Informatiker Jörg Mühlbacher - Pionier der ersten Stunde

Seit 50 Jahren kann man in Österreich - genauer: an der JKU - Informatik studieren. Einer der ersten Studierenden war Jörg Mühlbacher.

Informatik-Pionier Jörg Mühlbacher im Rechenzentrum.
Informatik-Pionier Jörg Mühlbacher im Rechenzentrum.

Frage: Sie gehören quasi zu den „Pionieren“. Welcher Weg führte Sie zur Informatik?

Jörg Mühlbacher: Während meines Studiums (Mathematik) an der Universität Wien besuchte ich aus Interesse zu Neuerungen Programmiervorlesungen (ALGOL60 ) an der TU Wien, erlernte FORTRAN im Rahmen einer Ferialpraxis (1967) und arbeitete auf demselben Computer, den später die Uni Linz bekam (IBM1130). Für mein Dissertationsfach im Bereich Algorithmischer Graphentheorie waren diese Vorkenntnisse ideal. Nach der Promotion an der Uni Wien (1969) war ich in Linz Assistent,  ab 1971 bei Prof Schulz, der mich vorbildlich in meinen wissenschaftlichen Ambitionen unterstützte, sodass ich bereits 1973 habilitieren konnte. Noch im selben Jahr erhielt  ich einen Ruf an die Universität Dortmund als H3 Professor und konnte so auch andere Informatikbereiche kennenlernen, die in Linz gar nicht vertreten waren, z.B. Komplexitätstheorie, Automatentheorie).

 

Frage: Welche Erwartungen waren an das Studium Informatik geknüpft?

Jörg Mühlbacher: Die damalige Hochschule für Sozialwissenschaften war noch jung und die Technisch-Naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) eine Neugründung.  Wir sahen in der Informatik nicht nur neue zukunftsweisende Jobs für die Studierenden, sondern auch einen  Imagezuwachs: die TNF in Linz steht für Neuerungen! Dazu kamen Kennzahlen aus Deutschland, die auf einen Bedarf von solchen “SpezialistInmen“ hinwiesen. Heftigen Diskurs allerdings löste die Frage aus, in welche Richtung der Schwerpunkt des neuen Studiums gehen sollte. Damals sprach man noch von „Bindestrich- Informatiken“ wie Wirtschafts-Informatik, Informatik in der Technik (Computerwissenschaften), Bildungs-Informatik u.Ä, wobei man sich aber gezielt von anderen deutschsprachigen Anboten (Darmstadt, München, Karlsruhe u.A., später auch TU Wien) unterscheiden wollte. Prof Schulz – als studierter Elektrotechniker – vertrat einen ingenieurwissenschaftlichen Ansatz (vgl.: Softwareingenieur). Anfangs war die Schwerpunktbildung  pragmatisch durch das vorhandene Anbot an Fachkräften geprägt, z.B Studienzweig Bildungs-Informatik durch Prof.Lansky , der aus Prag 1968 geflüchtet war, wirtschaftliche Fächer durch Prof. Mertens und den später berufenen Prof. Reichl, der damals noch bei IBM tätig war.

 

Frage: Wie hat sich Ihre berufliche / akademische Laufbahn gestaltet?

Jörg Mühlbacher: Eigentlich klassisch (siehe oben): Studium Mathematik 1964-1969, Programmieren und Rechnerarchitektur an der TU, 1969-1973 Assistent in Linz und Lehrbeauftragter, 1973-1976 Professor an der Universität Dortmund, SS1976 Research Fellow Universität Bristol, ab Dez. 1976 o.Prof. in Linz, 1981 Ruf an die Universität Zürich, abgelehnt zugunsten Linz und der Errichtung des Forschungsinstitutes für Mikroprozessortechnik an der JKU. Gastprofessuren in Zürich, HS St. Gallen (CH), Universität Granada (Esp), Mitherausgeber der „Computermonographien im C.Hanser Verlag München“, Mitbegründer der Tagungsreihe „Workshop  „Graphentheoretische Anwendungen  WGxx“ , jährlich( WG77 in Linz) bis heute, Mitstreiter bei der Einführung „Informatik Lehramt“, Fortbildungsseminare für Lehrer und Lehrerinnen am Pädagogischen Institut), diverse Lehrbücher (Autor, Mitautor ) wie Graphentheorie für Informatiker, Datenstrukturen, Programmieren in Modula2, Oberon, Mikroprozessor Software, Betriebssysteme) . Emeritierung 2012.

 

Frage: Was war Ihrer Meinung nach, die größte Innovation im Bereich Informatik in den letzten 50 Jahren?

Jörg Mühlbacher: Da fällt die Auswahl schwer, da die Informatik ständig von wesentlichen Neuerungen geprägt wird. Ich plädiere für „Erfindung und Verbreitung des Mikroprozessors“ ( INTEL 4004, 1971). Der Mikroprozessor ist/war die Voraussetzung der Dezentralisierung von Rechnersystemen, PCs, und die Vernetzung – in jedem Router stecken Mikroprozessoren - und somit auch eine Voraussetzung für das Internet. Die  Software betreffend ist und war es die zunehmende Unabhängigkeit von Hardware, manifestiert durch höhere Programmiersprachen und virtuelle Maschinen.

 

Frage: Wenn Sie zurückblicken – was hätten Sie damals für unmöglich gehalten?

Jörg Mühlbacher: Ich kann nur sagen, was ich unterschätzt habe: das exponentielle Wachstum der IT in alle und innerhalb aller Lebensbereiche der Menschen.

 

Frage: Als Studienkommissionsleiter haben Sie das Fach „Ethik“ eingeführt. Warum?

Jörg Mühlbacher: In meinem Studium an der UNI Wien war – ich bin ja Dr.phil. und nicht Dr.techn. - ein Philosophikum als drittes Rigorosum-Fach vorgesehen. Das hat mich geprägt. Im Fachbereich Informatik an der Uni Dortmund hatte ich bereits den Arbeitskreis „Gesellschaftliche Implikationen der Informatik“ zu leiten, den ich auch  im Rahmen der ÖGI in Österreich gründete. Es war  für mich klar, dass InformatikerInnen über Auswirkungen der von ihnen entwickelten Technik nachdenken sollten. Dazu braucht es aber ein Grundwissen und ein Wecken des Bewusstseins, dass Fortschritte auch einer ethischen Bewertung zugeführt werden sollten. Solche Fragestellungen  finden wir heute in der Medizin (Ethikkommission) und Analoges sollte auch für die Informatik gelten. Die Entwicklungen in der AI (künstliche Intelligenz) geben mir Recht, denn die Frage, ob oder ab wann “AI-Systeme“ dem Menschen bei Entscheidungen überlegen sind, ist eine zutiefst das Menschsein berührende!

 

Frage: Ein halbes Jahrhundert später startet an der Johannes Kepler Universität Linz wieder eine neue Generation von PionierInnen – mit dem europaweit einzigartigen Studium „Artificial Intelligence“ - welchen Rat haben Sie für die Studierenden?

Jörg Mühlbacher: Vieles ist noch im Fluss und kein Studienplan ist von Beginn an endgültig! Versteht die raschen Entwicklungen als Ansporn und nutzt die ERASMUS – Austauschprogramme auch als Botschafter einer innovativen TNF!