"Es war einmal in Straßburg"
Die Prinzessin, die Tochter des Schusters und die Meinungsfreiheit
Beitrag von Assoz. Univ.-Prof.in Mag.in Dr.in Elisabeth Greif und Mag.a Linda Greuter
Ein Märchenbuch für Kinder, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen dargestellt werden, (vorübergehend) aus dem Verkehr zu ziehen und es anschließend als "schädlich für Kinder unter 14 Jahre" zu kennzeichnen, verstößt gegen das in Art. 10 EMRK, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung. Dies hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in ihrer richtungsweisenden Entscheidung Macate v. Lithuania, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster festgestellt. Der Gerichtshof betonte außerdem, dass die gleiche und gegenseitige Anerkennung von Personen unterschiedlicher sexueller Orientierungen der gesamten Konvention inhärent ist: Den Zugang von Kindern zu Darstellungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen einzuschränken ist mit den Grundsätzen der Gleichheit, des Pluralismus und der Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn die Einschränkung ausschließlich darauf beruht, dass verschiedengeschlechtliche Beziehungen als sozial akzeptabler eingestuft werden.
Während der EGMR damit wichtige Klarstellungen im Kontext von LGBTIQ*-Rechten und Meinungsfreiheit getroffen hat, lässt er die Chance ungenutzt, den Diskriminierungsschutz der EMRK zu erweitern.