Treu und untreu zugleich: Über das Beziehungsleben von Antikörpern

Unser Immunsystem schützt unseren Körper ein Leben lang vor eindringenden Krankheitserregern. Eine wesentliche Funktion übernehmen dabei die Antikörper in unserem Blut. Diese binden sich an Krankheitserreger, um sie zu bekämpfen – ein Vorgang, den DI Jürgen Strasser vom Institut für Biophysik genauer untersucht hat. Seine Erkenntnisse präsentiert er beim Finale des Wilhelm-Macke-Awards am 31. März 2016.

DI Jürgen Strasser, BSc
DI Jürgen Strasser, BSc

Diese besonderen Regionen auf der Oberfläche von Krankheitserregern, an denen sich die Antikörper binden, heißen Epitope. Jüngste Studien haben allerdings gezeigt, dass die Antikörper nicht einfach still sitzen bleiben, wenn sie ein Epitop (etwa auf einem Virus) gefunden haben. Stattdessen springen sie von einem Bindungspartner zum nächsten. Genau dieser Widerspruch von fester Bindung auf der einen und Wanderlust auf der anderen Seite war der Anstoß für Strassers Arbeit: Er untersuchte mit Einzelmolekül-Kraftspektroskopie die Stabilität von Antikörper-Epitop Bindungen.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet
„Mit dieser Technik können wir den Antikörper kontrolliert und auf 1 Millionstel Millimeter genau einem isolierten Ziel nähern, sodass die beiden Partner miteinander interagieren können, ohne dass es zum Wandern des Antikörpers kommt“, erklärt Strasser. „Zieht man später das Paar wieder auseinander, kann man aus der dafür nötigen Kraft Informationen über die Stabilität der Bindung gewinnen.“
Dabei fand Strasser, dass die Bindung umso stabiler wird, je mehr Zeit Antikörper und Epitop miteinander verbringen können. „Antikörper lassen sich also etwas Zeit, bevor sie sich ewig binden“, lächelt er.

Gezieltere Krankheitsbekämpfung möglich
Diese Erkenntnis ermöglicht im Weiteren auch Überlegungen zum Wanderverhalten auf Krankheitserregern: Die Zeit, die ein wandernder Antikörper bei einem Partner bleibt, ist viel kürzer als diejenige, die für den Übergang von einer ersten zu einer festen Bindung benötigt würde. Solange der Antikörper also mehrere Partner zur Auswahl hat, bleibt es bei vielen kurzen Bekanntschaften.

Ausgerüstet mit diesem Wissen über den Zusammenhang von Kontaktzeit und Bindungsstärke sowie darüber, wie sich die Mobilität von Antikörpern auf die Immunreaktion auswirkt, könnten in Zukunft gezielt effektivere therapeutische Antikörper entwickelt werden.