Informatiker Helmut Beran - Pionier der ersten Stunde

Seit 50 Jahren kann man in Österreich - genauer: an der JKU - Informatik studieren. Einer der ersten Lehrenden war Helmut Beran.

JKU Informatik-Pionier Helmut Beran 1969.
JKU Informatik-Pionier Helmut Beran 1969.

Frage: Sie haben als Statistiker den Werdegang des Informatik-Studiums an der Johannes Kepler Universität Linz miterlebt. Welche Erwartungen waren an das Studium Informatik geknüpft?

Helmut Beran: Zunächst eine persönliche Bemerkung: Im Herbst 1967 bin ich bei Professor Adolf Adam im damaligen Institut für Statistik und Datenverarbeitung der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der damaligen Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Linz als Assistent eingetreten. Ich konnte somit die von Adam initiierte Konstituierung der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät und die Übertragung des Instituts an die neue Fakultät 1968 und den Beginn des ersten österreichischen Informatikstudiums im Jahr 1969 und dessen weitere Entwicklung sozusagen „hautnah“ verfolgen, als Statistiker allerdings immer eher ein bisschen von der Peripherie her, was bei meinen Antworten berücksichtigt werden möge.

Nun zur Frage: Vordenker, wie Adolf Adam einer war, hatten Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erkannt, dass der Computer nicht einfach eine bessere Rechenmaschine war, sondern das Potential hatte, eine neue Ära der Informationsverarbeitung (im weitesten Sinn) zu begründen und damit die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Es war also an der Zeit, die noch nicht klar definierte „Computer Science“ auch als eigenes Studium an der Universität einzuführen, um Fachleute in dieser Disziplin auszubilden und einschlägige Forschung zu betreiben. Dies gelang an der damaligen Hochschule Linz im Jahr 1969 als erster österreichischen und einer der ersten europäischen Universitäten unter dem Titel „Informatik“. Fünfzig Jahre Erfolgsgeschichte der Linzer Informatik belegen, dass die damalige Entscheidung richtig und notwendig war und schon bald diese Studienrichtung im Spektrum der Möglichkeiten, welche die JKU einem Studienanfänger bieten konnte, einen prominenten Platz einnahm.

 

Frage: Inwieweit hat das Informatik-Studium andere Disziplinen geprägt bzw. verändert? 

Helmut Beran: Der Einsatz des Computers ist in vielen wissenschaftlichen Disziplinen in Forschung und Anwendung schon lange nicht mehr wegzudenken.  Dies betrifft besonders – aber keinesfalls ausschließlich – die Bereiche Naturwissenschaften, Technik, Medizin und Wirtschaft. Dieser Tatsache wurde in den letzten Jahren und zum Teil Jahrzehnten insofern Rechnung getragen, als einschlägige Lehrveranstaltungen in die jeweiligen Curricula aufgenommen worden sind.

 

Frage: Was war Ihrer Meinung nach die größte Innovation im Bereich Informatik in den letzten 50 Jahren?

Helmut Beran: Rückblickend sind dies für mich zwei Themen, nämlich die Miniaturisierung im Bereich der Mikroelektronik und die Einführung des Internets. Beide haben unser Leben revolutioniert. Ersteres hat u.a. die Mobiltelefonie ermöglicht und wird in Zukunft unseren Alltag in Form von Prozessoren und Sensoren, die in allen möglichen Gegenständen eingebaut und gegebenenfalls vernetzt werden, maßgeblich beeinflussen. Das Internet wiederum hat bewirkt, dass ungeheure Informationsmengen für jedermann verfügbar geworden sind, aber auch, dass in Form der Social Media vorher nie für möglich gehaltene Kommunikationsstrukturen entstanden sind. Hier ist natürlich nicht der Platz, auf die Vorteile, aber auch die Gefahren dieser Entwicklungen einzugehen.

 

Frage: Wenn Sie zurückblicken – was hätten Sie damals für unmöglich gehalten?

Helmut Beran: Grundsätzlich waren viele wesentliche technische und physikalische Voraussetzungen für die folgenden Entwicklungen auch vor 50 Jahren schon gegeben, auch wurden von visionären Forschern viele der später eintretenden Szenarien antizipiert, von den wenigsten wurde aber die Schnelligkeit und das Ausmaß, mit denen diese Innovationen unser Leben und unsere Gesellschaft verändern würden, vorhergesehen.

 

Frage: Wie wird sich – oder sollte sich – das Studium Informatik Ihrer Ansicht nach weiterentwickeln?

Helmut Beran: Da die Informatik eine der innovativsten Forschungsdisziplinen ist, muss dieser Tatsache auch im Studium Rechnung getragen werden. Dies ist allerdings auch schon bisher an der JKU in hohem Maße geschehen, wie ein Vergleich der Studienpläne der Informatik im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte zeigt. Heute finden wir im Studienplan zahlreiche Gebiete, die früher noch nicht als bedeutend genug erschienen sind, um sie eigens in das Curriculum aufzunehmen, oder überhaupt noch nicht thematisiert wurden, wie z.B. Computersicherheit, Pervasive Computing, Data Science, etc. Ich bin überzeugt, dass Studienpläne und Lehrinhalte auch in Zukunft regelmäßig überprüft und adaptiert werden, um jederzeit auch in der Ausbildung den „State of the Art“ zu repräsentieren.

 

Frage: Ein halbes Jahrhundert später startet an der Johannes Kepler Universität Linz wieder eine neue Generation von Pionieren – mit dem europaweit einzigartigen Studium „Artificial Intelligence“ - welchen Rat haben Sie für die Studierenden?

Helmut Beran: Pioniergeist ist essentiell für die Entstehung von Neuem, aber auch für die Weiterentwicklung von Bestehendem. Die Informationswissenschaften an der JKU sind seit 50 Jahren und auch heute noch geprägt vom Pioniergeist ihrer Protagonisten und von deren Begeisterung für ihre Wissenschaft. Den Studierenden rate ich, sich von diesem Pioniergeist und dieser Begeisterung anstecken zu lassen und diese lebenslang zu bewahren.