Untersuchung zielte nur noch darauf ab, die Begründung für einen zu konstruierenden „natürlichen Tod“ zu finden. Unter dem Vorwand, duschen zu müssen, wurden sie direkt in die Gaskammer geführt. Ich rolle über eine barrierefreie Gehbrücke in einen völlig leeren Raum, nur ein Lichtkegel erinnert daran, wo der Krematoriumsofen einst gestanden ist. Beengung, Angst und Trauer steigen in mir hoch. Ich habe das Glück des Spätgeborenen, damals hätte ich sicherlich auch zu den Opfern gezählt. Mehrmals wurde die Gaskammer mit so vielen Menschen gefüllt, dass die im Todeskampf ineinander verkeilten und verkrampften Körper kaum mehr voneinander zu trennen waren.

Den Angehörigen, denen vorgemacht worden ist, dass ihre pflegebedürftigen Verwandten in Kur- und Heilstätten untergebracht worden sind, wurden die wahren Todesumstände vorenthalten. Sie bekamen Benachrichtigungen von anderen Orten, als häufigste Todesursache wurden Lungenentzündungen angeführt, womit gleichzeitig die Einäscherung des Leichnams begründet worden ist. Urnen konnten angefordert werden, jedoch befand sich in diesen nicht die Asche der Angehörigen. Überlebende gab es keine.

Bischof Clemens August Graf von Galen brachte die T4-Aktion durch seine von Zivilcourage geprägten Predigten 1941 zum Stoppen: „Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind? Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den »unproduktiven« Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden!“ Auch wenn die T4-Aktion zu Ende war, hieß das nicht, dass der Wert von behindertem Leben anders gesehen worden ist. Bis 1945 wurden weiterhin psychisch und physisch beeinträchtige Menschen in den Krankenhäusern und Einrichtungen durch Medikamente, Spritzen und Hunger getötet.

Kurz vor Ende des Krieges wurden alle Mordindizien, wie der Krematoriumsofen oder der Ankunftsschuppen, von KZ-Häftlingen beseitigt. Es sollte keine Beweise für die Gräueltaten geben. Erst mit der Errichtung des Lern-und Gedenkortes Schloss Hartheim in den letzten 15 Jahren wurden die Geschichten der Opfer rekonstruiert, man fand die persönlichen Gegenstände der Ermordeten im Garten vergraben, ein einziges erhaltenes Foto zeigt den rauchenden Schlot von Schloss Hartheim.

Schloss Hartheim ist heute ein Lern- und Gedenkort. Die Ausstellung „Wert des Lebens“ hinterfragt die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wie Präimplantationsdiagnostik, Spätabtreibungen bis zur Geburt bei Verdacht auf eine Behinderung, aktive Sterbehilfe, den Eingriff in die menschliche Keimzellbahn. Aber wie erleben Menschen mit Behinderungen diese Ausstellung, und wie kann sie inklusiv gestaltet werden? An der Kepler Universität erarbeiteten Studierende im Zuge einer einjährigen Lehrveranstaltung gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen Anforderungen und Grundlagen für inklusiv gestaltete Gedenkarbeit. Die Ergebnisse wurden 2017 in einem Bericht und in einem Forschungsbegleitfilm (auf YouTube zu finden: „Inklusives Gedenken“) der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Lehrveranstaltung leiteten Angela Wegscheider und Siegfried Bachmayer vom Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik – der Soziologe Bachmayer ist selbst gehörlos. GebärdensprachdolmetscherInnen machten Lehre und Forschung barrierefrei möglich.

200 Meter vom Schloss entfernt liegt das Institut Hartheim.

Dort leben und arbeiten Menschen mit kognitiven und mehrfachen Beeinträchtigungen. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden sie erstmals über ihre Wahrnehmungen zum Lern- und Gedenkort befragt. Interessanterweise wussten sie mehr, als die Betreuerinnen und Betreuer angenommen hatten. Besonders was die Geschichte des Schlosses betraf. Bei der Frage nach ihrem Denken über den Ort war zu erkennen, dass es bei den Studienteilnehmern sowohl positive als auch negative Gedanken zur Gedenkstätte und der Ausstellung gibt. Über einen Besuch im Schloss Hartheim dachten die Befragten grundsätzlich positiv, jedoch unter der Voraussetzung, dass dieser freiwillig und gut vorbereitet geschah. Der gehörlose Soziologe Bachmayer befragte gemeinsam mit den Studierenden eine Gruppe von gehörlosen und hörbeeinträchtigten Menschen zum Schloss Hartheim.

Diese Gruppe konnte mit der Geschichte des Schlosses aufgrund des fehlenden Bezugs zur eigenen Identität wenig anfangen. Jedoch kannte sie die Einrichtung in ihrer Funktion als Lern- und Gedenkort aus der Schule und aus Medienberichten. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse wurde mir klar, wie wichtig es ist, behinderten Menschen die historischen Geschehnisse nahezubringen, sie zu sensibilisieren und zu Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ein Mahnen des Lebenswerten zu machen. Gefordert wurden von allen Befragten mehr inklusive Veranstaltungen im Schloss. Ein wichtiges Ergebnis und vor allem auch der Hinweis, Betroffene gezielt einzuladen und sie aktiv in die Wertevermittlung einzubinden. Aber wie kann eine inklusive Gedenkvermittlung stattfinden? Wie kann die Ausstellung weiterentwickelt werden? Das war nicht die Fragestellung des Forschungsprojektes, ist aber aus meiner Sicht wesentlich. Darüber wollte ich noch nachdenken ...

Schloss Hartheim birgt einen großen Schatz an historischen Dokumenten, die aufzeigen, wie die Euthanasie durch die Nazis Schritt für Schritt gesellschaftsfähig gemacht worden ist. Ich konnte mir vor Ort mit einer Gruppe von Interessierten den NS-Propagandailm „Ich klage an“ (1941) ansehen.

Um das Euthanasieprogramm an behinderten Menschen gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen, schrieben Expertinnen und Experten der T4-Aktion das Drehbuch, in dem – man beachte – die Tötung auf Verlangen mit der Tötung von behinderten Menschen verbunden wird. Mir fällt auf, dass die Propaganda auf den ersten Blick nicht als Propaganda ersichtlich ist: keine NS-Zeichen und keine NS-Symboliken. Der Arzt, Thomas Haid, tötet seine an Multiple Sklerose erkrankte Frau auf ihr Verlangen. Er, der souveräne Arzt und liebende Ehemann, muss sich „für sein Mitleid“ auf der Anklagebank rechtfertigen und prangert die „unbarmherzige Gesetzeslage“ an, die es ihm nicht ermöglicht, seine Frau von ihrem Leid zu erlösen. In einer Parallelgeschichte macht der fürsorgliche Arzt, Gerhard Lang, der dezidiert gegen Euthanasie ist, durch ein persönliches Erlebnis mit einem schwer erkrankten Kind einen Gesinnungswandel durch. Er, der ursprünglich Dr. Haid wegen seiner Tötung anklagte, verteidigt ihn letztlich bei der Gerichtsverhandlung. Damit wird Euthanasie und die Tötung von behindertem Leben gerechtfertigt.

Der deutsche Philosoph Robert Spaemann sieht den ethischen Dammbruch, der damals durch den NS-Propagandailm „Ich klage an“ passiert ist, heute durch die Person des australischen Philosophen Peter Singer repräsentiert. Für Singer hat auch ein behindert geborenes Kind kein grundsätzliches Menschen- und Lebensrecht. Erst ab zwei Jahren würde der Mensch anfangen, Person zu sein. Die Tötung von behinderten Kindern ist damit legitimiert, gleichzeitig fordert Singer Menschenrechte für Tiere.

Mir ist durch den Film bewusst geworden, dass Tötung auf Verlangen aus einer Angst vor unerträglichem Leid der erste Schritt zur Legitimation der Euthanasie ist. Auch das sollten wir aus der Geschichte lernen.

19 Uhr.

Ich bin wieder im Zug auf der Heimfahrt. Im Gespräch mit meiner persönlichen Assistentin reflektieren wir die erschütternden Eindrücke. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen der NS-Euthanasie und der heutigen Debatte über aktive Sterbehilfe. Der große Unterschied ist, dass die Aktion T4 ein staatliches Vernichtungsprogramm war, während es heute darum geht, die Beihilfe zum Suizid zuzulassen. Aber mir wurde in Schloss Hartheim auch deutlich, wie nahe eine gesetzliche Regelung eines assistierten Suizids und einer Tötung auf Verlangen mit unverlangter Tötung in Zusammenhang steht. Das zeigt sich auch in den Niederlanden, wo bei etwa 20 Prozent aller Sterbehilfevorgänge die gesetzliche Bindung der Patiententötung an das persönliche Verlangen versagt. Getötet wird, weil die Ärztin oder der Arzt es für richtig halten. Mir kommt eine Podiumsdiskussion mit Ludwig Minelli, Geschäftsführer des Schweizer Sterbehilfevereines Dignitas, die ich mit ihm im Frühjahr 2014 geführt habe, in Erinnerung. Minelli argumentierte dabei, dass angesichts der alternden Gesellschaft die aktive Sterbehilfe einzuführen sei, da das Gesundheitssystem diese Mehrkosten der alternden Gesellschaft ohnehin nicht tragen kann. Auch in der TAZ (16.08.2012) kritisierte er, dass die Kirchen an Pflegeheimen verdienen und keiner nach den Eigeninteressen der Kirchen fragt. Diese Kosten-Nutzen-Rechnung beschäftigte mich noch viele Wochen nach der Diskussion, dann wurde mir in Hartheim schlagartig klar, dass schon die Nazis den Lebenswert des Menschen durch den Nutzen und die Kosten berechnet haben.

Ich will auch weiterhin an ein Beatmungsgerät angeschlossen sein und mit meiner Familie und mit persönlicher Assistenz ein gutes Leben führen. Lachen und auch weinen bei schmerzlichen Verlusten von Körperfunktionen gehören zum Lebensalltag. Nur eines will ich nicht: mich dafür rechtfertigen müssen, warum ich durch meine Pflege Kosten verursache und anderen zur Last falle.

Mir wurde bei dem Besuch klar, wie wichtig die Funktion von Schloss Hartheim ist. Nicht nur als Mahner und Aufwecker, sondern auch im Anstoßen zu aktuellen ethischen Diskussionen. Zu achtlos geht die Gesellschaft heute mit der Gentechnologie und dem Wert des Lebens um. Der Mensch erhebt sich immer mehr zum eigenen Gott, der menschliches Leben im Reagenzglas nach ökonomischen Gesichtspunkten perfektionieren und kreieren kann.

Doch was Lebensglück ist, kann nicht im Mikroskop festgestellt werden. Leben ist perfekt in seiner Unperfektheit. Es ist Vielfalt und zugleich Abenteuer. Wer könnte das besser und authentischer vermitteln als Menschen mit Behinderungen! Deshalb sollten Menschen mit Behinderungen selbst Besucherinnen und Besucher durch die Gedenkausstellung führen können. Schloss Hartheim hat sich auf den Weg gemacht, Menschen mit Behinderungen aktiv in die Gedenkvermittlung miteinzubeziehen. Das ist ein extrem wichtiger Schritt. Das ist der richtige Weg, der konsequent weitergerollt werden sollte.

Das Forschungsprojekt der Kepler Universität war dazu beispielgebend für die inklusive Universitätsforschung, Lehre und Wissensvermittlung. Die Opfer von gestern sind die Mitgestalter von heute. Gratulation dem Forschungsteam, please more of the same.