Studierende präsentieren ihre „Ideen für eine Universität der Zukunft“ im Rahmen der Festival University von JKU und Ars Electronica

Zentrales Thema dabei: Wie sollen Lernen und Lehren an einer „Universität der Zukunft“ aussehen?

v.l.: Stocker, Gabriel, Merle, Chiara, Nathan, Kai Jui, Lukas
v.l.: Stocker, Gabriel, Merle, Chiara, Nathan, Kai Jui, Lukas

Diese Frage wird derzeit im Kontext der Gründung einer neuen Technischen Universität in Oberösterreich intensiv diskutiert. Studierende der ersten Festival University von Johannes Kepler Universität Linz und Ars Electronica präsentieren im Deep Space im Ars Electronica Center nun ihre Ideen und Visionen dazu. Es entsteht ein authentischer, internationaler und unbefangener Blick, dessen Essenz in die Ausgestaltung und Entwicklung einer neuen Universität unbedingt einfließen sollte.

Die erste internationale Festival University, das neue visionäre Gemeinschaftsprojekt der Johannes Kepler Universität Linz und Ars Electronica, zeigt als Feldversuch und Prototyp einer „Uni der Zukunft“ eindrucksvoll, welches Potenzial die Gründung einer neuen Universität in Oberösterreich im 21. Jahrhundert hat:

„Es entsteht eine unglaubliche schöpferische Kraft, wenn Wissenschaft und Kunst gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen. Daraus wurde von der JKU und Ars Electronica die erste internationale Festival University geboren. Dieses gemeinsame ,Baby‘ wuchs über die letzten drei Wochen heran und sammelte wertvolle Erfahrungen, die in die Ausgestaltung und Entwicklung der neuen Technischen Universität in Oberösterreich unbedingt einfließen sollten,“ erklärt JKU Rektor Meinhard Lukas.

Und ergänzt weiter: „Aus 230 Bewerber*innen haben wir 100 Studierende aus 40 Ländern für die Festival University ausgewählt. Ihre fachlichen Hintergründe sind divers und reichen von Sozial- und Naturwissenschaften über Kunst bis zu Wirtschaft, Recht oder Technik. Angeleitet von international renommierten Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Manager*innen erlebten sie in den letzten drei Wochen ein spannendes und innovatives Programm, das fachliche Grenzen überwand und neue Technologien, Wissenschaft und Kunst mit den großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit vereinte.“

Ebenfalls angetan von der ersten Festival University zeigt sich Gerfried Stocker, künstlerischer Geschäftsführer von Ars Electronica: „Die letzten drei Wochen waren nicht zuletzt deswegen sehr spannend, weil der Outcome eines Pilotprojekts wie der Festival University weder plan- noch vorhersehbar ist. Genau das ist aber auch der springende Punkt. Man kann über die Universität des 21. Jahrhunderts trefflich philosophieren, man kann Expert*innen konsultieren und sich Best-Practice-Beispiele ansehen – und das sollte man zweifelsohne auch tun. All das ersetzt aber keinen Feldversuch, wie wir ihn gemacht haben. Die Festival University war der erfolgreiche Versuch, mit jungen ambitionierten Menschen aus aller Welt nicht nur über zeitgemäßes Lernen und Lehren zu reden, sondern zeitgemäßes Lernen und Lehren zu proben: Nicht nur an einer Universität, sondern rund um und inmitten eines Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft. Nicht nur im Hörsaal, sondern in einem Industriebetrieb wie der voestalpine, einem spirituellen Ort wie dem Stift St. Florian und einer Gedenkstätte wie dem KZ Mauthausen. Und nicht nur mit Professor*innen des eigenen Fachs, sondern mit Künstler*innen, Designer*innen und Aktivist*innen. Wie viel die Studierenden davon mitnehmen, machen ihre tollen Ergebnissen sichtbar.“

Gemeinsam über den Tellerrand schauen
Die Stipendiat*innen der Festival University kommen u.a. aus Italien, Guatemala, Vietnam, Montenegro, Japan, Ägypten, Taiwan, Österreich, Deutschland oder den USA und sie studieren Kunst, Technik, Sozial- oder Naturwissenschaft, Wirtschaft oder Recht. Unter dem Motto „Transform your world“ entwickeln sie seit 30. August in Hands-on Workshops, interaktiven Talks und spannenden Vorträgen zu sechs Schwerpunktthemen (eine Gruppe arbeitet online zu „Investigative Journalism“, die anderen fünf Gruppen befassen sich vor Ort in Linz mit den Themen „Autonomous Vehicles“, „Circular Economy“, „Creative Robotics“, „Drones & Swarm Behavior“ und „Transforming the Body“) Strategien und Tools um wirkungsvoll Veränderung anzustoßen. Angeleitet werden sie dabei von international renommierten Wissenschaftler*innen, Künstler*innen oder Manager*innen, wie z.B. Josef Penninger, Kilian Kleinschmidt, Joseph Herscher oder JKU Professorinnen Elke Schüßler und Cristina Olaverri-Monreal.

Das ambitionierte Programm der Festival University nutzt die Expertise und die räumlichen Ressourcen der JKU und das internationale Netzwerk von Ars Electronica – und verbindet das mit den Möglichkeiten in Linz und Umgebung. Die Teilnehmer*innen besuchen die voestalpine Stahlwelt, das Stift St. Florian und die KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

Heute, am 17. September, präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse und geben Einblick in drei ereignisreichen Wochen:

“Es gab überwältigende und inspirierende persönliche Momente und Begegnungen bei der Festival University. Das hat nach einer Zeit, die von Distance Learning geprägt war, wirklich gut getan.“ erzählt Nathan,22, aus Frankreich, er studiert Industrie Design an der Technischen Universität in Eindhoven.

Und Merle, 23, aus Deutschland, sie studiert an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt Oder, ergänzt: “Damit wir wirksam Veränderung und Fortschritt anstoßen können, müssen wir in Dialog kommen - es braucht unterschiedliche Meinungen und Ansichten. All das war bei der Festival University möglich und es hat mich begeistert.“

Architekt*innen der „Universität der Zukunft“
Woraus speist sich die Attraktivität einer Universität im 21. Jahrhundert und wofür steht sie? Was fehlt Studierenden an den Universitäten, an denen sie heute ausgebildet werden, was würden sie anders gestalten, wenn sie könnten? Im Rahmen eines ganztägigen Workshops skizzierten die Teilnehmer*innen der Festival University die für sie wichtigsten Merkmale einer „Universität der Zukunft“.

Ein Satz, der dabei fällt ist: “It doesn’t matter what a person learns, but what they do with this knowledge.” Die Studierenden sind der Meinung, dass die „Uni der Zukunft” immer die Gesellschaft als Ganzes im Blick haben muss. Neue Technologien und Errungenschaften dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen im Kontext ihrer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und Folgen betrachtet werden.

Außerdem soll die „Uni der Zukunft“ auf diesem Fundament gebaut werden:

Diversität auf allen Ebenen

Die Studierenden wünschen sich ganz klar eine bunte und vielfältige Universität, an der das mit- und voneinander Lernen im Mittelpunkt steht. Vielfalt ist ein Vorzug – Studierende und Lehrende sollen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Kulturen und Regionen stammen.

Professor*innen sind (auch) Mentor*innen

Die Lehrenden sollen hinter der Matrikelnummer den Menschen sehen und die Studierenden nicht nur fachlich, sondern auch persönlich begleiten und fördern. Neben einer akademischen Karriere sollen Professor*innen auch über praktische Erfahrungen verfügen und diese in den Unterricht einbringen.

Chiara, 23, aus Italien, sie studiert Industrie Design an der Universität Johannesburg sagt: „Wir sind leidenschaftliche Studierende, daher brauchen wir leidenschaftliche Professor*innen - die nicht nur verstehen, sondern wirklich mit allen Sinnen leben was sie tun.“ Und weiter: „Gerade bei einer neuen Universität, muss es echte offene Feedback-Kanäle geben. Studierende und Professor*innen müssen mit- und voneinander lernen.“

Fachliche Grenzen niederreißen

Interdisziplinarität steht hoch im Kurs. Biologie und Kunst, Technik und Literatur oder Robotik und Tanz – das alles darf kein Widerspruch sein. Ganz im Gegenteil: Die „Uni der Zukunft“ ermöglicht nicht nur einen Dialog, sondern fördert die Liaison zwischen den Disziplinen. Es geht um gemeinsames gestalten, entdecken und forschen - fächerübergreifende Lehrpläne und Projekte sind fixer Bestandteil des Studiums.

Kai-Jui, 20, studiert ein Interdisziplinäres Programm für Technologie und Kunst an der National Tsing Hua Universität in Taiwan sagt dazu: „Die Verbindung von unterschiedlichen Menschen und ein interdisziplinärer Ansatz sind für mich wichtige Bausteine bei der Gründung einer neuen Universität.“

Mitsprache und Gestaltungsraum

Die jungen Menschen möchten aktiv ihr Studium gestalten und wünschen sich daher eine entsprechende Flexibilität und Individualität der Lehrpläne. Dafür braucht es nicht zuletzt Wahlmöglichkeiten zwischen on- und offline Kursen, muttersprachliche Kurse oder Angebote für berufsbegleitende Studien.

Transparenz

Die Studierenden möchten eine Uni auf Augenhöhe und dafür ist ihnen Transparenz wichtig. Zum einen hinsichtlich Auswahlverfahren und Notengebung. Zum anderen wünschen sie sich eine Offenlegung der Struktur und der Finanzierung – gerade im Bereich der Projektförderungen.

Es geht um mehr als nur fachliche Expertise

Die „Uni der Zukunft“ soll keine akademische Blase sein. Sie soll Studierende ganzheitlich auf das (Berufs-)Leben vorbereiten und deshalb nicht nur fachlich ausbilden, sondern sie auch persönlich reifen lassen. Dafür möchten die Studierenden einerseits Kurse, die sie mit wichtigen Soft Skills ausstatten (z.B. wie man mit Stress umgeht, Resilienz etc.). Andererseits erwarten sie auch Hands- on Workshops oder verpflichtende Berufspraktika.

Klimaneutralität zählt

Der ökologische Fußabdruck der „Uni der Zukunft“ ist den Studierenden wichtig. Sie wünschen sich eine Uni, die sich aktiv für Nachhaltigkeit und Klimaprojekte einsetzt und diese auch am Campus lebt.

Ein Resümee
„Linz hat alle Voraussetzungen, um zu einem internationalen Zentrum der digitalen Renaissance zu werden - die neue TU OÖ kann dafür eine Trägerrakete sein. Dafür muss die Politik den Mut haben, mit Konventionen zu brechen. Interdisziplinarität und Internationalität müssen zu gelebten Eckpfeilern der neuen Universität werden. Nur so geben wir jungen Menschen die Werkzeuge und Fähigkeiten, mit denen sie unsere Welt in ihrer Komplexität erfassen und somit wirkungsvoll den Herausforderungen unserer Zeit begegnen können. Geschaffen aus dem Pioniergeist der JKU und Ars Electronica hat die Festival University als Feldversuch gezeigt, wie das gelingen kann,“ so Rektor Lukas.

Gerfried Stocker knüpft daran an: „Würden wir hier und heute ‚Schule‘ neu erfinden, hätte das Ergebnis wohl nicht viel gemein mit jenem System, das auf Maria Theresias Reformen von 1774 zurückgeht. Wenn wir hier und heute eine Universität des 21. Jahrhunderts gründen wollen, kann das ebenfalls kein ‚more of the same‘ sein, sondern muss zwangsläufig einem anderen und neuen Denken folgen. Mit unserer Festival University wollten wir jene adressieren, die genau dieses Denken mitbringen – junge Menschen zwischen 16 und 24 aus aller Welt, die etwas bewegen wollen. Was sie, inspiriert von Künstler*innen, Forscher*innen, Designer*innen und Aktivist*innen, die vergangenen drei Wochen erprobt, diskutiert und erarbeitet haben, ist kein Konzept, Organigramm oder Lehrplan für eine Universität des 21. Jahrhunderts. Es ist eine Orientierungshilfe, wie wir Lernen und Lehren an einer solchen Universität begreifen und etablieren müssen, um unsere Wissensgesellschaft voran zu bringen.“

 

Fakten zur Festival University

  • Die Festival University ist eine internationale hybride Sommeruniversität, initiiert von der JKU und Ars Electronica.
  • Zeitraum: 30. August bis 17. September 2021
  • Ort: Die erste Woche fand online, die zweite und dritte Woche fanden präsent am Campus der Johannes Kepler Universität Linz statt.
  • Teilnehmer*innen:
    • 100 Schüler*innen und Studierende zwischen 16 und 29 Jahren aus 40 Ländern weltweit, u.a. Ägypten, Guatemala, Deutschland, Vietnam, USA, Montenegro und Österreich, nehmen teil. Sie erhielten ein Stipendium, das Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung deckt.
    • Es haben sich insgesamt 230 Schüler*innen und Studierende für diese 100 Plätze beworben.
    • Angesichts der durch Corona bedingten Reisebeschränkungen wurde einzelnen Teilnehmer*innen auch eine gänzliche digitale Teilnahme ermöglicht.
  • Programm:
    • Im Zentrum der Festival University steht die Frage, wie die Studierenden globale Herausforderungen bewältigen und Veränderung anstoßen können. Jede Woche hatte dabei ein anderes Motto: Woche 1 - Unser Denken hinterfragen, Woche 2 - Erweitere deinen Horizont, Woche 3 - Die Zukunft gemeinsam gestalten.
    • Hands-on Workshops, interaktive Talks und spannende Vorträge mit internationalen Expert*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Manager*innen (wie z.B. Josef Penninger, Elke Schüßler, Joi Ito, Panashe Chigumadzi, Joseph Herscher, Stefano Rossetti, Adam El Rafey, Cristina Olaverri-Monreal oder Kilian Kleinschmidt) vermitteln Wissen über neue Technologien und innovative (Kommunikations-)tools und regen die Teilnehmer*innen an, fachliche Grenzen zu überwinden.
    • Abgerundet wird das Programm durch Ausflüge und Exkursionen in und rund um Linz, wie z.B. in die voestalpine, die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und das Stift St. Florian.
  • Finanzierung:Das Programm der Festival University wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie vom Land Oberösterreich mit 440.000 Euro gefördert.
  • Covid-19 Sicherheitsvorkehrungen: Die Festival University wird gemäß den COVID-19 Richtlinien der österreichischen Bundesregierung durchgeführt. Darüber hinaus werden alle beteiligten Personen regelmäßig getestet, auch wenn eine vollständige Immunisierung oder Impfung vorlag. Die Testmöglichkeiten befinden sich entweder vor Ort oder entsprechende Testkits werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Ebenso wird auf Abstände geachtet und es stehen Desinfektionsmittel und MNS-Schutz für alle Teilnehmer*innen zur Verfügung.

 

Mehr Infos: www.jku.at/festival-university, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

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