Auge in Auge mit Viren: Neue Technologie soll Europa als Mikroskopie-Großmacht etablieren

Fortschrittliche Mikroskopietechniken arbeiten im Nanometer-Bereich (1 nm = 1 Millionstel Millimeter). Zum Vergleich: Ein Virus ist zwischen 30 und 50 Nanometer groß.

Daniel Canena
Daniel Canena

Kaum ein Instrument hat die Wissenschaft so vorangebracht, wie das Mikroskop. Von den Anfängen im beginnenden 17. Jahrhundert bis heute hat sich auf diesem Gebiet viel getan: Fortschrittliche Mikroskopietechniken arbeiten im Nanometer-Bereich (1 nm = 1 Millionstel Millimeter). Zum Vergleich: Ein Virus ist zwischen 30 und 50 Nanometer groß.

In diesen „Größen“-Ordnungen gibt es zwei Probleme: Erstens müssen sinnvolle Bilder geliefert werden – zweitens können Proben im Nanometer-Bereich aber leicht verändert oder beschädigt werden. Das muss eine Mikroskopie-Technik natürlich ausschließen. An der Abteilung für Angewandte Experimentelle Biophysik der Johannes Kepler Universität Linz (Leitung: Prof. Peter Hinterdorfer) arbeitet man an der Realisierung von Bildern in einer räumlichen Auflösung unter 1 nm, um biologische Materialien unter lebenden Umweltbedingungen untersuchen zu können.

Im Geist der Nobelpreisträgerin
Hier profitiert die Forschung vom Maire Curie Förderprogramm. Benannt nach der berühmten Nobelpreisträgerin haben die EU und das Land OÖ die Marie-Skłodowska-Curie Förderungsschiene für exzellente Forschung ins Leben gerufen. Ziel des Programms: die Schaffung eines Pools europäischer Forscher*innen und generell die Attraktivierung Europas für Spitzenwissenschaftler*innen. Bereich und Thema werden den Forscher*innen freigestellt. Das wichtigste Merkmal der Förderschiene ist Mobilität. Die Teilnehmer*innen sollen ihre Kompetenzen im Ausland vertiefen, Know-how austauschen und vernetzte Forschungsknoten bilden.

Im Rahmen dieser Förderschiene kam der Doktoratsstudent Daniel Canena von der Universidade Federal do Rio de Janeiro an die JKU. Gemeinsam mit JKU Forscher*innen entwickelte der Brasilianer ein Hochgeschwindigkeits-Rastersondenmikroskop zur Verfolgung von Molekülen, das Hochgeschwindigkeits-Bildgebung mit Fähigkeiten zur Erkennung einzelner Moleküle integriert. Dieses neue Mikroskop basiert auf der ursprünglich vom JKU Team entwickelten Topographie- und Erkennungsmethode (TREC) mit einem entsprechend modifizierten Hochgeschwindigkeits-Modul, welches nun hundert Mal schnellere Messungen mit einer räumlichen Auflösung von unter 1 nm ermöglicht.

„Der Aufenthalt an der JKU war eine einmalige Erfahrung. Die Professionalität der Arbeit hier hat mich stark beeindruckt“, so der 31-jährige Forscher aus Brasilien.

Neue Mikroskopie-Generation
Rastersondenmikroskope haben grundlegende Barrieren überwunden. Es gibt neuartige Systeme, die ein beispielloses Potenzial in Bezug auf 3D-Bildgebungsfähigkeiten im Nanobereich, Bildgebungsgeschwindigkeit und Kartierung der chemischen Empfindlichkeit aufweisen. Das Ziel des Europäischen Ausbildungsnetzwerks SPM2.0 (koordiniert vom Institut für Bioengineering Katalonien) ist es, eine neue Generation von Forscher*innen in Wissenschaft und Technologie in dieser neuartigen Rastersondenmikroskopie auszubilden, um seine weitere Entwicklung und die schnelle und breite Kommerzialisierung und Umsetzung in öffentlichen und privaten Forschungszentren und Industrie- und Metrologie-Institutionen voranzutreiben.

„Das Endziel des Netzwerks ist, Europa als weltweit führenden Anbieter von Scanning Probe Mikroskopietechnologien zu etablieren und seine neuen Anwendungen in Schlüsselsektoren wie Materialien, Mikroelektronik, Biologie und Medizin zu erweitern. Das Marie Curie Förderprogramm hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet“, erklärt Prof. Hinterdorfer.

„Forschung ist schon lange keine One-Man-Show mehr“, erklärt JKU Rektor Meinhard Lukas. „Wissenschaft basiert auf vernetztem Know-how aus verschiedenen Disziplinen. Dieses Prinzip wird an der JKU gelebt. Interdisziplinär und international gestalten unsere Wissenschaftler*innen den technologischen Fortschritt. Das Marie Curie Förderprogramm zeigt, wie wichtig dieses Thema auch dem Land und der EU ist. Ich freue mich, dass alle an einem Strang ziehen und es der JKU so ermöglichen, auch weit über Österreich hinaus mit innovativer Forschung wirksam zu sein.“

Marie-Curie-Förderprogramm bringt JKU und Studierenden internationale Vernetzung
„Wissenschaft, Forschung und technologischer Vorsprung brauchen Vernetzung, Austausch und Diskurs, um sich mit neuen Ideen und Ansätzen gegenseitig befruchten zu können. Nur so ist internationale Spitzenforschung möglich. Genau dieser Gedanke steht auch im Mittelpunkt des Marie Curie Förderprogramms von Land Oberösterreich und Europäischer Union. Nicht das Forschungsthema an sich, sondern die Mobilität der Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher ist deshalb auch das entscheidende Kriterium für die Erlangung des Stipendiums. Das Beispiel des jüngsten Marie Curie-Stipendiaten Daniel Canena zeigt die Vernetzung von Wissenschaft und Forschung sehr eindrucksvoll: der Brasilianer von der Universidade Federal do Rio de Janeiro forschte mit einem Team der Johannes Kepler Universität über eine neuartige Mikroskopiertechnik. Diese Forschungsarbeiten sind Teil eines von Katalonien aus koordinierten Ausbildungsnetzwerks, das Europa zum führenden Anbieter der Hochgeschwindigkeits-Rastersondenmikroskopie machen soll“, erklärt Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner.

„Für Oberösterreich ist die Förderschiene nicht nur eine Chance, internationale Nachwuchsforscherinnen und -forscher nach Oberösterreich zu holen, vielmehr erhalten auch die oberösterreichischen Studentinnen und Studenten bereits während ihrer Ausbildung Zugang zu internationalen Forschungsnetzwerken. Gleichzeitig wird damit auch die Sichtbarkeit es Standortes Oberösterreich erhöht“, so Landesrat Achleitner.