Meilenstein für Herzchirurgie

Linzer JKU Forscher*innen testeten erfolgreich eine neue Prothese als Aortenbogenersatz.

Operation Professor Zierer
Operation Professor Zierer

Wie eine Autobahn, die Ausfahrten hat und in immer kleinere Straßen mündet: So kann man sich laut Herzchirurg Andreas Zierer die Körperschlagader vorstellen. Durch die sogenannte Aorta pumpt das Herz sauerstoffreiches Blut in den Körper, wo sich das System immer mehr verästelt und so alle Bereiche versorgt – vom Kopf bis zu den Zehen. Das drei Zentimeter dicke Blutgefäß verläuft vom Herzen aus in einem Bogen zuerst nach oben und dann nach unten. „Direkt aus dem Aortenbogen wird der Kopf mit sauerstoffreichem Blut versorgt“, sagt der Universitätsprofessor der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Deshalb sind Defekte an diesem Teil der Hauptschlagader besonders problematisch. „Musste man früher beim Aortenbogen operieren, lag die Sterblichkeit bei 30 Prozent. Manche Patienten saßen nach dem Eingriff im Rollstuhl“, sagt Zierer. Mit der Entwicklung spezieller Prothesen konnte das Sterberisiko auf 15 Prozent gesenkt werden. Der Aortenbogenersatz besteht aus einem weichen Kunststoffschlauch, der durch ein Drahtgeflecht verstärkt wird. Er ersetzt das natürliche Blutgefäß. An ihn muss die Blutversorgung des Gehirns wieder „angeschlossen“ werden.

Prothese rettet Leben
An einer internationalen Studie über die jüngste Generation dieser Prothese war die JKU laut dem Vorstand der Universitätsklinik für Herz-, Gefäß- und Thoraxchirurgie maßgeblich beteiligt: „Wir haben in zwei Jahren 38 der insgesamt 260 Studienteilnehmer*innen operiert und hatten somit die meisten Patient*innen.“ 25 Universitätszentren aus aller Welt, aus London, Hamburg oder Hongkong, waren beteiligt. Das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung ist beachtlich: Die Sterberate innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Eingriff  konnte auf fünf Prozent gesenkt werden. „Damit liegen wir im Bereich anderer Herzoperationen, wie etwa bei Bypass- oder Herzklappeneingriffen“, sagt Zierer.

Operationszeit halbiert
Das Besondere an der rund 40 Zentimeter langen Prothese: Das Material ist flexibler, das künstliche Blutgefäß lässt sich durch ein verfeinertes Design leichter annähen. „Früher hat der Kernteil der Operation rund eine Stunde gedauert. Durch die neue Prothese schaffen wir es in 30 Minuten“, sagt der Arzt, der in Linz mit zwei Kollegen die mehrstündigen Operationen durchgeführt hat. Dieses Ergebnis gilt als bahnbrechend, weil jeder Eingriff am Aortenbogen ein Wettlauf mit der Zeit ist: Bei anderen Herzoperationen wird dort die Herz-Lungen- Maschine angehängt. Weil das in diesem Spezialfall aber nicht möglich ist, wird nur das Gehirn durchblutet. Der restliche Körper wird auf eine Kerntemperatur von 28 Grad abgesenkt und so geschützt. "Dauert der Eingriff aber länger als eine Stunde, drohen Schäden – zum Beispiel an den Nieren oder dem Rückenmark“, erklärt der Professor. Wenn die Operation nur halb so lange dauert, sind die Überlebenschancen deutlich höher, der*die Patient*in kann auch die Intensivstation nach dem Eingriff früher wieder verlassen.

Zur Person
Der Vorstand der Universitätsklinik für Herz-, Gefäß- und Thoraxchirurgie an der JKU Linz hat in Innsbruck und Wien studiert. Der Chirurg arbeitete ab 2002 in Frankfurt und ab
2005 für zwei Jahre in den USA in Stanford und in St. Louis. An seiner Stellung schätzt der Herzchirurg sowohl Forschung als auch die Arbeit mit Patienten in Linz und Wels. Dass er wieder in der Heimat wohnt, freut den Welser. Der 49-Jährige ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen (16 und 7 Jahre) und einer Tochter (10 Jahre). Seine Freizeit verbringt er gerne mit der Familie und mit den beiden Labrador-Hündinnen. Auch Tennis und Skifahren gehören zu seinen Hobbys.