Klimawandel, Corona-Krise und soziale Spannungen – viele gesellschaftliche Herausforderungen sind so dringlich und komplex zugleich, dass die öffentliche Verwaltung sie nicht allein bewältigen kann. Genau hier setzt das Prinzip Open Social Innovation an. Wie genau diese Methode staatlichen Institutionen bei den notwendigen Transformationsprozessen auf die Sprünge hilft, hat JKU Forscher Thomas Gegenhuber gemeinsam mit Johanna Mair von der Hertie School an Hand des vom deutschen Bundeskanzleramt unterstützen Projekts UpdateDeutschland untersucht.
Ein Werkzeugkasten für die Zukunft: Open Social Innovation könnte der Verwaltung in Deutschland helfen, komplexe Probleme zu erkennen und zu lösen. Doch dafür braucht es Foren und Prozesse, die nicht nur Spitzenbeamte, sondern auch Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft der Wissenschaft und Wirtschaft einbinden. Wie solche Innovationsprozesse gelingen können, das haben die Organisationswissenschaftler*innen Prof. Johanna Mair (Hertie School/Stanford University) und Prof. Thomas Gegenhuber von der Johannes Kepler Universität untersucht. Ihr Learning Report basiert auf Erfahrungen und Beobachtungen, die sie anhand eines der bekanntesten Beispiele für Open Social Innovation zusammengetragen haben: einem viermonatigen Programm rund um den Hackathon UpdateDeutschland.
Einbinden statt ausgrenzen: So gelingt Teilhabe bei Innovationsprozessen
Der Learning Report der Wissenschaftler*innen zeigt, dass es einer Kommunikationsinfrastruktur bedarf, damit Bürger*innen und Verwaltung eng zusammenarbeiten können. Für UpdateDeutschland erfolgte die Kommunikation über die Online-Plattform Slack. Die Nichtregierungsorganisation ProjectTogether koordinierte den Prozess. Innovation kommt vor allem dann zustande, wenn Bürger*innen und Verwaltung eine möglichst breite Expertise zu einem Problem aufweisen und sich in direktem Dialog austauschen. Innovationsprozesse wie Open Social Innovation sollten von Mentor*innen begleitet werden, die methodisch unterstützen und zwischen den unterschiedlichen Parteien moderieren. Laut dem Learning Report ist außerdem eine ergebnisoffene Haltung sowie finanzielle Unterstützung seitens der Verwaltung hilfreich.
Thomas Gegenhuber, Leiter des Sustainable Transformation Management Labs am LIT sagt: «Open Social Innovation ist ein wichtiger Werkzeugkasten für eine bürgernahe Politik. Durch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts UpdateDeutschland können wir zeigen, wie Open Social Innovation Staat und Gesellschaft helfen können, um gemeinschaftliche Lösungsansätze für drängende Zeitfragen zu finden. Denn bislang sind die bestehenden Verwaltungsstrukturen auf dieses ad-hoc Handeln unter Einbezug der Bürger*innen nicht ausgerichtet. Dieses Modell hat auch für Österreich großes Potential.»
Wie Open Social Innovation für Schubkraft sorgt
Vier Faktoren tragen laut dem Learning Report zu einem Blick über den Tellerrand bei: Erstens entstehen durch Open Social Innovation neue Initiativen, die viele Blickwinkel einbeziehen. Zweitens, stärkt Open Social Innovation bestehende Initiativen, weil Menschen aus unterschiedlichen Bereichen ihr Wissen einbringen. Der gemeinsame Austausch zwischen Bürger*innen und Staat fördert drittens die Bündnisbildung und somit eine höhere Aufmerksamkeit für ein Problem. Viertens, stärkt Open Social Innovation die Wirksamkeit von politischen Lösungen vor Ort.
Thomas Gegenhuber sagt weiter: «Natürlich gibt es auch Kritik an Open Social Innovation, zum Beispiel, dass der Staat sich seiner Verantwortung entzieht. Denn nun kümmern sich ja zunächst Bürger*innen um ein Problem. Aber der Staat hat Ressourcen um Ideen zu skalieren. Unsere Begleitforschung rund um UpdateDeutschland hat gezeigt, dass Open Social Innovation genau dann immense Schubkraft birgt, wenn Zivilgesellschaft und Staat Partner*innen sind.»
In Hamburg wurde mit Hilfe des Politikwerkzeugs beispielsweise die Logik hinter Förderanträgen hinterfragt und angepasst. Zivilgesellschaftliche Initiativen können nun auch Gelder für solche Projekte beantragen, die die Lösung eines Problems in den Fokus nehmen und nicht schlichtweg vorgegebenen Förderkriterien auf dem Weg zu einer Lösung abhaken.
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Über UpdateDeutschland, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramts und initiiert durch die Nichtregierungsorganisation ProjectTogether rief UpdateDeutschland ab Februar 2021 öffentlich dazu auf, Herausforderungen und Lösungsansätze für komplexe Zeitfragen einzureichen. In einem sogenannten 48-Stunden-Sprint kamen im März 2021 dann Bürger*innen aus vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen Deutschlands auf der Plattform Slack online zusammen. Gemeinsam gruppierten sie die 581 eingereichten Herausforderungen und Lösungsideen. In einem anschließenden, viermonatigen Umsetzungsprogramm, entwickelten die Teilnehmenden die Lösungsansätze schließlich weiter und pilotierten sie zusammen mit Partner*innen aus Kommunen, Ländern und Bund.