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United Micro Technology: Ein internationales Start-up am globalen Chipmarkt

Vor einem Jahr wurde United Micro Technology (United Micro) gegründet. Das internationale Start-up mit Firmensitzen in China, Europa und den USA entwickelt Internet-of-Things (IOT) Modems für 5G und zukünftig 6G. Das Team in Linz entwickelt dafür die Hochfrequenztechnikchips. Leider wird das OIC bald zu eng für das rasant wachsende Jungunternehmen, sodass es Ende 2025 seinen eigenen Standort in Linz bezieht. Bis dahin freuen wir uns aber, Thomas und sein engagiertes Team, bei seiner Success Story im OIC begleiten zu dürfen! Anlass genug für ein Gespräch zwischen Elisabeth Ulbrich sowie Valentina Schmelzer (OIC) mit Thomas Lüftner, Vice President für RF und Programme.

Thomas Lüftner Interview

EU: Lieber Thomas, danke für deine Bereitschaft zum Gespräch. Möchtest du uns erzählen, wie es dazu kam, dass du jetzt mit United Micro erfreulicherweise erneut ins OIC gezogen bist nachdem du ja als CTO und Research Division Head bei Silicon Austria Labs (SAL) bereits OIC- Member warst?

TL: United Micro ist ein Start-up von ehemaligen Kolleg*innen. Gemeinsam haben wir bei Infineon Technologies und später bei Intel Modem-Chips entwickelt, zuerst im 2- und 3G-, später im 4- und 5G-Bereich, und zwar für Geräte wie Siemens Mobile, Samsung Galaxy S und iPhone.

Nachdem der Wireless-Bereich von Intel an Apple verkauft wurde, haben wir beschlossen, einfach wieder das zu machen, was uns Spaß macht, nämlich Modem-Chips zu entwickeln. Diesmal 4G- und 5G-Modem-Chips für das Internet of Things (IoT), also Chips für alles außer Smartphones, für PCs bis hin zu Anwendungen in Autos und der Industrie.

Heute ist unser internationales Start-up an sechs Standorten weltweit vertreten, darunter zwei Standorte in China (Shenzhen und Xian), drei in Europa (München, Dresden, Linz) und ein Standort in den USA (Austin).

EU: Eure Firma ist momentan im Bereich 5G tätig. 6G wird bereits in den Medien diskutiert. Wie siehst du die Entwicklung? Welches Potential siehst du für die Zukunft und warum ist hier die Nähe zur Universität relevant?

TL: 5G bringt eine neue Dimension, denn es geht nicht mehr nur um Modems für Handys. Die Anwendungen sind vielfältiger, einschließlich Automobiltechnik, Industrie und verschiedene Konsument*innen-Anwendungen. Wir steuern 6G an, aber momentan liegt unser Geschäftsschwerpunkt bei 5G. Unsere ersten Produkte werden 2025/2026 auf den Markt kommen, bevor 6G existiert.

Die Anwendungen von 6G werden ähnlich sein wie bei 5G. Technisch: 5G nutzt teilweise schon hohe Frequenzen im Millimeterwellen-Bereich, wie sich das bei 6G weiterentwickeln wird, ist noch unklar. Glücklicherweise sind wir in Linz in der Nähe von Forschungseinrichtungen wie der Universität und den Silicon Austria Labs (SAL), was uns hilft, den Forschungstrend zu erkennen und in unseren Produkten umzusetzen.

EU: Im OIC haben wir eine Pilotfabrik. Kannst du anhand eines einfachen Beispiels erklären, was diese technischen Entwicklungen bedeuten?

TL: SAL hat hier in der LIT Factory ein eigenes 5G-Privatnetzwerk aufgebaut, das heißt, sie haben kleine Funkstationen für 5G installiert. Diese Funkstationen können mit Maschinen kommunizieren. Die Maschinen benötigen eine Art Gegenstelle, ein Modem, um mit diesen Funkstationen zu sprechen. Genau das sind die Modem-Chips, die wir entwickeln. Wir integrieren diese Chips direkt in Industrieanlagen. Das ermöglicht, Sensordaten von Maschinen an Funkstationen zu senden, das wiederum eine gezielte Automatisierung und Überwachung der Industrieanlagen. Zum Beispiel könnte ein Roboter in der Fabrik herumfahren. Dieser Roboter benötigt einen Modem-Chip, den wir als United Micro bereitstellen können. So kann drahtlos mit den Geräten kommuniziert werden, und das nennt man Sensor-Netzwerke. Da ich als CTO bei SAL dieses 5G-Privatnetzwerk mitinitiiert habe, schließt sich für mich der Kreis.

EU: Das hört sich sehr spannend an. Ihr habt Linz als Standort gewählt, du lebst hier, also ist das wohl einer der Faktoren, die für Linz sprechen. Wie ist deine Einschätzung zum Wirtschaftsstandort Oberösterreich und zum Mikroelektronik-Ökosystem in Linz?

TL: Stimmt, United Micro hat sich auch wegen mir in Linz angesiedelt, aber es geht vor allem um das Netzwerk und die Expertise in der Hochfrequenztechnik, vor allem in der Mikroelektronik. Linz hat sich hier global einen beachtlichen Platz erarbeitet. Diese geballte Fachkompetenz findet man weltweit nur noch in San Diego und München. Linz mag klein sein, aber hier ist vor 25 Jahren mit dem JKU Spin-Off Danube Integrated Circuit Engineering (DICE), einer Beteiligungsgesellschaft der Infineon, Erstaunliches entstanden. Hier haben wir auch die Silicon Austria Labs gegründet, mit Fokus auf Hochfrequenztechnik. Es geht um die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sowie um die Nähe zur Forschung der JKU und den Silicon Austria Labs.

Allerdings mangelt es an Fachkräften. Die JKU kann den hohen Bedarf der Industrie nicht alleine decken. Deshalb rekrutieren wir – ähnlich wie Silicon Austria Labs – verstärkt international.

VS: Möchtest du deine spezifischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei United Micro Technology als Vice President für RF und Programme näher erläutern?

Wir sind ein Team von fünf Gründern, und ich bin Teil des weltweiten Führungsteams. Ich bin damit einerseits für die Führung des Gesamtunternehmens United Micro mitverantwortlich und andererseits kümmere ich mich als einer der beiden Geschäftsführer unserer United Micro Technology GmbH mit Sitz in München um vielfältige operative Angelegenheiten für die europäischen Standorte, wie den Aufbau von Personal- und Kommunikationsabteilungen, IT-Infrastruktur und mehr.

Weltweit trage ich für United Micro die funktionale Verantwortung für den Bereich Hochfrequenztechnik (RF), der hier in Linz konzentriert ist. Unsere Hauptaufgabe ist die Entwicklung von Hochfrequenztechnik-Chips für Modems – von Konzeption und Schaltungsentwurf bis hin zum Layout. Die Fertigung der Chips erfolgt in sogenannten Foundries wie z.B. GlobalFoundries oder TSMC. Danach testen und integrieren wir die Chips auf Platinen, anschließend vermessen und qualifizieren wir sie in einem Hochfrequenz-Messlabor in Linz.

Der Begriff „Program" steht für Programmmanagement: Hier geht es darum, alle Aspekte zusammenzuführen, damit nicht nur die RF-Funktionalität, sondern auch das Baseband sowie die Software des Modems reibungslos zusammenarbeiten.

VS: Was macht United Micro Technology einzigartig und wie erklärst du dir das rasante Wachstum des Unternehmens?

TL: Was uns einzigartig macht, ist das Team das wir weltweit wieder zusammenbringen konnten. Wir verfügen über langjährige Erfahrung und Kompetenz, Mobilfunk-Chips zu entwickeln. Im Durchschnitt verfügt unser erweitertes Führungsteam über 20 Jahre Industrieerfahrung. Wir haben weltweit schon über 100 Mitarbeiter*innen, wovon ca. 70% ehemalige Kolleg*innen sind. Semiconductor-Start-ups sind weltweit rar gesät, in Europa und sogar in China sind wir einzigartig. Die meisten Semiconductor-Start-ups sind lokal begrenzt. Ein internationales Start-up wie unseres in dieser Form ist echt etwas Besonderes.

VS: Euer Unternehmen hat Standorte in China, Europa und den USA. Welche Chancen stecken in einer internationalen Zusammenarbeit dieser Größe für das Linzer Team?

TL: Für uns ist diese Zusammenarbeit äußerst positiv. Zum einen, weil es in Europa an Venture Capital mangelt. Sowohl in China als auch im Silicon Valley stehen finanzielle Mittel für Start-ups zur Verfügung, von denen wir profitieren und die in Europa nicht zu lukrieren wären. D.h. unsere Finanzierung erfolgt vorwiegend durch chinesische Investoren, und wir konnten jetzt auch einen prominenten amerikanischen Investor gewinnen. Gleichzeitig bietet China einen enorm schnellen Wachstumsmarkt und ist führend bei Innovationen, insbesondere bei der Einführung neuer 5G-Standards. Dies ermöglicht uns nicht nur, den chinesischen Markt zu bedienen, sondern auch global erfolgreich zu agieren. Dieser Zugang zum Markt ist für uns äußerst wertvoll.

EU: Und wie siehst du das geopolitische Konkurrenzverhältnis zwischen Europa und China? Was ist deine Position dazu?

TL: Das eigentliche Konkurrenzverhältnis besteht eher zwischen den USA und China. Aus meiner Sicht handelt es sich um einen Wettbewerb. Der Halbleitermarkt ist global ausgerichtet. Ein Buch, das ich gerade gelesen habe – „Chip-War“ – beschreibt, wie der weltweite Halbleitermarkt entstanden ist und wie stark die Lieferketten miteinander verflochten sind. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass China, Europa oder die USA allein die gesamte Logistik für die Chip-Entwicklung bewältigen könnten. Die Fabriken stehen größtenteils in Taiwan, die Software für die Chip-Entwicklung kommt hauptsächlich aus den USA und die Hochfrequenztechnik hat ihren Schwerpunkt unter anderem in Linz. Für die Wafer-Fertigung benötigt man Lithografie, dafür gibt es eine Firma in den Niederlanden. Die Industrie ist global vernetzt, unsere Ausrichtung ist ebenfalls global, also ich sehe das entspannt.

EU: Das heißt, Bestrebungen, dass man sich als EU oder Europa unabhängig macht…?

TL: Den Begriff Unabhängigkeit finde ich da völlig falsch, völlig fehlgeleitet und Politiker*innen haben da oft keine Ahnung. Wettbewerbsfähig muss man sein, um in dieser globalen Industrie mitspielen zu können. Das ist der richtige Ansatz. Ein gutes Beispiel dafür ist das, was wir in Linz mit den Silicon Austria Labs gemacht haben: Wir haben in das Hochfrequenzthema investiert, um internationale Investoren anzuziehen. Damit konnte ich auch United Micro nach Linz holen, Arbeitsplätze schaffen und hochqualifizierte Fachkräfte einstellen.

EU: Wir sind froh, dass du mit deinem Start-up wieder zurück ins Open Innovation Center gekommen bist. Was waren deine Beweggründe dafür?

TL: Das Open Innovation Center ist für uns ein Ort voller positiver Energie und als solcher für ein Start-up wie unseres perfekt, um zu wachsen. Wir können Tische einzeln mieten, es ist ein dynamisches Umfeld, die vorhandene Infrastruktur ist super und es gibt alles, was man benötigt. Wir sind wirklich gerne hier. Es ist eine großartige Einrichtung.

ERU: Was sind deine Erfolgsgeheimnisse für jemanden, der ein Unternehmen aufbaut?

TL: Ich glaube, am Ende des Tages geht es um Geschwindigkeit, dass man eine richtige Trajektorie hat – das ist wichtig bei einem Start-up. Jeden Tag geht es weiter, jeden Tag treffen wir Entscheidungen und schauen, dass es voran geht. Wenn man ein Unternehmen für Chipentwicklung aufbaut, ist man viel Skepsis ausgesetzt. Am Anfang steht ein riesiger Berg Arbeit vor einem, aber man muss ins Tun kommen und profitiert vom akkumulierenden Effekt. Und auf einmal ist das riesig. Wir haben im August vor einem Jahr gegründet: Damals habe ich ein Foto von einem leeren Tisch im OIC gepostet. Mittlerweile zählen wir weltweit 100 Mitarbeiter*innen und sind voll in der Entwicklung.

Es ist entscheidend, dass man Dinge tut, die einen Unterschied machen. Ich glaube, in einem Start-up kann man sich den ganzen Tag mit Themen beschäftigen, die keinen Unterschied machen. Ich glaube, man muss sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren.

Und schließlich ist das Team entscheidend. Du brauchst Teammitglieder, mit denen du gerne zusammenarbeitest, die einen Teamgeist haben und gemeinsam etwas erreichen wollen. Letztendlich geht es darum, im Team etwas zu bewegen, denn das macht den Spaß aus.

EU: Vielen Dank, Thomas. Wir schätzen deine Einblicke und die offene Unterhaltung sehr.

TL: Sehr gerne.