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Institut für Politikwissenschaft und Sozialpolitik
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Lehrforschungsprojekt zum Thema "Ein-Personen-Unternehmen: Ein Beschäftigungsmodell mit Zukunft?"

Ausgangspunkte

Klassische Arbeitsverhältnisse werden immer mehr zurückgedrängt, neue Beschäftigungsformen nehmen zu. Dazu zählen auch so genannte Solo-Selbständige bzw. Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Diese stellen mittlerweile die überwiegende Mehrheit der neu gegründeten Unternehmen dar (Österreich 2019: 83,4%) und finden sich vor allem in Gewerbe und Handwerk, weiters im Handel und in der Informationstechnologie.

Diese wachsende Beschäftigtengruppe ist enormen Risiken ausgesetzt, nur jede zweite Neugründung überlebt die ersten fünf Jahre. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass viele neue Selbständige diese Beschäftigungsform aus freien Stücken gewählt haben, da sie die damit verbundene Unabhängigkeit und Flexibilität schätzen.

Vor diesem Hintergrund untersuchten wir folgende Fragestellungen:

  • Wie stellt sich die arbeits- und sozialrechtliche sowie sozioökonomische Situation von Ein-Personen-Unternehmen aus Sicht der Selbständigen wie von Expert*innen dar?
  • Inwieweit ist die atypische Beschäftigungsform EPU auch als prekäre Beschäftigungsform zu bewerten? Als Kennzeichen von Prekarität gelten ein niedriges Einkommen, existenzielle Unsicherheit, eine mangelhafte soziale Absicherung sowie mangelnde soziale Anerkennung.

Es wurden vier Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit spezifischen Problemstellungen im gegen­ständlichen Kontext beschäftigten. Als methodische Zugänge wurden neben Literaturanalysen Befragungen von Expert*innen (Sozialpartner, Finanzbereich, Rechtswissenschaft, …), weiters Interviews sowie eine Gruppendiskussion mit Ein-Personen-Unternehmer*innen aus unterschiedlichen Branchen gewählt.

Untersuchungsergebnisse

In den Expert*inneninterviews wurde bestätigt, dass EPU durch die Pflichtversicherung sozial schlechter abgesichert sind als unselbständig Beschäftigte. Ergänzende private Versicherungen werden daher empfohlen, diese muss man sich aber auch leisten können.

Primäre Motive für die Selbständigkeit waren bei den befragten Handwerker*innen mehr Selbstbestimmung und mehr Flexibilität, etwa was die Arbeitszeit, das Arbeitsvolumen oder die Urlaubsplanung betrifft. Eine flexiblere Kinderbetreuung wird dadurch i.d.R. möglich. Eine finanzielle Verbesserung wurde nicht als Hauptmotiv genannt, allenfalls als „positiver Nebeneffekt“ betrachtet.

Das finanzielle Risiko der Selbständigkeit wird gleichwohl als hoch eingeschätzt. Teilweise kann man es sich nicht leisten, länger in Urlaub oder Krankenstand zu gehen, und manchen fällt es schwer, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu setzen. Dennoch bereuen die Befragten die Entscheidung für die Selbständigkeit nicht.

Im IT-Bereich konnte keine Abhängigkeit der Auftragnehmer*innen von den Auftraggeber*innen festgestellt werden, eine wiederkehrende Zusammenarbeit wird von beiden Seiten begrüßt. Auch das Problem der Scheinselbständigkeit ist nach Expertenmeinung in diesem Bereich – im Unterschied zu anderen Branchen – wenig virulent.

Bei der durchgeführten Gruppendiskussion zeigte sich, dass insbesondere die Startphase mit der Kundenakquisition mehrheitlich als sehr herausfordernd wahrgenommen wird. In den Fällen, wo eine Beratung in Anspruch genommen wurde, verlief diese selten optimal. Hier gibt es offenbar Luft nach oben. Die Realität der Selbständigkeit unterscheidet sich zwar mitunter von den ursprünglichen Erwartungen, doch auch hier bereute niemand die Entscheidung zum eingeschlagenen Berufsweg.

Resümee

In Summe kann festgehalten werden, dass die objektive Prekarität von EPU zwar teilweise indiziert ist, vor allem aufgrund der mangelhaften sozialen Absicherung (z.B. bzgl. Arbeitslosigkeit), der vorhandenen Einkommensunsicherheit sowie der rechtlichen Situation (Werkvertrag statt Arbeitsvertrag), ein subjektives Prekaritätsempfinden wurde in der vorliegenden Untersuchung hingegen kaum festgestellt. Als mögliche Ursachen für diesen Widerspruch können ausgemacht werden:

  1. Eine prekäre Situation ist im betreffenden Fall nicht gegeben wegen privater Absicherung und/oder hinreichendem Einkommen
  2. Oder ein anderes Werteschema ist gegeben, Autonomie statt Sicherheit ist prioritär
  3. Oder man hofft auf ein künftiges Mehreinkommen und sieht die Prekarität als notwendiges Durchgangsstadium

Bei den befragten Solo-Selbständigen wie bei den Diskussionsteilnehmer*innen waren jedenfalls postmaterialistische Motive wie Autonomie und Selbstverwirklichung dominant gegenüber materialistischen Motiven wie existenzielle Sicherheit und Einkommensmehrung. Dies könnte – entsprechend der Postmaterialismus-These von Ronald Inglehart - Ausdruck eines generellen Wertewandels sein, zum Teil aber auch mit der aktuell günstigen Konjunktur- und Auftragslage in Zusammenhang stehen, deren Permanenz keinesfalls gesichert ist.

Lehr-
forschungsprojekt

Lehrveranstaltung


Projektmanagement I 229.041
Projektmanagement II 229.042

Laufzeit

Wintersemester 2021/22
– Sommersemester 2022