Tipps für Studierende zur Krisenbewältigung in Zeiten von COVID-19

Im ersten Teil der Serie wird mit Schwerpunkt "Gefühle" der Fokus auf den Umgang mit Ängsten und Sorgen gelegt

Für uns Menschen ist es ein grundlegendes Bedürfnis, dass wir das, was um uns herum passiert, nachvollziehen und beeinflussen können. Beides ist derzeit nur eingeschränkt möglich. Das Coronavirus stellt einen externen Stressor dar, der neu, unbekannt, unvorhersehbar und unberechenbar ist.

Die momentan herrschende Situation konfrontiert die Bevölkerung im Allgemeinen und natürlich auch Sie als Studierende mit vielen Fragen und Ungewissheiten. „Wie schnell wird sich das Coronavirus ausbreiten? Wird unser Gesundheitssystem den Anforderungen gerecht werden? Welche Auswirkungen werden die von der Regierung gesetzten Maßnahmen auf die Wirtschaft haben? Wie kann ich das Sommersemester abschließen? Wie kann ich mein Studium in Zukunft finanzieren? Mit welchen Herausforderungen und vielleicht auch Verlusten wird die eigene Familie zu kämpfen haben?“

Wie gut jede und jeder Einzelne mit diesen Fragen und Unsicherheiten umgeht, hängt von vielen individuellen Faktoren und den persönlichen Ressourcen ab. In diesem und den beiden folgenden Artikeln möchten wir Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, Ihre Sorgen und Ängste zu steuern und zu beeinflussen. Teil 1 wird sich mit der emotionalen Ebene auseinandersetzen. Im Teil 2 folgt der Umgang mit den eigenen Gedanken und Teil 3 wird Einflussmöglichkeiten auf der Verhaltensebene aufzeigen.

1. Gefühle bewusst wahrzunehmen schafft Gestaltungsmöglichkeiten

Die COVID-19 Krise löst in uns Menschen die unterschiedlichsten Gefühle aus. Manche Menschen haben Angst vor der Krankheit oder machen sich Sorgen über Ihre Zukunft. Andere sind wütend, verwirrt oder empfinden Stress, Langeweile, Neugier, Entlastung, Scham oder Verzweiflung. Und manchmal sind alle Gefühle zugleich da. So normal und verständlich diese Gefühle auch sind, so bedrohlich können sie erscheinen, wenn sie uns unkontrolliert überwältigen.

Unser Tipp: Erlauben Sie sich, Ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen und für sich in Worte zu fassen!

„Was ist es, was ich gerade empfinde? Wie stark ist diese Empfindung momentan? Wo in meinem Körper kann ich das Gefühl (die Angst, die Wut, etc.) wahrnehmen? Zu welchen Zeitpunkten werden meine Emotionen stärker und zu welchen schwächer? Wie sehr habe ich den Eindruck, dass meine Gefühle in meinem Einflussbereich liegen?“ Manchmal kann es hilfreich sein, eine innere Skala (0-10) der Intensität der eigenen Gefühle anzulegen. 0 wäre dann zum Beispiel „ich bin absolut sorglos und unbeschwert“ und 10 würde für „Ich bin so ängstlich, wie ich nur sein kann, mein Atem geht flach und ich zittere“ stehen.

Beobachten Sie sich dann selbst, wie sich Ihre innere Skala aufgrund Ihrer jeweiligen Aktivitäten (Nachrichten sehen, mit Freunden telefonieren, lernen, spazieren gehen etc.) verändert.

2. Bedürfnisse hinter Gefühlen zu erkennen ermöglicht Handlungsspielräume

Hinter jedem Gefühl bzw. hinter jeder Empfindung steht auch ein Bedürfnis. In Abhängigkeit von den Erfahrungen, die Sie in Ihrem Leben bisher gemacht haben, sind diese Bedürfnisse sehr individuell und unterschiedlich.

Unser Tipp: Stellen Sie sich die Frage: "Welches Bedürfnis steht hinter meiner Empfindung?"

Wenn Sie Angst empfinden, wünschen Sie sich dann jemanden, der Ihnen zuhört und Ihnen Sicherheit vermittelt oder lieber etwas Abstand oder Ablenkung? Wenn Sie wütend sind, möchten Sie sich dann emotional abreagieren und laut am Telefon schimpfen oder benötigen Sie eher Bewegung oder einen Mitmenschen, der Ihnen mit Gelassenheit entgegentritt? Wenn Sie traurig sind, wünschen Sie sich dann tröstende Worte oder möchten Sie lieber mit Ihrem Haustier kuscheln oder ein Tagebuch führen? Durch das Bewusstmachen dieser Bedürfnisse, können Sie erste Schritte tun, um von Ihren Emotionen nicht ganz überwältigt zu werden.

3. Über Gefühle sprechen ermöglicht Erleichterung und Verbundenheit

Menschen haben unterschiedlichste Möglichkeiten, mit ihren Gefühlen umzugehen. Vielleicht sind Schreiben, Malen und Zeichen, Musik machen oder andere kreative Tätigkeiten für Sie persönlich gute Wege, um Zugang zu Ihren Gefühlen zu finden und diese zu verarbeiten. Vielen Personen hilft es, mit ihnen nahestehenden und vertrauten Personen über ihre Gefühle zu sprechen, um Trost und Verständnis oder Unterstützung zu erhalten.

Unser Tipp: Sprechen Sie mit nahestehenden und vertrauten Personen über Ihre Gefühle!

Es kann hilfreich sein, sich und anderen gegenüber auch Gefühle der Schwäche einzugestehen. Höchstwahrscheinlich erleben Ihre Mitmenschen ähnliche Gefühle wie Sie. Sich darüber auszutauschen, kann sehr entlastend wirken und viele als bedrohlich wahrgenommene Informationen können relativiert werden.

Aus der Stressforschung ist bekannt, dass soziale Kontakte einen entscheidenden Faktor für den erfolgreichen Umgang mit Stress darstellen. Aus diesem Grund empfehlen wir Ihnen „Spatial Distancing“ (räumliche Distanz zu Ihren Mitmenschen einzuhalten) anstatt „Social Distancing“ (soziale Kontakte generell einzustellen). Versuchen Sie weiterhin, Ihre sozialen Kontakte zu pflegen, zum Beispiel telefonisch oder über Videotelefonie, und erlauben Sie sich auch positive Gesprächsinhalte und ein bisschen „Normalität“, indem Sie über Serien, Kochrezepte oder Ihre neu gefundenen Freizeitaktivitäten sprechen.

Wenn Ihnen Ihr soziales Umfeld aufgrund eigner Ängste nur wenig bis keine Hilfe und Unterstützung bieten kann, stehen Ihnen die Psychologische Studierendenberatung sowie die Krisenhilfe, die Telefonseelsorge oder die Helpline des Berufsverbandes Österreichischer Psycholog*innen mit professioneller Unterstützung zur Verfügung.

 

Termine für telefonische oder online Beratungsgespräche via zoom.us mit Psychologinnen und Psychotherapeutinnen der Psychologischen Studierendenberatung Linz erhalten Sie unter 0732-2468-7930. Wir sind Montag bis Donnerstag von 7.30-15.30 Uhr und Freitag von 7.30- 13.30 Uhr für Sie erreichbar.