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Von Lausanne lernen

Die geplante Technische Universität in Oberösterreich wirft ihre Schatten voraus. An Zurufen, Wünschen und Erwartungen mangelt es nicht. Neu, neu, neu ist das Credo. Aber wie? Ein Rückblick kann auch hier den Blick nach vorne weiten.

Von Meinhard Lukas

Bildcredit: Thisisus Aleksandrabelitskaja Urban Fabric

Lausanne ist mit 140.000 Einwohnern gerade einmal die viertgrößte Stadt der kleinen Schweiz. Und doch ist sie eine Universitätsstadt von Weltrang. Nicht nur – à la façon autrichienne – im Selbstbild, sondern auch im stabilen Fremdbild: Die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) rangiert im weltweiten QS Ranking auf Platz 14. Fast ein Drittel ihrer Professorinnen und Professoren hat schon erfolgreich einen der hochkompetitiven Grants des European Research Council (ERC) eingeworben (durchschnittliche Erfolgsquote bei unter 10 %). Und seit dem Jahr 2000 sind nahezu 300 Start-ups aus ihr hervorgegangen. Das alles bei einem Jahresbudget von € 1 Mrd. SFR (davon 1/3 Drittmittel).

Gemeinsam mit der benachbarten Université de Lausanne formiert die EPFL ein Bildungs- und Forschungszentrum, wie es nur wenige auf unserem Globus gibt. Schon 1985 lässt das Polytechnikum Lausanne mit der Ausgründung von Logitech (erste populäre Drei- Tasten-Kugelmaus) weltweit aufhorchen. Heute gilt der Fachbereich Informatik der EPFL als einer der besten der Welt. Im von MIT und Stanford University angeführten QS Subject Ranking „Computer Science & Information Systems“ firmiert die EPFL auf Platz 8 – zwischen Harvard University und ETH Zürich.

Die Weichen dafür wurden schon 1969 gestellt. Bis dahin war das Polytechnikum noch Teil der kantonalen Université de Lausanne. Auf Betreiben ihres damaligen Vorstands Maurice Cosandey erhielt die École polytechnique de l’Université de Lausanne schließlich den Status einer eigenen eidgenössischen Technischen Hochschule. Sein Argument war simpel: „Man konnte sehen, dass alle neue Labore und technische Ausrüstungen brauchten. Daher sagte ich mir: Wenn wir keine eidgenössische Hochschule werden, erhalten wir nie die nötigen Mittel, um konkurrenzfähig zu sein.“

Ein halbes Jahrhundert später kommt Bewegung in die österreichische Universitätslandschaft. Im August überraschen Kanzler Sebastian Kurz und Oberösterreich-Landeshauptmann Thomas Stelzer mit der Ankündigung, in Oberösterreich eine neue Technische Universität (TU) zu gründen. Sie soll sich auf Digitalisierung und digitale Transformation spezialisieren. Die Politik will dieser Universität frisches Geld von € 150 Mio. jährlich zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: Die Johannes Kepler Universität (JKU) hat als breit aufgestellte Hochschule mit vier Fakultäten ein staatliches Globalbudget von € 165 Mio. Eine davon ist die Technisch-Naturwissenschaftliche Fakultät (TNF). Damit wird deutlich, was die Gründung einer TU für das Industrieland OÖ bedeutet. Ein Jahrhundertereignis bahnt sich an.

Freilich ein Ereignis, das die JKU verändern wird. Und zwar völlig anders, als im Entwicklungsplan, unserem Strategiepapier, grundgelegt. Hier ist noch vorgesehen, unsere Universität gesamthaft zu einer technologischen Universität zu entwickeln. Mit einem Technologieverständnis, das alle Fakultäten und Fachbereiche erfasst. Mit dem gesamtuniversitären Schwerpunkt Digitale Transformation. Mit dem interdisziplinären Linz Institute of Technology (LIT) als Speerspitze. Zugegeben: All diese Planungen werden durch die neue TU auf den Kopf gestellt. Mitten auf dem Weg zu einer technologischen Volluniversität könnte die JKU die Ausgliederung technischer Kernbereiche treffen wie dereinst die Université de Lausanne.

Gerade dieser Rückblick weitet den Blick nach vorne: Nicht auszudenken, wenn die Université de Lausanne die Ausgründung ihres Polytechnikums gebremst oder gar verhindert hätte. Wenn sie in einer Nabelschau nicht gesehen hätte, welch Jahrhundertchance sich hier für den Universitätsstandort, ja für ihre eigene Ingenieursschmiede auftut. Universitäten dürfen sich nicht selbst genügen. Vielmehr sind sie berufen, „… durch Forschung und Lehre verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen“ (§ 1 Universitätsgesetz). Das ist auch der Maßstab, um Struktur- und Organisationsfragen zu entscheiden. Damit ist nicht weniger als die Tugend der Vernunft angesprochen. Es kann (muss aber nicht immer) vernünftig sein, Teile einer Organisation auszugliedern, um ihr Wachstum zu beschleunigen, ihr Profil zu schärfen und ihre Innovationskraft zu stärken.

Es ist aber auch eine Frage der Vernunft, wie man mit dem Bestehenden, dem Bewährten umgeht. Niemand wäre damals in Lausanne auf die Idee gekommen, eine ETH zu gründen, ohne dabei auf dem Polytechnikum der Université de Lausanne aufzubauen. Auch wenn Finanzierung, Struktur, Organisation und Prozesse völlig neu gedacht wurden, bildete der vorhandene Schatz an Erfahrung und Wissen das Fundament der neuen Universität. Ein solcher Schatz sind unsere TNF mit ihrer über 50-jährigen Erfolgsgeschichte und das LIT als Brückeninstitut gewiss auch. Es wäre ein Kardinalfehler, diesen Schatz bei der Gründung der neuen TU links liegen zu lassen.

Und noch eines kann man von Lausanne lernen: Université de Lausanne und EPFL verbindet nicht nur eine gemeinsame Geschichte, sie agieren auch wie Schwesteruniversitäten: Die „Formation Continue UNIL-EPFL“ ist eine gemeinsame Plattform beider Universitäten, um die wechselseitigen Studien abzustimmen und auch gemeinsam eine Reihe von Studienprogrammen anzubieten. Teil der Kooperation ist auch ein gemeinsames Studienservice beider Universitäten.

Auch der Blick in die Schweiz zeigt: Universität Linz und neue TU gehören verschränkt gedacht. 2 Universitäten, 1 Campus, 1 Verwaltung, 1 LIT. Die Kepler Universities sollen sie sein!