Keplers cyberhaftes Lächeln

Fotos animieren. Verstorbene Personen simulieren. KI ermöglicht Vieles. Spielerei? Hilfsmittel für Trauernde? Oder rufen wir Geister, die wir nicht mehr loswerden?

Animation Johannes Kepler
Animation Johannes Kepler

Alte Fotos zum Leben erwecken? Eine Deep Learning Software der Firma MyHeritage macht es möglich. Und siehe da – der Namensgeber unserer Uni Johannes Kepler scheint sich tatsächlich im Raum umzusehen. Andere gehen weiter: In einer südkoreanischen TV-Show hat eine Mutter von ihrem verstorbenen Kind Abschied genommen – dessen Persönlichkeit von einer Künstlichen Intelligenz simuliert wurde. Harmlose Spielerei? Modernes Mittel zur Trauerbewältigung? Oder sollten wir vorsichtig sein mit den Geistern, die wir rufen? Dazu haben wir Martina Mara, Professorin für Robopsychologie und AI-Ethiker Emanuele Ratti befragt.

Ratti forscht am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie, wo er einen Kurs für die Ethik Künstlicher Intelligenz entwickelt hat. Für ihn sind solche Programme Werkzeuge der Erinnerung, wie auch Fotos oder Videos. „Allerdings darf man davon ausgehen, dass Künstliche Intelligenz diese Simulationen in Zukunft extrem wirklichkeitstreu und interaktiv gestalten wird. Damit steigt durchaus die Gefahr, dass trauernde Menschen sich auf ungesunde Weise auf diese Simulationen einlassen. Diese Werkzeuge sollten daher unbedingt gemeinsam mit Psycholog*innen entwickelt werden“, so Ratti.

Sollte man daher eine strikte Grenzlinie ziehen? Schwierig, meint der Wissenschaftsphilosoph. Denn: „Man kann nicht im Vornherein sagen, was man erlaubt und was nicht. Wie bei allen neuen Technologien sind Nutzen, Möglichkeiten und Gefahren vorab gar nicht umfassend bekannt. Was man tun kann ist, die betroffenen Gruppen in die Entwicklung einzubeziehen. So kann man die Technologie auf die Bedürfnisse der Menschen hin entwickeln.“

Die lächelnden Fotos haben aber nicht nur Begeisterung geweckt. Viele Menschen reagierten mit Gruseln. Warum?

„Man nennt das Uncanny Valley“, erklärt Prof.in Martina Mara, die im LIT Robopsychology Lab die Wirkung von Robotern auf Menschen untersucht. „Wenn Menschen sehr realistisch, aber eben nicht perfekt nachgebildet werden, verunsichert das die Betrachter*innen.“ So hat bereits Ernst Jentsch 1906 die Ursache für unheimliche Gefühle beschrieben: „Der Zweifel, ob unbelebt Scheinendes nicht doch belebt ist – oder umgekehrt.“

Besonders bei animierten Bildern von uns bekannten Personen kann der Effekt auftreten. „Das animierte Bild wird sich immer ein bisschen anders bewegen als der echte Mensch, dessen Verhalten und Mimik wir gut kennen. Das Bild wirkt echt, aber nicht ganz authentisch. Das sorgt für Grusel.“

Der Effekt funktioniert auch bei Tieren. So wurden Roboterkatzen gebaut, um demenzkranke Menschen aufzuheitern. Diese Robotiere bewegten sich fast echt – aber eben doch nicht ganz und wurden daher als unheimlich empfunden. Nun werden Roboter-Robben eingesetzt. „Niemand hatte jemals eine Robbe zuhause. Zu deren Bewegungen und Mimik haben wir keine Erfahrungen, daher werden diese Robotertiere eher angenommen.“

Und würde sie solche Technologien selbst nutzen?

„Naja, ich bin eine sehr neugierige Technologietesterin“, sagt Martina Mara lächelnd. „Ausprobieren würde ich es wohl mit ziemlicher Sicherheit.“

Wir weisen darauf hin, dass mit Abspielen des Videos u.U. Daten an Dritte übermittelt werden. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung