50 Jahre Informatik an der JKU – Gestern, heute, morgen

Die Mondlandung, Woodstock, Proteste gegen den Vietnamkrieg – 1969 war ein denkwürdiges und prägendes Jahr, das die Welt in vielerlei Hinsicht verändert hat. Das Düsenflugzeug Concorde durchbricht erstmals die Schallmauer und ForscherInnen der Harvard University gelingt es, ein einzelnes Gen zu isolieren. In der University of California wird die erste Nachricht über zwei entfernte Rechner verschickt und mit dem Vorläufer Arpanet das Internet geboren. 1969 schlägt auch die Geburtsstunde des Informatikstudiums in Österreich – an der jungen „Linzer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften“, der heutigen Johannes Kepler Universität Linz.

50 Jahre Informatik
V.l.: Bernd Greifeneder (Dynatrace), Christoph Steindl (Catalysts), Helmut Fallmann (Fabasoft), JKU Rektor Meinhard Lukas, Hanspeter Mössenböck (JKU) und Joseph A. Paradiso (MIT Media Lab, USA).

Angesichts unserer vernetzten Welt ist es kaum vorstellbar, dass es das Studium Informatik erst seit einem halben Jahrhundert gibt. Vor 50 Jahren war die Idee, ein solches Studium einzuführen, durchaus umstritten. KritikerInnen argumentierten, dass die Inhalte der Studienrichtungen „Technische Mathematik“ und „Nachrichtentechnik“ als Ausbildung ausreichen würden und mit einem eigenständigen Informatik-Studium kein weiteres Bildungspotenzial erschlossen werden könne.  

„Der Pioniergeist wurde der JKU schon in die Wiege gelegt. Als erste Universität in Österreich wurde mit Informatik ein Studium etabliert, an dessen Erfolg damals nur wenige glaubten. Der Erfolg hat gezeigt, dass es Mut sowie visionäres Denken und Handeln braucht, um innovativ zu forschen und zu lehren. Die JKU hat diese Werte verinnerlicht und stets in die Zukunft geblickt und mit neuen Studienrichtungen wie Mechatronik und Artificial Intelligence Pionierarbeit geleistet. Im Namen der gesamten Universität gelten meine Glückwünsche und mein Dank all jenen Menschen, die vom Beginn bis zum heutigen Tag an der Erfolgsgeschichte der Linzer Informatik mitgewirkt haben “, sagt JKU-Rektor Meinhard Lukas.           

Gegen alle Widerstände
Prof. Adolf Adam, der 1966 als Statistiker an die neuerrichtete Linzer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften berufen wurde, agiert als engagierter Geburtshelfer. Er setzt der Kritik an einem Informatik-Studium Fakten entgegen und erstellt das Linzer Informationstechnische Programm (LIP). Damit ebnet er den Weg zur Etablierung der Informatik als anerkannte Studienrichtung. Im Sommer 1969 verabschiedet der Nationalrat das Bundesgesetz zur Einrichtung technischer Studienrichtungen, in dem nun auch eine Studienrichtung Informatik (Computerwissenschaften) aufgenommen wird. Im Wintersemester 1969/70 wird der offizielle Studienbetrieb an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät aufgenommen. Informatik kann erstmals in Österreich inskribiert und studiert werden. Gestartet wird mit 43 Studierenden. Laut damaliger Presseaussendung ist der Studienbetrieb gesichert durch „personelle Ausstattung“ und „die nötigen maschinellen Voraussetzungen“, einer Rechenanlage: IBM 1130 mit 64 KB Hauptspeicher.

„Die Linzer Informatik war immer unter den Pionieren: das erste Informatikstudium Österreichs (1969), das erste Bachelor-/Masterstudium der JKU (2002), das erste englischsprachige Mainstream-Masterstudium der JKU (2013). Dafür wird sie von den Studierenden, von der österreichischen Wirtschaft, aber auch international geschätzt“, so Hanspeter Mössenböck, Senatsvorsitzender und Leiter des Instituts für Systemsoftware sowie der Studienkommission Informatik an der JKU.

Entwicklung und Meilensteine
In den 50 Jahren ist das Angebot an Informatikstudien und informatiknahen Studiengängen in Österreich auf 20 Bachelor- und 30 Masterprogramme angewachsen. Zur Stärkung der Zusammenarbeit der Informatik an österreichischen Universitäten haben sich diese mit Unterstützung der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) zum Verein Informatik Austria zusammengeschlossen und mit der Erstellung einer sogenannten „Durchlässigkeitsmatrix“ eine Übersicht zum Zusammenspiel dieses Bildungsangebots geschaffen. „Die Linzer Informatik hat sich in den 50 Jahren ihres Bestehens nicht nur als wichtige Partnerin für die regionale Wirtschaft etabliert, sondern vor allem in den letzten 15 Jahren durch die wissenschaftlichen Leistungen unserer Forscherinnen und Forscher hohes internationales Ansehen erreicht“, so Prof. Mössenböck.

Erfolgsgeschichten: Firmengründungen und Start-ups
Mit vier Wittgensteinpreisträgern und 12 ERC-Grants zeigt sich die wissenschaftliche Exzellenz österreichischer InformatikerInnen. Die anwendungsorientierte Ausrichtung der Informatik in Linz hat auch erfolgreiche Kooperationen mit der Wirtschaft hervorgebracht, wie z.B. das Software Competence Center Hagenberg, das COMET-Zentrum Pro2Future, die Zusammenarbeit mit den ORACLE Labs oder Spin-Offs und Ausgründungen wie zum Beispiel DICE.

Erfolgsgeschichten zeigen sich auch in den Biografien von drei prominenten Informatik-Absolventen:

Ich habe 1988 als Informatikstudent der JKU zusammen mit Leo Bauernfeind die Fabasoft gegründet. Wir konnten damals die Begeisterung über neueste Technologielösungen und das überragende Gefühl des Unternehmertums mit einem Studium verbinden. Wenn wir jedoch die Anforderungen der Digitalisierung bewältigen wollen, müssen wir viel mehr technisch begabte Talente mit internationalem Weitblick erfolgreich ausbilden. Ich wünsche mir, dass gerade die JKU Informatik, die für den Industriestandort Oberösterreich so bedeutend ist, hierbei eine Vorreiterrolle einnimmt“, sagt DI Helmut Fallmann, Mitglied des Vorstands des Linzer Softwareherstellers und Cloud-Dienstleisters Fabasoft.

Bernd Greifeneder, CTO Dynatrace: „Die JKU hat mir 1991 den Zugang zum frühen Internet ermöglicht. In Kombination mit hervorragender Ausbildung und Forschung hat dieser Zugang mir die Grundlage zu Technologien verschafft, die damals ungleich schwerer zur Verfügung standen als heute. Entrepreneurship ist ein weiteres Interessensgebiet, welches ich durch die Informatik für mich entdecken konnte und trug maßgeblich zu meinem ersten Unternehmens-Exit an einer NASDAQ notierten Firma bei. 2005 folgte gemeinsam mit zwei Partnern die Gründung von Dynatrace. Heute beschäftigen wir global über 2.000 Mitarbeiter und sind seit August dieses Jahres an der NYSE notiert. Die mitarbeiterstärkste und am schnellsten wachsende Business-Unit des Konzerns stellt dabei der Bereich Forschung&Entwicklung (F&E) mit klarem Schwerpunkt auf Informatik dar. Alleine in Linz beschäftigen wir aktuell rund 450 Expertinnen und Experten, Tendenz stetig steigend. Die JKU hat für mich deshalb einen besonderen Stellenwert in den Bereichen Forschung sowie Ausbildung von Talenten für Dynatrace.“

 „Die JKU ist verantwortlich dafür, dass ich meinen Lebensmittelpunkt seit 30 Jahren in Linz habe. Ich bin 1990 wegen des Studiums Mechatronik nach Linz an die JKU gekommen, das damals – im ersten Jahrgang als Studienversuch – ausschließlich an der Johannes Kepler Universität Linz angeboten wurde. Der Pioniergeist der JKU hat mir getaugt. 1998 habe ich im Universitäts-Orchester der JKU meine spätere Frau kennengelernt und bin dadurch in Linz geblieben. Die JKU bietet ein vielfältiges wissenschaftliches Umfeld, aber auch ein reges Campusleben mit Sport am USI und Musik im Uni-Orchester. In so einem Umfeld kann man wachsen und sich entfalten. 2005 habe ich mich selbstständig gemacht, Catalysts gegründet und bin glücklich über alles, was ich bisher in meinem Leben erreichen konnte“, sagt Christoph Steindl, Geschäftsführer von Catalysts.

Blick in die Zukunft
Die Informatik an der Linzer Johannes Kepler Universität Linz feiert ihr 50-jähriges Bestehen heute ab 15.00 Uhr mit einer Festveranstaltung. Am Programm stehen Vorträge, Talkrunden und Ausstellungen über Geschichte und aktuelle Projekte der Linzer Informatik. Die Keynote „How We Will Connect To Our Networked Future in a Post-IoT-World” hält Joseph A. Paradiso, Prof. Media Arts and Sciences am MIT Media Lab, USA.

„We have already witnessed profound and often unanticipated developments as IoT is built out and the world is mediated via a mainly graphic wireless device held at arms length. But what will happen once the world is precognitively interpreted by what we term ‘sensory prosthetics’ that change what and how humans physically perceive, a world where your own intelligence is split ever more seamlessly between your brain and the cloud? Accordingly, I address the broad theme of interfacing humans to the ubiquitous electronic "nervous system" that sensor networks will soon extend across things, places, and people, going well beyond the ‘Internet of Things,’ challenging the notion of physical presence and the boundary of self. I'll illustrate this through two avenues of research – one looking at a new kind of digital "omniscience" (e.g., different kinds of browsers for sensor network data & agile frameworks for sensor/data representation) and the other looking at buildings & tools as "prosthetic" extensions of humans (e.g., making HVAC and lighting systems an extension of your natural activity and sense of comfort, or smart tools as human-robot cooperation in the hand), drawing from many projects that are running in my group at the MIT Media Lab and touching on technical areas ranging from low-power wearable sensing/robotics to cognitive audio and distributed sensor networks.“ 

Genau ein halbes Jahrhundert nach den InformatikerInnen starten wieder PionierInnen mit einem weiteren Zukunftsstudium an der Johannes Kepler Universität Linz: Artificial Intelligence (Künstliche Intelligenz) ist europaweit eines der ersten Studien dieser Art.