Obduktionen: COVID-​19 schädigt neben der Lunge auch andere Organe

COVID-​19 löst nicht nur schwere Lungenentzündungen aus, sondern kann auch Thrombosen in der Lunge verursachen.

Professor Sigurd Lax
Professor Sigurd Lax

Die vom Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 löst nicht nur schwere Lungenentzündungen aus, sondern kann auch Thrombosen in der Lunge verursachen und in weiterer Folge auch andere Organe wie Niere, Leber und die Bauchspeicheldrüse schädigen. Das zeigen die Ergebnisse einer ersten größeren Serie von Obduktionen in Österreich, die im Rahmen einer Studie an der Pathologie des Landeskrankenhauses Graz II, Standort West in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz, der Johannes Kepler Universität Linz und der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wurden. Die Studie wurde aktuell im Top-Journal Annals of Internal Medicine publiziert und mit einem Editorial gewürdigt.

Laut Sigurd Lax, Professor für Pathologie an der Johannes Kepler Universität Linz und Vorstand des Instituts für Pathologie des Landeskrankenhauses Graz II, einem Akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Graz, handelt es sich bei COVID-19 nicht um eine rein die Lunge schädigende Erkrankung. Er führte Obduktionen an COVID-19 Verstorbenen durch und wertete die Ergebnisse der ersten 11 Fälle gemeinsam mit seinem Grazer Team mit Kolleg*innen der Abteilungen für Innere Medizin und Anästhesiologie des LKH Graz II, dem Diagnostik- und Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der MedUni Graz, dem Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der KAGes und Michael Trauner von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien aus und meint: „Unsere Untersuchung zeigt, dass zwar die Schäden an der Lunge der Ausgangspunkt der Erkrankung sind, aber die Folge sind häufig Thrombosen im Lungenkreislauf selbst und es sind auch andere Organe geschädigt“.

Gefäßverschlüsse in der Lunge
Thrombosen (Gefäßverstopfung durch Blutgerinnsel) können wie beim Herzinfarkt und Schlaganfall Gefäße direkt verschließen und zu einem Gewebstod (Infarkt) führen.

Bei COVID-19 kommt es zwar direkt in den Lungenbläschen zu einer Entzündung, die Mitreaktion in den kleinen Arterien scheint aber häufig eine Blutgerinnung auszulösen, die speziell bei Patient*innen mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems zu einer Verlangsamung der Lungendurchblutung und in der Folge zu weiteren Thrombosen in der Lunge führen kann. Damit kommt es zu einem rasch voranschreitenden Versagen der Lungenfunktion und des Kreislaufs als unmittelbare Todesursache bei COVID-19.

Bei COVID-19 sind eine Reihe weiterer Organe wie Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Nebenniere und lymphatisches System mitbetroffen. „Wir sehen, dass es sich bei COVID-19 um eine schwere Infektionskrankheit handelt, die den gesamten Organismus beeinträchtigt“, erklärt Michael Trauner. Ob es bei Überlebenden schwerer Verläufe zu Langzeitschäden der betroffenen Organe kommen kann, ist noch unklar.

Andere Berichte über Patient*innen, die bei COVID-19 Thrombosen in den Beinvenen mit Lungenembolien sowie Schlaganfälle erlitten haben, untermauern, dass die erhöhte Thromboseneigung bei COVID-19 weitreichende Auswirkungen hat.

Nutzen von blutverdünnenden Medikamenten noch unklar
Die Rolle von blutverdünnenden Medikamenten zur Vorbeugung und Behandlung dieser Thrombosen ist noch nicht geklärt, da klinisch behandelte Patient*nnen ohnehin vorbeugend mit Blutverdünnern versorgt werden, diese aber die COVID-19-typischen Thrombosen in der Serie nicht verhindern konnten, streichen die Intensivmediziner*innen aus dem LKH Graz II hervor. Die Befunde der Studie unterstützen die Forderung von Gerinnungsspezialist*innen nach einer großzügigen und rechtzeitigen Indikationsstellung für eine Thromboseprophylaxe – auch bei nicht-hospitalisierten Patient*innen. Weitere Studien werden untersuchen müssen, ab wann und in welchem Umfang eine therapeutische Blutverdünnung abhängig von Laborbefunden und Bildgebung sinnvoll ist. Folgestudien sind notwendig, um die systemischen und lokalen Mechanismen im Lungenkreislauf aufklären, die zu diesen Thromboseneigungen führen, um daraus neue, wirkungsvolle Therapien zu entwickeln. 

Service: Annals of Internal Medicine
Pulmonary Arterial Thrombosis in COVID-19 With Fatal Outcome: Results From a Prospective, Single-Center, Clinicopathologic Case Series

Sigurd F. Lax, Kristijan Skok, Peter Zechner, Harald H. Kessler, Norbert Kaufmann, Camillo Koelblinger, Klaus Vander, Ute Bargfrieder, Michael Trauner.

https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/M20-2566, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Editorial: https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/M20-3255, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster