Prüfungsängste bewältigen

Frühsommer ist Prüfungszeit. Unsere Psycholog*innen zeigen, wie Sie heuer etwas gelassener durch die Prüfungszeit kommen.

Der Sommer steht vor der Türe, schön langsam kehrt wieder Normalität in den studentischen Alltag ein und auch die Prüfungszeit lässt nicht länger auf sich warten. Mit der Prüfungszeit kehren auch altbekannte Ängste in das Leben vieler Studierender zurück. Während für manche Studierende Prüfungen lediglich Herausforderungen bedeuten, die sie mit etwas Nervosität meistern, stellen sie für andere ein schier unüberwindbares Hindernis dar, welches von Gefühlen der Angst und Panik begleitet wird.

Im Folgenden möchten wir Ihnen psychologische Ansätze vermitteln, wie Sie heuer etwas gelassener durch die Prüfungszeit kommen. Die zentralen Elemente sind dabei Lern- und Arbeitstechniken, Entspannung und positive Gedanken.

Nehmen Sie sich Zeit für Lernplanung und Lerntechniken
Das beste Mittel gegen Prüfungsangst ist eine gute Prüfungsvorbereitung. Wenn Sie für eine Prüfung kaum gelernt haben, ist Ihre Angst vor Misserfolg nur berechtigt und lässt sich nicht so einfach besiegen. Überlegen Sie also, wieviel Zeit Sie für jede Prüfung zum Lernen benötigen. Erhöhen Sie diese Zeit noch einmal um 30 - 50 Prozent und erstellen Sie sich dann einen vernünftigen Lernplan. Durchschnittlich steht uns jeden Tag eine maximale Leistungsfähigkeit für intensives Lernen von sechs Stunden zur Verfügung. Da wir zwischendurch auch Pausen benötigen, ist von einer realen möglichen Arbeitszeit von bis zu acht Stunden täglich auszugehen. Kurze Pausen sollten bereits nach 30-45 Minuten eingelegt werden, größere Pausen nach zwei bis drei Stunden.

Laut der Lern- und Vergessenskurve von Hermann Ebbinghaus stehen den meisten Menschen von einmalig erworbenem Wissen nach zwei Tagen noch 20 bis 30 Prozent zur Verfügung. Unser Gedächtnis benötigt durchschnittlich fünf Lerndurchgänge, damit bisher unbekanntes Wissen dauerhaft gespeichert werden kann. Im Idealfall liegt der letzte Lerndurchgang eine Woche vor der Prüfung und die letzten Tage dienen nur noch der Auffrischung des Wissens.

Unser Tipp: Investieren Sie jede Woche eine halbe Stunde, um Ihre Prüfungsvorbereitung gezielt zu planen.

In den Tagen vor der Prüfung lohnt es sich, den Stoff unter Prüfungsbedingungen noch einmal abzurufen. Wenn Sie sich auf eine mündliche Prüfung vorbereiten, ist es sinnvoll, die Stoffgebiete in eigenen Worten zu formulieren und sich von Studienkollegen/innen mündlich abprüfen zu lassen. Wenn Sie für eine schriftliche Klausur lernen, können Sie beispielsweise, alte Prüfungsfragen zu einem oder mehreren Tests zusammenstellen und diese unter entsprechendem Zeitdruck bearbeiten.

Üben Sie Entspannungsverfahren
Angstsymptome werden vom autonomen Nervensystem gesteuert und sind deshalb willentlich nicht direkt beeinflussbar. Über den Umweg von Entspannungsverfahren können wir unserem Nervensystem jedoch einen alternativen Zustand anbieten.

Regelmäßiges, mindestens einmal tägliches Durchführen von Entspannungstechniken führt zu einer deutlichen Reduzierung von Anspannung und Stress. Je öfter man Entspannungsverfahren übt, umso rascher gelingt es auch, in Stresssituationen unseren Organismus zu beruhigen.

Eine Entspannungsübung, die sich gut für Lernpausen eignet, ist die „Ein-Ruhe-Atmung“ bei welcher sowohl Elemente der Suggestion als auch der Konditionierung zu tragen kommen. Setzen Sie sich dafür bequem auf einen Stuhl und schließen Sie die Augen oder richten Sie Ihren Blick zu Boden. Erlauben Sie sich ein paar tiefe Atemzüge und nehmen Sie zunächst nur wahr, wie der Atem durch Ihren Körper fließt. Machen Sie sich dann jedes Ein- und Ausatmen bewusst und beginnen Sie in Gedanken jedes Einatmen mit dem Wort „Ein“ und jedes Ausatmen mit dem Wort „Ruhe“ zu begleiten. Das Wort Ruhe kann natürlich je nach Vorliebe auch durch andere positiv assoziierte Wörter wie beispielsweise „loslassen“, „Erholung“, „Leere“ oder „relax“ ersetzt werden.

Je öfter Sie diese Übung durchführen, umso rascher wird Ihr Organismus auf Ihr jeweiliges Entspannungswort reagieren.

Unser Tipp: Nehmen Sie sich dreimal täglich fünf Minuten Zeit für eine Atemübung, um Ihrem Körper zu schulen auch in Belastungssituationen ruhiger zu bleiben.

Versuchen Sie positiv und realistisch zu bleiben
Es ist manchmal sinnvoll, die eigenen Gedanken zu hinterfragen und eventuell auch zu protokollieren. Welche Glaubenssätze, Einschätzungen und Interpretationen führen dazu, dass eine an sich fordernde Situation wie eine Prüfung zu einer gefühlten Überforderung wird? Werden die Fähigkeiten der anderen Personen tendenziell über- und die eigenen Fähigkeiten unterschätzt? Orientiert man sich mehr daran, was bisher misslungen ist, als an den Erfolgen? Wird Erfolg als Glück und Misserfolg als eigenes Versagen interpretiert?

Wenn Sie negative Gedanken identifiziert haben, kann es eine Möglichkeit sein, diese auf Karteikärtchen zu notieren. Auf der jeweiligen Rückseite können Sie dann neue, unterstützende Gedanken festhalten. Dabei ist darauf zu achten, dass diese alternativen Gedanken die gleichen Inhalte haben, wie die Angstgedanken und positiv formuliert werden (besser „ich habe gelernt mich zu beruhigen“ statt „ich habe keine Angst mehr“). Versuchen Sie auch, Ihre neuen Gedanken in eigene Worten zu fassen und realistisch zu bleiben (besser: „ich darf vor einer Prüfung auch nervös sein“ statt „ich bin ganz entspannt und freue mich auf meine Prüfung“). Wichtig ist, dass Sie Ihre alternativen Gedanken auch glauben können.

Unser Tipp: Wenn die Anspannung kurz vor der Prüfungssituation steigt, kann es hilfreich sein, die Kärtchen mit positiven Gedanken zur Hand zu haben und nochmals durchzulesen.

Während der Prüfung lassen Sie die Karteikärtchen lieber in der Tasche, damit sie nicht aus Versehen mit Schummelzetteln verwechselt werden. Aber vielleicht können Sie ein Symbol für sich auswählen (einen Schal, ein Armband oder bunte Socken), welches Sie unterstützt, sich an Ihre positiven Gedanken zu erinnern.

Falls Sie noch mehr Informationen zum Thema benötigen, können Sie voraussichtlich ab Herbst 2020 an der Psychologischen Studierendenberatung Linz wieder kostenlose Workshops zu den Themenbereichen „Prüfungsangst“, „Effektive Merktechniken“ und „Effizientes Lernen“ besuchen.

Weiterführende psychologische und psychotherapeutische Unterstützung

Ab sofort steht Ihnen die Psychologische Studierendenberatung Linz im Einzelsetting auch wieder persönlich zur Verfügung.

Termine für Beratungsgespräche erhalten Sie unter 0732 2468 7930.

Wir sind Montag bis Donnerstag von 7.30-15.30 Uhr und Freitag von 7.30- 13.30 Uhr für Sie erreichbar.