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Kepler Tribune
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Ein Grabstein auf einem Friedhof.
Hintergrund Ausgabe 2/2021

Stimmen aus dem Jenseits

Die Möglichkeiten einer digitalen Welt könnten unsere Trauerarbeit nachhaltig verändern. Was wäre, wenn wir geliebte verstorbene Menschen in einer virtuellen Welt wiedertreffen könnten? Oder wenn gar wir selbst unseren Tod selbstbestimmt überdauern könnten? Der Traum vom ewigen digitalen Leben birgt jedoch nicht nur Hoffnung, sondern auch Gefahr.

Von Saskia Jungnikl-Gossy
Wissen Ausgabe 2/2021

„Im Talar sitzt eine Richterin, keine Maschine“

Der neue Schwerpunkt „Procedural Justice“ an der JKU Linz richtet das Augenmerk auf die Wege, die zur Umsetzung von Recht führen. Ein Forschungsgegenstand sind die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Gerichtsbarkeit.

Von Benedikt Kommenda
Die Nadel eines Lügendetektors schlägt aus.
Rektor Meinhard Lukas mit dem Roboterhund Spot.
Visionen Ausgabe 2/2021

Durchblick für Spot

Der berühmte Roboterhund von Boston Dynamics kommt an die JKU. Für ein Projekt des Ars Electronica Festivals 2021 soll er mit einem zusätzlichen Sinn ausgestattet werden.

Von Thomas Brandstetter
Hintergrund Ausgabe 2/2021

Die Fairness der Bauanleitung

Algorithmen bestimmen das Leben in immer größerem Ausmaß, im Guten wie im Schlechten. Sie werden oft dafür kritisiert, Diskriminierungen weiterzutragen. Das Problem liegt aber oft tiefer.

Von Jonas Vogt
Thomas Brezina
Campus Ausgabe 2/2021

Die Kraft der Begeisterung

Schuhe gibt es in verschiedenen Farben, Formen und Größen. Damit für jeden etwas dabei ist. Warum soll das bei Wissen und Wissenschaft anders sein? Mit ihrem bunten Angebot für Kinder, unter anderem dem „Zirkus des Wissens“ und der bald erscheinenden dritten Ausgabe des „Tribünchens“, hat sich die JKU Linz genau diesem Gedanken verschrieben: Wissenschaft spannend zu machen. Weil jedes Kind das Recht auf Wissen und Erkenntnis hat.

Von Thomas Brezina
Im Gespräch Ausgabe 2/2021

Somnium - Der Traum von Wissenschaft

Manchmal, in schlechten Nächten, träume ich vom Krieg. Ich träume davon, was meine Eltern verloren haben: ihr Geschäft, ihre Arbeit. Ich träume von meiner Stadt, dem Lachen auf den Spielplätzen meiner Kindheit. Dem Bäcker, dem Geruch in den Straßen, dem Basar und den Gebeten in der Moschee. Von einer Stadt, die es nicht mehr gibt, von Erinnerungen an Ecken, die Panzern und Granaten gewichen sind. Vom Feuer, das den Basar vernichtet hat.

Als Kinder und Jugendliche kannten wir Flüchtlinge. Es waren Menschen aus dem Irak, die vor dem Krieg nach Syrien geflohen sind. Da denkt man nicht, wie schnell man selbst in so einer Situation sein kann. Natürlich haben wir in Aleppo im Frühling 2011 ferngesehen. Viele waren auf der Straße. Nie hätten wir gedacht, dass nur wenige Monate später aus den Protesten ein Bürgerkrieg wird.

Die ersten Angriffe auf Aleppo und auf unsere Universität waren schockierend. Wir konnten nicht glauben, dass Syrer auf Syrer schießen. Genauso wenig, wie schnell sich das Leben ändert. Aus den Träumen meiner Generation von einem guten, schönen, freien Leben wurde das Gefühl, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Dass Überleben der letzte Traum ist, der einem noch bleibt. Ein Traum, der aber wie ein nicht endender Albtraum aussieht. Menschen verlieren Geld, Arbeit und Hoffnung. Das Leben dominieren schlaflose Nächte, gefolgt von hoffnungslosen Tagen, gefüllt mit schrecklichen Erlebnissen.

2015 habe ich mich entschieden, Aleppo und Syrien zu verlassen. Ich wollte mein Herz, meinen Kopf und meine Gedanken nicht dem Krieg geben. Ich wollte nehmen, was mir der Krieg gelassen hat, und es in die Welt tragen. Ich wollte wieder träumen. Groß träumen. Träumen von morgen und nicht von gestern.

2017 habe ich an der JKU mein Masterstudium Molecular Biology begonnen und 2020 abgeschlossen. Das Borealis-MORE-Stipendium der JKU half mir finanziell, aber auch mental. Jetzt arbeite ich als Doktorandin am Institut für Biophysik.

Ich trage ein Kopftuch. Es steht für meine Religion und meine Heimat und für eine Generation junger Syrerinnen und Syrer. Wir haben viele verloren. Ich träume von einem Syrien, in dem das entscheidet, was in unseren Köpfen entsteht. Einem Syrien der Wissenschaft, der Offenheit, des Respekts und des Glaubens an unsere gemeinsame Zukunft. Es ist ein großer Traum – aber es ist ein Traum für morgen. Ich träume davon, dass wir es schaffen. 

Die Wissenschaft, darüber kann es keine zwei Meinungen geben, ist eine aufregende Sache. In jeder Ausgabe widmen wir ihr deshalb die letzten Zeilen. Dieses Mal spricht Hadil Najjar, die ihr JKU Studium mit Unterstützung eines Borealis-MORE-Stipendiums absolviert hat. Es richtet sich an Studierende mit Fluchthintergrund.

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JKU Wissenschaftlerin Hadil Najjar in ihrem Labor.
Ausgabe 2/2021

Ich habe einen Raum

Eine Verortung von Norbert Trawöger.

Von Norbert Trawöger
Kepler Salon Ausgabe 2/2021

Sag, wie hast du’s mit der Identität?

Es ist so einfach wie trendy, Identitätspolitik für das Versagen linker Politik verantwortlich und sich im gleichen Atemzug darüber lustig zu machen. Statt mit Macht- und Verteilungsfragen beschäftige man sich nun mit Gendersternchen und Unisex-Toiletten. Prominente Kritiker*innen wie Francis Fukuyama, Slavoj Žižek und zuletzt Sahra Wagenknecht gehen sogar so weit, der Identitätspolitik das Erstarken rechtspopulistischer Strömungen anzukreiden: Statt sich um ökonomisch Ausgebeutete zu sorgen, konzentriere man sich auf die Partikularinteressen immer kleinerer sozialer Gruppen und verliere das große Ganze aus den Augen. Statt universalistisch und vereinigend zu agieren, würde man so erst recht zu gesellschaftlicher Spaltung beitragen.

Dieser Vorwurf stimmt dann, wenn Identität als fundamental und essentialistisch verstanden wird und in weiterer Folge die daraus resultierende Gruppe als homogen. Soziale Identitäten sind aber eben nicht unbeweglich und exklusiv und entspringen auch nicht einer homogenen „Essenz“ unseres Wesens, das schon immer war und auch in Zukunft immer so sein wird. Vielmehr gilt es, Identitäten als kontextabhängig, intersektional und – zu einem hohen Grad, wenn auch nicht vollständig – wandelbar wahrzunehmen. Die eigene Positionierung als Mitglied einer Religionsgemeinschaft bedeutet eben nicht, dass man nicht auch eine geschlechtliche, nationale, sexuelle oder ethnische Identität hat, und dass diese unterschiedlichen Identitäten nicht ab und an auch in Konflikt miteinander stehen können. Verschiedene Kontexte aktivieren bestimmte Gruppenzugehörigkeiten, während sie andere in den Hintergrund treten lassen. Politische Forderungen aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe abzuleiten, bedeutet auch nicht, dass aus der Identität als Frau oder als Homosexuelle zwingend bestimmte Merkmale, Haltungen oder Einstellungen folgen müssen. Wird diese Dynamik der sozialen Positionierung aufgrund der Realität multipler Zugehörigkeiten ausgeblendet und Identität als statisch, binär und gegeben angesehen, so greifen darauf aufbauende politische Forderungen in der Tat zu kurz.

Denn genauso wie Identität und Zugehörigkeit ist auch Solidarität nicht starr und kontinuierlich. Eine vielfältige und sich immer rascher verändernde Gesellschaft bringt auch stetig wechselnde Solidaritäten hervor. Beim Ausbruch der Corona-Krise erlebte Österreich eine neue Solidarität mit älteren Menschen – der etwas unglücklich titulierten Risikogruppe. Das war in seiner konkreten Ausformung doch erstaunlich, bestimmten doch bis kurz vor Ausbruch der Pandemie hitzige Debatten über Generationenkonflikt, desillusionierte „Millennials“ und privilegierte „Boomer“ den medialen Diskurs. Dieses abrupt formierte Bewusstsein für die Notwendigkeit der Solidarisierung aus einer fast konträren Situation heraus versinnbildlicht, wie unstet und wechselhaft Solidaritäten sein können.

Der Soziologe Jörg Flecker und seine Kolleg*innen identifizieren in Umkämpfte Solidaritäten gar sieben verschiedene Formen von Solidarität, von universeller Hilfeleistung bis hin zu moralischer Verpflichtung. Ihnen allen gemein ist Nähe als Grundvoraussetzung: Um solidarisch handeln zu können, bedarf es einer vertiefenden Auseinandersetzung mit jenen, denen man seine Solidarität angedeihen lässt. Deshalb stehen hinter verschiedenen Ausformungen von Solidarität unterschiedliche Kategorien des „Wir“: Wird Zugehörigkeit national definiert, also anhand derselben Staatsbürgerschaft, oder kulturell, also anhand derselben Abstammung? Sind es wir, die Leistungsträger*innen, oder wir, die aus demselben sozialen Milieu stammen? Wir, die Frauen, oder wir, die Arbeiter*innen? Je nach Situation sind diese Kategorien fließend, sie verändern sich im Laufe der persönlichen Biografie genauso wie nach sozialem Kontext oder aufgrund großer globaler Umwälzungen wie eben einer Pandemie.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist Identitätspolitik alles andere als die banale Nabelschau einer fehlgeleiteten linken Politik. Wie wir unsere Zugehörigkeiten und daraus folgend unsere (wechselnden) Solidaritäten definieren, ist Grundlage für politisches Handeln und politische Forderungen. Mit welchem „Wir“ man sich identifiziert, zu welchem man zugehörig sein will und kann, bedingt auch die inhaltliche Positionierung. Nicht erst seit dem Jahr 2021 ist Gruppenzugehörigkeit ein bestimmendes soziales Element. Das „Wir“, in das man ein- oder aus dem man ausgeschlossen wird, entscheidet über berufliches Vorankommen, Bildungschancen, Gesundheit und Lebenserwartung, Wohnverhältnisse und Überlebenschancen in Zeiten der Krise. Identität und materielles Interesse gehen Hand in Hand.

„Identität war immer schon“, konstatiert deshalb die Soziologin Paula- Irene Villa Braslavsky und meint damit, dass seit der Moderne jede Form der politischen Auseinandersetzung ein Eintreten für bestimmte soziale Gruppen war. Die vermeintliche Neutralität, die vor der neumodischen Identitätspolitik geherrscht haben soll, gab es nie. Denn die wesentliche Frage, die hinter der Gestaltung politischer Maßnahmen steht, ist, wer als die Norm für ebendiese gilt, und wer als seine Abweichung. Lange Zeit galt der Mann als das Allgemeingültige, während die Frau als das „andere Geschlecht“ und somit als außerhalb des Allgemeinen definiert war, wie es Simone de Beauvoir in ihrem feministischen Fundamentalwerk ausdrückte. Genau darin zeigt sich auch die Ironie der Kritik an Identitätspolitik: Tatsächlich geht es Strömungen wie dem Feminismus oder Antirassismus weniger um selektive Partikularinteressen nach immer kleineren Zugehörigkeiten, sondern darum, dass Grundrechte wie Schutz vor Polizeigewalt, Recht auf Ehe und Familie oder Gleichbehandlung vor dem Gesetz allgemeine Gültigkeit erlangen, also tatsächlich für alle und nicht für eine bestimmte Identität (die bisherige, eng gefasste Norm) gelten. Aus diesem Grund sei Identitätspolitik auch besser als „Politik für Minderheiten“ zu bezeichnen, wie der Politologe Jan-Werner Müller argumentiert. Die Bewegungen, die nun verkürzt unter dem despektierlichen Banner der „Identitätspolitik“ zusammengefasst werden, eint also, dass sie für eine radikale Neudefinition des „Wir“ kämpfen – weil es eben klare materielle Vorteile mit sich bringt, Teil davon zu sein. Für das „Wir“ gelten Grundrechte, die für „die Anderen“ noch immer nicht selbstverständlich sind. Deshalb versuchen Black Lives Matter oder die Trans*Bewegung, individuelle Verwundbarkeit allgemein bewusstzumachen, daraus resultierende Verletzungen ernst zu nehmen und sie gleichzeitig zu minimieren, wie man es im Rückgriff auf Judith Shklars Liberalismus der Furcht formulieren könnte. Diese Verwundbarkeit durch Gewalt oder Ungleichbehandlung ist bedingt durch Ausschluss aus dem „Wir“, das über die rechtliche wie soziale Ordnung bestimmt.

Die mitunter schmerzhafte Debatte um Identitäten ist also deshalb so notwendig und unumgänglich, weil sie die radikale Forderung nach Überwindung von Ausgrenzung bedeutet. Identitäten bleiben bestimmend in einer Gesellschaft, in der Gruppenzugehörigkeit die eigene Verwundbarkeit oder eben Unversehrtheit – körperlich, ökonomisch und politisch – determiniert. Soziale Differenz soll weder überwunden und negiert noch betont und fetischisiert werden. Sie soll nur unerheblich für die Teilhabe am „Wir“ sein.

Von Judith Kohlenberger
Eine Innenaufnahme des Kepler Salons.
Kommentar Ausgabe 1/2021

Meine Blase, deine Blase

Was ist wichtiger? Die persönliche Freiheit des Einzelnen oder doch das Zusammenleben einer funktionierenden Gesellschaft? Die Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung haben diese zentrale Frage eines modernen Staates wieder einmal ins Zentrum gerückt. Jede Antwort darauf sorgt aber für neue Probleme. Verdammt. Ein Essay von Cathrin Kahlweit.

Von Cathrin Kahlweit
Im Gespräch Ausgabe 1/2021

„Irgendwann verzerrt die Ungleichheit die Demokratie“

Der Historiker, Philosoph und Bestsellerautor Philipp Blom im Gespräch mit JKU Rektor und Tribune-Herausgeber Meinhard Lukas über mögliche Lehren aus der Corona-Krise und warum off ene Gesellschaften etwas Schwieriges und Lästiges sind – und trotzdem das Beste, das wir haben.

Von Meinhard Lukas
Kunststücke Ausgabe 1/2021

Somnium - Der Traum von Wissenschaft

Woraus besteht alles? Also das Leben, das Universum und der Rest? Im alten Griechenland glaubte man, alles, das existiert, setzt sich aus kleinen, unteilbaren Grundbausteinen, den Atomen, zusammen. Heute weiß man: Auch Atome besitzen einen Kern und eine Hülle, Protonen und Neutronen, die wiederum aus Quarks bestehen … Alles nicht so einfach, mit dem Leben und dem Universum. Das weiß auch Richard Küng, Assistenzprofessor für Quanteninformatik an der JKU. Zu erklären, was er den ganzen Tag macht, ist genauso kompliziert, wie ein Atom zu zerlegen: Wenn man glaubt, man hat die einzelnen Bestandteile verstanden, findet man doch ein weiteres Elementarteilchen.

„Drei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.“ – Für Küng müsste Goethes berühmtes Faust-Zitat abgewandelt werden, denn er ist gleichzeitig Informatiker, Physiker und Mathematiker. Seine Arbeit teilt sich nicht in verschiedene Disziplinen auf, sondern passiert in dem Spannungsfeld zwischen ihnen: Er beschäftigt sich mit Quantenalgorithmen. Und das ist wirklich eine komplexe Sache. Herkömmliche Computer arbeiten mit einem Dualsystem. Entweder es fließt Strom oder es fließt kein Strom. Ein Wert ist 0 oder 1. Die Quantentheorie aber, wie sie etwa bei Quantencomputern zum Einsatz kommt, beschreibt keine vordefinierten Zustände. Das Ergebnis kann 0 oder 1 sein, X oder Y. Die Werte werden erst fixiert, wenn sie gemessen werden. Alles, was wir davor über sie wissen und berechnen können, sind Wahrscheinlichkeiten. Das ist für Richard Küng ziemlich aufregend – weil das die Welt viel komplexer und weniger vorhersehbar macht, aber in diesen Zwischenräumen auch Spannendes passieren kann. „Quantencomputer sind nicht die nächste Generation an Computern. Sie sind ein anderer, zukunftsweisender Weg, um riesige Simulationen durchzuführen – oder Simulationen extrem kleiner Systeme. Es ist mir wichtig, nicht nur über die Entwicklung von Technologien nachzudenken, sondern auch darüber, wie sie eingesetzt werden und allen einen Vorteil bringen kann.“ Gerade deshalb ist Richard Küng nicht nur ein Wissenschaftler, der vom Großen träumt und dabei bis ins Kleinste denkt. Er ist auch ein Weltverbesserer, der weiß, dass es manchmal keine klaren Antworten gibt und dass das wirklich Aufregende vielleicht genau zwischen 0 und 1 passiert.  

Die Wissenschaft, darüber kann es keine zwei Meinungen geben, ist eine aufregende Sache. In jeder Ausgabe widmen wir ihr deshalb die letzten Zeilen. Dieses Mal spricht Richard Küng, Assistenzprofessor für Quanteninformatik, über seine Arbeit am Quantencomputer und das Spannende an Wahrscheinlichkeiten.

Im Gespräch Ausgabe 1/2021

Die neue Wut, der neue Zweifel, die neue Solidarität?

Viele sagen ja, dass die Corona-Pandemie nur eine Übung ist, ein fire drill für die Klimakrise, vor der Wissenschaftler* innen seit Jahrzehnten warnen. Die Corona- und die Klimakrise sind in vielerlei Hinsicht eng miteinander verwoben. Sie sind verursacht durch ein extraktives Wirtschaftsmodell, in das die Ausbeutung von Mensch und Natur nicht eingepreist ist. Sie münden in eine immer größer werdende Ungleichheit, in der sich ausgerechnet die Profiteure dieses Wirtschaftsmodells am ehesten vor seinen destruktiven Folgen retten können. Und sie werden ähnlich bearbeitet: Gefüttert von Falschinformationen einflussreicher libertärer Lobbygruppen wie dem „American Institute for Economic Research“, welches die umstrittene „Great Barrington Declaration“ mit ihrer wissenschaftlich zweifelhaften Idee der natürlichen Herdenimmunität unterstützt hat und auch regelmäßig den Klimawandel leugnet, wenden sich „Wutbürger* innen“ und „Querdenker*innen“ gegen Wissenschaft und Politik. Die Politik selbst ist angesichts dieser Spaltung zunehmend verunsichert, handelt halbherzig und eigentlich immer zu spät. Nicht umsonst spricht der Zeit-Redakteur Bernd Ulrich von einer pandemischen Phase, in die die Menschheit schlittert: Selbst eine Impfung wird uns nicht retten.

Wie jede Krise eröffnet auch die Corona-Krise die Möglichkeit eines grundlegenden Wandels. Waren am Anfang der Pandemie noch die Hoffnungen groß, dass die Krise zum Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen und fairer Bezahlung genutzt werden würde, so wachsen jetzt die Zweifel an der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten, an supranationalen Institutionen und an der solidarischen Haltung jedes Einzelnen. Zu offensichtlich werden die Missstände und Prioritäten: Shoppen, Skifahren, „Schau auf mich“ statt „Schau auf dich“. Blicken wir hundert Jahre zurück, so sehen wir, dass die Weltwirtschaftskrise in den USA zwar den Roosevelt’schen „New Deal“ hervorgebracht hat, in Europa aber den Faschismus und den Nationalsozialismus. Und heute?

Für einen „Green New Deal“ braucht es eine starke Staatengemeinschaft, die sich traut, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ihren Bürger*innen etwas zuzumuten. Doch genau das wird von den „Wutbürger*innen“ von rechts und den neuen „Querdenker* innen“, die eher aus dem links-alternativen Milieu kommen, aber, wie eine Erhebung des Baseler Soziologen Oliver Nachtwey zeigt, eine offene rechte Flanke haben, abgelehnt. Unter diesen Gruppierungen formt sich eine neue Solidarität des Dagegenseins, für die aktuell das Maskenverweigern zum gemeinsamen Symbol geworden ist. Eine gefährliche Melange, die Nachtwey als erste „postmoderne Bewegung“ bezeichnet: Statt Wissenschaft zählen Fake News, alternative Fakten und Intuition. Dabei gibt es kaum inhaltliche Kohärenz; gemeinsam bleibt die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie, der Medien und der etablierten Wissenschaft.

Paradoxerweise wird durch dieses Chaos das Entstehen autoritärer Regime, vor denen „Querdenker*innen“ und „Wutbürger*innen“ selbst so laut warnen, nur umso wahrscheinlicher. Liegt hierin die Basis für eine positive Wendung, für eine neue Solidarität? Wir müssen es, im Hinblick auf die beiden historischen Alternativen, dringend versuchen. Die Politik muss ihren Beitrag leisten, sich von der Postdemokratie der Partikularinteressen ab- und dem Gemeinwohl wieder zuwenden, Wert- über Zweckrationalität stellen. Die Bürger*innen hingegen müssen sich darauf einlassen, dass die Freiheit ihre Grenzen haben muss. Die Redefreiheit hört bei der Lüge auf. Wissenschaftliche Erkenntnisse – deren Limitationen im Sinne einer guten wissenschaftlichen Praxis inhärent sind und transparent mitdiskutiert werden – dürfen nicht durch Meinungen und Gefühle ersetzt werden. Was der Ökologe Garrett Hardin bereits 1968 als Tragik der Allmende erkannt hat, ist heute nach wie vor gültig: „Freedom in a commons brings ruin to all.“ In einer Welt, in der alles verhandelbar und relativ ist, kann es kaum eine andere Solidarität als die des Dagegenseins geben. In einer Welt hingegen, in der mehr Teilhabe und Mitbestimmung möglich ist, kann auf Basis fester Grundwerte und Grundprinzipien auch ein „New Deal“ entstehen. Selbstverständlich müssen sich zuallererst auch die verantwortlichen Politiker*innen selbst an diesen Grundwerten orientieren.  

Von Elke Schüßler
Campus Ausgabe 1/2021

Gemeinsam einsam

Das erste Semester im Studium kann etwas Besonderes sein. Neue Freund*innen, neue Freiheit. Nun heißt es plötzlich: Pandemie statt Party. Wie junge Menschen den Verlust eines Lebensgefühls empfinden.

Von Lukas Kapeller
Wissen Ausgabe 1/2021

Ich seh, ich seh, was du nicht siehst

Eine an der Kepler Universität entwickelte Drohne soll künftig dabei helfen, vermisste Personen selbst im dichtesten Wald zu finden. Es ist ein Meilenstein bei der Suche nach vermissten oder verletzten Menschen.

Von Florian Freistetter
Kepler Salon Ausgabe 1/2021

Hofrat Pachinger

Annäherungen an einen hypersexuellen Sammler

Von Georg Thiel