Zärtliche Utopie

Feinsinnige Gedanken, bedächtige Erkenntnisse und zärtliche Klänge prägten die erste Lange Nacht der Utopie.

Lange Nacht der Utopie
von links: Kepler Salon Intendant Norbert Trawöger, Schriftstellerin Valerie Fritsch, Historiker und Autor Philipp Blom, Burgschauspielerin Dörte Lyssewski und JKU Rektor Meinhard Lukas

Die Burgschauspielerin Dörte Lyssewski, die Schriftstellerin Valerie Fritsch, der Historiker Philipp Blom und der CHORUS SINE NOMINE verzauberten gestern den neuen Bibliotheksplatz der JKU in einen Platz der Utopie. Nicht die große Gesellschaftsvision, sondern eine reflektierte Perspektive war das bestimmende Moment.

Nachdem Dörte Lyssewski am Nachmittag für Kinder und Junggebliebene aus Erich Kästners „Der 35. Mai“ las, eröffnete sie den Abend mit Grillparzer. Sie las den Schlussmonolog der Libussa aus dem gleichnamigen Trauerspiel. Damit waren zugleich alle Unbilden der menschlichen Zivilisation angesprochen, die es heute mehr denn je zu überwinden gilt. Philipp Blom deutete die Utopie als Landkarte: Sie weise nur die Richtung, ohne die künftige Wirklichkeit korrekt abzubilden. Valerie Fritsch plädierte in dem eigens für diesen Abend verfassten Text für eine „Zärtliche Welt“:

„... ich denke gerne an eine ganze zärtliche Welt, in der nicht das Archaische, aber das Grobe verblasst, man die verwirrenden Gleichzeitigkeiten und
Widersprüche des auf der Welt-Seins aushält, an den aufrechten Buchrücken Rückgrat lernt, weiß, dass Leben nicht linear ist, man zart ist miteinander,
ungestüm, und weich trotz Erfahrung, in der man wünscht und handelt, frei und ungebeugt empfänglich ist für das Schöne und den Schmerz, durchlässig für ein ungefügiges Glück und wilde Ideen.“

Der von Johannes Hiemetsberger geleitete CHORUS SINE NOMINE
umrahmte mit wunderbaren Gesängen den utopischen Abend. Er endete mit einem von Dörte Lyssewski ausgewählten Text des Schriftstellers und Philosophen Jean Paul (1763 - 1825): „... es muss einen Gott - eine Tugend und eine Ewigkeit geben“.