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Zuckerberg und Peitsche

Facebook will mit Partnern wie Visa, Uber, Mastercard oder PayPal die digitale Währung Libra einführen und findet damit nicht nur Zustimmung. 14 Fragen zu den Themen Währung, Blockchain und Vertrauen.

Von Dietmar Mascher

Illustration: Ralf Ricker

Donald Trump setzte – nona, was sonst – einen Tweet ab und legte ein Bekenntnis zu der einzigen wahren Währung ab: dem US-Dollar. Auch Politiker, die sonst nicht Trumps Meinung teilen, geben sich höchst skeptisch. Mark Zuckerberg, Gründer und Chef von Facebook, will mit einer Reihe anderer großer Firmen wie Uber, Visa, Mastercard, Spotify, Booking.com oder PayPal schon im kommenden Jahr die digitale Währung Libra einführen. Nach den Versuchen von Bitcoin, Ethereum und anderen Kryptowährungen, dem klassischen Geld- und Bankensystem etwas auf digitaler Ebene entgegenzusetzen, kommt nun eine geballte Macht an Großunternehmen und schwingt allein schon mit der Ankündigung und ein paar Seiten nur bedingt aussagekräftiger Informationen die Peitsche in der Diskussion um digitale Währungen und die dahinter stehende Blockchain-Technologie.

 1 Was ist Libra?

Auf Basis der vorliegenden Informationen wird Libra ein digitales Zahlungssystem, das in den Konsumwelten der genannten Konzerne das länderübergreifende Zahlen, aber auch die Übertragung von Gutschriften vereinfachen soll. Libra soll nicht nur mit den gängigen großen Währungen wie Dollar, Euro oder Yuan tauschbar sein. Es soll im Gegensatz zu den bisherigen Kryptowährungen mit diesen Währungen unterlegt sein. Die Zinsen, die diese Währungen abwerfen, sollen dazu dienen, die Kosten des Systems zu decken. Dadurch soll verhindert werden, dass Libra extrem schwankt. Für die Kunden wird die Währung aber keine Zinsen abwerfen. Denkbar ist allerdings, dass die Partnerfirmen Kunden an sich binden, indem sie für die Nutzung ihrer Dienste und das Zurverfügungstellen von Daten oder das Ansehen von Werbespots mit Libra locken. Das würde die Kunden noch stärker an die Partner binden und sich nicht so sehr von klassischen Kundenbindungsprogrammen aus der analogen Welt unterscheiden.

2 Welches Potenzial hat Libra?

Facebook allein hat 2,4 Milliarden Kunden weltweit, von denen 1,5 Milliarden täglich Facebook nutzen. In dem zwölfseitigen „White Paper“, das die Grundlagen darlegen soll, sind viele Punkte nur in Ansätzen oder gar nicht angeschnitten. Dem Vernehmen nach soll aber bereits mehr als eine Milliarde Dollar in die Entwicklung des Systems investiert worden sein. Jeder der rund 30 Technologiekonzerne, die dabei sind, soll als Einstiegspreis einmal je zehn Millionen Dollar hinterlegt haben. Wenn nur jeder zehnte Facebook-Nutzer ein Libra-Konto hätte, hätte Libra mehr Kunden als die Deutsche Notenbank.

3 Warum sollte Libra stabiler sein als Bitcoin?

Bitcoin lebt ausschließlich von Angebot und Nachfrage. Diese hat in den vergangenen Jahren in beide Richtungen extrem ausgeschlagen. Nach einem Hype ist Bitcoin abgestürzt, nach Bekanntgabe der Libra-Pläne wieder gestiegen. Das war nichts für schwache Nerven und nährte den Verdacht des Glücksrittertums. Wie erwähnt, soll Libra eine „Stablecoin“ werden. Facebook und seine Partner wollen mit einer eigenen Gesellschaft in der Schweiz ein stabiles System schaffen, in dem etablierte Währungen als Grundlage dienen. Die Gesellschaft will kurzlaufende Staatsanleihen und Bankeinlagen nutzen. In welchem Verhältnis, ist unklar. Es gibt allerdings massive Zweifel, dass dieses System so einfach funktioniert. Es sei mehr als zweifelhaft, dass es gelinge, Libra vollständig mit Anleihen aus stabilen Währungsräumen zu unterlegen, sagt Teodoro Cocca, Professor für Asset Management an der JKU. Andererseits zeige allein der Umstand, dass neben Facebook auch eine Reihe anderer erfolgreicher Internet-Konzerne mit an Bord ist, dass Libra ein ernst zu nehmendes Zahlungssystem werden könne, so Cocca.

4 Wird Libra tatsächlich eine Konkurrenz für Dollar oder Euro?

Für die beiden Währungen zunächst wahrscheinlich am wenigsten, sagt Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber, der aber durchaus das Potenzial bei Libra sieht, zu einer Weltwährung neben Dollar, Euro und Yuan zu werden. Noch ist aber völlig unklar, wer den Tauschkurs zwischen Libra und den etablierten Währungen bestimmt. Legt das die Gesellschaft fest? Welche Rolle spielen Angebot und Nachfrage? Wie fügt sich Libra in die klassischen Devisengeschäfte ein? Experten wie Cocca oder Sandgruber vermuten, dass Libra in Ländern mit nicht so stabilen Währungen wohl die größeren Chancen hätte. In Afrika und Südamerika, wo die Inflation davonzugaloppieren droht, die Korruption die legale Marktwirtschaft verdrängt hat oder erst gar nicht aufkommen lässt, wäre eine internationale Währung womöglich eine willkommene Alternative. Allein die Beträge, die Exil-Afrikaner jährlich an ihre Familien zu Hause überweisen, gehen in die zig Milliarden. Überweisungen, die derzeit über Anbieter abgewickelt werden, die dafür kräftig Provision kassieren. Aber auch westliche Kunden werden es womöglich komfortabel finden, via WhatsApp, Messenger oder Instagram Bargeld zu überweisen.

5 Mit welcher Technologie soll Libra funktionieren?

Auch das ist längst noch nicht fix. Allerdings gehen viele davon aus, dass auch Libra auf der Blockchain-Technologie basieren wird.

6 Wie funktioniert die Blockchain-Technologie?

Obwohl die meisten Menschen mit Blockchain ein Buch mit sieben Siegeln assoziieren, sei es eher simpel, sagt Bernhard Bergmair vom Linz Center Of Mechatronics (LCM) an der Johannes Kepler Universität. „Das Internet funktioniert so, dass Sie Daten von A nach B schi-cken. Eine Blockchain funktioniert so, dass Sie Daten von A an alle schicken. Schon wenn Sie im Mailverkehr auf ,Allen antworten‘ klicken, schaffen Sie eine Blockchain. Die Daten sind nicht mehr manipulierbar und liegen dezentral bei unterschiedlichen Nutzern“, sagt Bergmair. Ähnliches gelte auch, wenn jemand auf diese Weise verbreitet, dass er in einer Sitzung bestimmte Bedenken geäußert hat, sagt sein Kollege Thomas Buchegger. Die gesamten Schritte werden protokolliert und bilden eine Kette, die man kaum rückgängig machen kann.

7 Was bringt die Blockchain-Technologie?

„In einem System, in das die Menschen vertrauen, wird man Blockchain vielleicht nicht unbedingt benötigen“, sagt Thomas Buchegger und nennt als Beispiel ein österreichisches Grundbuch oder ein Wählerregister in einer reifen Demokratie. Anders verhalte es sich in Staaten, die bisher von Systemen geprägt waren, die mit Korruption und unterentwickelten demokratischen Strukturen zu tun hatten. „Hier gibt es das Phänomen, dass die Menschen den Institutionen weniger vertrauen als einer unerbittlichen und unbeeinflussbaren Technologie.“ Wobei, so ergänzt Bergmair, stets auch die Frage gestellt werden müsse, was überhaupt in der Blockchain gespeichert wurde. Denn dass etwas falsch eingegeben wird, davor ist auch die beste Technologie nicht gefeit. Die Blockchain-Technologie an sich ist nicht die Ursache dafür, dass gerade im Bereich der Kryptowährungen eine große Zahl an Glücksrittern unterwegs gewesen ist, die ausgenützt haben, dass die Technologie auch geeignet sei, ein Pyramidenspiel aufzuziehen.

8 Welchen Nutzen könnte Blockchain in Zukunft haben?

Dazu fallen den Experten vom LCM etliche Punkte ein. Blockchain könnte zum Beispiel unsichtbar bei bestimmten Anwendungen unterlegt sein, um die Sicherheit zu erhöhen. „Ohne https eine Kreditkartennummer bekanntzugeben ist fahrlässig. So wie https bei etlichen Anwendungen selbstverständlich geworden ist, könnte das auch hier der Fall sein“, sagt Bergmair. Ein ganz wichtiger Punkt könnte der Schutz vor Fake News sein. „Mancher wird sich noch an ein Video erinnern, in dem Barack Obama eine aufsehenerregende Rede hielt. Allerdings hat er diese gar nicht gehalten. Die Fälschungsmethoden werden immer besser, sodass es beispielsweise Blockchain braucht, um die Echtheit einer Datei verifizieren zu können.“

Es helfe aber auch, der Gratisgesellschaft im Internet zu begegnen, denn die missbräuchliche Verwendung von Fotos oder anderen geschützten Daten wäre dann nicht mehr so einfach. Bergmair verweist aber auch auf Möglichkeiten der Beweissicherung. Wenn es üblich werde, dass Firmen ihr wöchentliches Backup der Server unter einem Hashtag ablegen müssen, sei es später einfacher, bestimmte Beweise zu sichern. Man bedenke nur, was im Fall der Manipulation von Dieselmotoren in der Autoindustrie passiert sei, sagt der Wissenschaftler. Und schließlich könnten Blockchains auch helfen, bestimmte Kundenmanipulationen aufzudecken, sagt Bergmair und nennt ein sehr großes internationales Handelshaus, über das Milliardentransaktionen laufen. Dabei habe sich gezeigt, dass der Großteil des Umsatzes mit den höchstgerankten Produkten erzielt werde. Diese Rankings seien aber sehr intransparent. Vorfälle in den vergangenen Jahren ließen erahnen, dass es hier zu Manipulationen gekommen sei. Mit Blockchains ließe sich dies eindämmen.

9 Welche Gefahren birgt Blockchain?

Mit Blockchain wird mehr nachvollziehbar. Wo ein Nutzen, da auch eine Gefahr. Die Handelshäuser könnten auf diesem Weg den vollständig gläsernen Kunden erschaffen, dessen Aktivitäten umso besser nachvollziehbar sind, je mehr er etwa im Libra-System unternimmt und bezahlt. Aber Blockchain erleichtere nicht nur Unternehmen, den Weg eines Coins genau nachzuvollziehen. „Die Gefahr des überwachten Bürgers, der Übergang zum Überwachungsstaat ist ein fließender“, sagt Thomas Buchegger. China ist schon auf dem Weg dorthin und bewertet seine Bürger nach „sozialer Kreditfähigkeit“. In Zukunft könnte bei „schlechten Noten“ der Internetzugang gedrosselt, die Reisefreiheit eingeschränkt oder der Zugang zu gewissen Berufsfeldern erschwert werden. Blockchain erleichtere nicht nur Unternehmen, den Weg eines Coins genau nachzuvollziehen.

10 Warum ist die Skepsis gegenüber Libra so groß?

Nicht nur die politischen Institutionen gaben sich in den vergangenen Wochen skeptisch bis ablehnend gegenüber der „Facebook-Währung“. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sagte, dass die Herausgabe einer Währung nicht in die Hände eines Privatunternehmens gehöre, dies sei Kernelement staatlicher Souveränität. Scholz fasste auch die Sorge um die Finanzstabilität und den Verbraucherschutz zusammen und warnte davor, dass ein solches System „Einfallstor für Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche“ sei. Darin sieht auch JKU-Professor Cocca, der Kryptowährungen generell skeptisch sieht, eine Gefahr. Streng genommen handelt es sich um keine Währung, sondern um ein digitales Vehikel zum Austausch von Guthaben im Internet. „Entscheidend wird sein, wie die Regulatoren und Aufsichtsbehörden damit umgehen“, sagt Cocca. Jeder Nutzer werde seine Identität preisgeben müssen, wie dies bei einer Kontoeröffnung auch der Fall ist. Damit sollen Delikte wie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unter Kontrolle gehalten werden. Wie dies bei Libra gehandhabt werde, werde spannend.

Allerdings stellt sich die Frage, wie Facebook Sicherheit in einem Zahlungssystem gewährleisten kann, wenn es nach wie vor nicht gelingt, die unzähligen Fake-Accounts in den Griff zu bekommen, die Facebook- Benutzer tagtäglich im besten Fall nerven und im schlimmeren Fall in eine teure Falle locken. Tatsache ist, dass bei Libra eine Unmenge von privaten Daten bei Unternehmen landen – noch mehr als bisher. Es gibt aber noch eine Reihe weiterer Risikofaktoren, etwa das Währungsrisiko. Tauscht jemand Euro gegen Libra und ist Libra mit 30 Prozent Euro unterlegt, hat er auf 70 Prozent seines Guthabens ein Währungsrisiko. Was das bedeuten kann, wissen nicht nur ehemalige Bezieher von Fremdwährungskrediten. Diesem Risiko steht wiederum der Umstand gegenüber, dass es kaum Gewinnchancen gibt, da die Zinsen ja zum Aufrechterhalten des Systems dienen.

11 Was passiert, wenn etwas passiert?

Genau das ist einer der großen Kritikpunkte der Libra-Skeptiker. Was passiert, wenn Partner aussteigen? Welchen Anspruch haben Libra-Inhaber auf Konvertierung dieser „Währung“? Und wie sieht es mit der Liquidität aus? Davor warnte zuletzt der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger in einem Gastkommentar in der FAZ. Genau wie Cocca bezweifelt er, dass sich Libra auf Grund der zu erwartenden Größe nicht so einfach mit Staatsanleihen in anderen Währungen unterlegen lasse. Komme es zu einer Vertrauenskrise gegenüber Libra, müssten Anleihen abgestoßen werden, was den Kursverfall beschleunige. Da Libra auch kein gesetzliches Zahlungsmittel sei, könne es zudem passieren, dass Händler die Bezahlung damit verweigern. Die Libra-Gesellschaft werde so groß sein, dass sie möglicherweise „too big to fail“ sei.

Was dann passiere, welche Ansprüche die jeweiligen Kunden hätten, das sind Fragen, die noch lange nicht beantwortet sind. Laut Bofinger gibt es kein Einlösungsversprechen im Krisenfall. Möglich wäre auch, dass die Facebook- Vertreter wie etwa David Marcus ihre „Währung“ noch sehr zurückhaltend bewerben und versprechen, sich allen Regulatorien der Staaten zu unterwerfen.

12 Ist die Ausgabe von Geld nicht Aufgabe des Staates?

Grundsätzlich sei es seit der Antike so, dass die Münz- und Währungssysteme von Staaten oder Notenbanken gesteuert werden. Wobei Notenbanken nicht zwangsläufig staatlich sind, sagt Historiker Sandgruber. Durch das Buchgeldsystem, das italienische Banken im 13. Jahrhundert zu etablieren begannen, haben auch Banken begonnen, Geld zu schöpfen. „Letztlich ist es aber eine Frage des Vertrauens, welchen Stellenwert und Wert eine Währung hat“, sagt Sandgruber. Wie groß das Vertrauen in ein Unternehmen wie Facebook ist, das beim Datenschutz nicht geglänzt hat, wird sich zeigen.

13 Bedeutet Libra das Ende von Bargeld?

Derzeit haben sich Online-Bezahldienste in Europa noch nicht wirklich durchgesetzt. Aber bei jungen Leuten in China hat der Bezahldienst der Smartphone-App WeChat die traditionelle Brieftasche schon abgelöst. Das ist auch bei uns keine Illusion. Historisch gesehen gab es bereits viele Bezahlmöglichkeiten: Kauri-Schneckenhäuser, Tee, Tierfelle oder Opium sind nur einige Beispiele. Sogar bis ins 19. Jahrhundert wurde in den USA teilweise mit Tabak bezahlt. Münzen gab es in Griechenland bereits in der Antike. Sie wurden länderübergreifend eingesetzt und hatten meist eine Eule als Symbol. Daher kommt nicht nur der Spruch, man brauche keine Eulen nach Athen zu tragen, sondern die Eule ist auch heute noch Symbol auf der griechischen Ein-Euro-Münze.

14 Wann zahlen wir mit Libra?

Nach derzeitigem Stand noch nicht nächstes Jahr. Aber die Konzerngruppe um Facebook wird alles daransetzen, Libra einzuführen. Beobachter haben errechnet, dass sich die Bindung der Kunden an Libra für das Konsortium in Milliarden an zusätzlichem Umsatz niederschlägt. Die Vertreter der großen Währungen können dagegenhalten, indem sie selbst versuchen, ihre Währung im digitalen Raum zu etablieren, und das Vertrauen der Nutzer in einen Dollar oder Euro möglichst hochhalten oder ausbauen.