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Wer entscheidet über den digitalen Werkzeugkasten?

1874 beauftragte das k.k. Handelsministerium den jungen Zivilingenieur Franz Felbinger mit der Umsetzung eines großen staatlichen Infrastrukturprojekts. Die Errichtung der Stadtrohrpostanlage sollte das bestehende sowie im Ausbau befindliche Telegrafennetz effizienter machen. Mit Felbinger wurde ein Ingenieur nominiert, der bis dahin keine Referenzprojekte bei pneumatischen Anlagen vorzuweisen hatte, geschweige denn in einer Größenordnung wie dieser.

Von Florian Bettel

Was war geschehen? Felbinger hatte erfolgreich spekuliert, indem er im Jahr zuvor eine technische Vision publizierte, die internationales Aufsehen erregte und vom Wiener Gemeinderat als valide Lösung eines bestehenden Verkehrsproblems verhandelt wurde. Die gemeinsam mit einem Architekten entwickelte „pneumatisch[e] Förderung für den Central-Friedhof“ blieb Felbingers einzige vertiefende Auseinandersetzung mit dieser Antriebsart, bevor er vom Ministerium als Gutachter nach London und Paris entsandt, um die dort bereits in Betrieb befindlichen Stadtrohrposten zu besichtigen, und als Planer des pneumatischen Telegrafensin Wien eingesetzt wurde.

Felbinger repräsentierte einen neuen Typus eines Ingenieurs und Unternehmers; eine Figur, die er nicht zuletzt auch auf seinen Reisen in die USA kennengelernt hatte. Diesem Ingenieurstypus war der Stellenwert der Öffentlichkeit und des dort verhandelten social imaginary bewusst. Elizabeth Holmes und Elon Musk entsprechen diesem Typus: Mit ihren Wetten auf zukünftige Technik verfolgen sie ebenso unternehmerische Ziele wie dies Felbinger 150 Jahre zuvor tat.

Die warenförmigen Versprechungen des Zukünftigen, Machbarkeit und ökonomischer Erfolg sind darin untrennbar miteinander legiert, sind wahrhaftig verlockend. Und sie finden sich auch an den Universitäten wieder. Neue, oftmals digitale „Tools“ werden angeschafft, sie sollen die Arbeit der Künstler*innen und Wissenschaftler*innen vereinfachen, Abläufe transparenter und – natürlich – effizienter machen. Einer „Datenflut“ begegnen diese Werkzeuge mit quantifizierenden Methoden, die bewerten, was zu bewerten sei: Impact Factor, h-Index und Social Impact Index.

Transparent sind die kommerziellen Produkte freilich keineswegs. Wie die bibliometrischen Algorithmen der unterschiedlichen Anbieter*innen (etwa die Firma Elsevier, die sich heute als „globales Unternehmen für Informationsanalysen“ versteht) zu den „objektiven“ Ergebnissen kommen, ist Betriebsgeheimnis. Die betriebsgeheimnisvoll zustande gekommenen Ergebnisse allerdings entscheiden bereits jetzt über Fördermittel, Berufungen auf Professuren und verorten Universitäten in internationalen Rankings. 

Melvin Kranzbergs bekanntes Diktum, „Technik ist weder gut noch böse; noch ist sie neutral“, gilt auch im Digitalen. Universitätspolitik wird nicht zuletzt auch dort ausgetragen. Und wer entscheidet darüber, welche Werkzeuge wir anschaffen und welchen Akteuren wir vertrauen, künstlerische wie wissenschaftliche Qualität festzustellen? Und wie kann die Kritik des Digitalen Probleme denken, wenn die Kritik ihrerseits metrisch bemessen über Fortkommen und budgetäre Mittel bestimmt?