JKU-Forscher lassen sich von Stinkwanzen inspirieren

Werden Stinkwanzen angegriffen, reagieren sie ziemlich stinkig. An der JKU wurde die entsprechende Substanz nun analyisiert - mit überraschendem Ergebnis.

Haut der Wanze in Vergrößerung
Haut der Wanze in Vergrößerung

In jenen winzigen Kanälchen, die die übel riechende Flüssigkeit an ihren Bestimmungsort leiten, spielt sich Erstaunliches ab: Denn die ölige Substanz bewegt sich dort von selbst auch entgegen der Schwerkraft. Wie das geschieht, haben Linzer Forscher nun analysiert. Auch über eine Anwendung wird nachgedacht.

In Kooperation mit KollegInnen vom Biologiezentrum Linz des Oberösterreichischen Landesmuseums nahm das Team um Florian Hischen vom Institut für Medizin- und Biomechatronik der Uni Linz die Grüne Stinkwanze (Palomena prasina), die Schwarzweiße Erdwanze (Tritomegas bicolor) und die Graue Gartenwanze (Rhaphigaster nebulosa) unter die Lupe. Im besonderen ging es ihnen in der im Fachblatt "Journal of the Royal Society Interface" veröffentlichten Studie um die Kanäle zwischen den Beinen an der Unterseite der Tiere, durch die das Stinksekret auf Strukturen geleitet wird, wo die Flüssigkeit verdunstet - mit dem bekannten Effekt.

In den Kanälen zeichnen sich bei den vorgestellten Arten Mikrostrukturen aus zahlreichen "haifischzahnartigen Spitzen" ab, sagte Hischen zur APA. Aufgrund der Form dieser besonderen Oberfläche kommt es zu einem sogenannten "passiven Flüssigkeitstransport". Das Öl wird immer in Richtung der Spitzen geleitet, ohne dass die Insekten beispielsweise aktiv pumpen müssten. "Wir haben uns überlegt, ob man das technisch nachbauen kann", so Hischen.

Im Grunde handelt es sich beim biologischen Vorbild um eine Oberfläche, aus der kleine Stacheln oder Keile mit einer Wölbung mit großem Radius auf dem einen und einer kleineren, spitzen Wölbung am anderen Ende, herausragen. Rund um die Wölbungen legt sich die Flüssigkeit sehr eng an, während sie sich aufgrund von Druckunterschieden innerhalb der Flüssigkeit von den mehr oder weniger geraden Flanken der Keile weiter wegbewegt. Bei dieser automatischen Ausbreitung gerät sie in den Einflussbereich von versetzt davor liegenden Keilen, wo sie wieder auf die gleiche Weise in nur eine Richtung weitergeleitet wird. Bei den Insekten liegen diese Strukturen nur wenige Mikrometer auseinander.

Eine mittels Laserlicht strukturierte Oberfläche auf Polyimid-Kunststoff komme dem Aufbau der Struktur in den Kanälen auch größenmäßig relativ nahe. Die Wissenschafter bauten solcherart aufgebaute Oberflächen dann auch aus Stahl, Plexiglas und elastischem Silikon nach. Hier waren die Strukturen teils schon deutlich größer, nämlich bis zu rund einem Drittel eines Millimeters. Diese Silikon- und die Stahloberflächen entpuppten sich als geeignete Öl-Transporter. Auch Wasser und Seifenlösungen wurden von den Plexiglasstrukturen gut weitergeleitet. Entscheidend für den Transport ist immer, dass eine Flüssigkeit die Oberfläche sehr gut benetzt, wie die Wissenschafter herausfanden.

In der Folge wollen sie sich noch weiter daran herantasten, bis in welche Größenordnung sich dieser interessante Effekt der passiven Leitung auch gegen die Wirkung der Schwerkraft aufrecht erhält und welche Geschwindigkeiten sich erzielen lassen. "Hier ist das obere Ende noch nicht erreicht", zeigte sich Hischen überzeugt.

Technische Anwendungen könnten sich etwa überall dort ergeben, wo Schmiermittel zwischen zwei aneinander reibende Flächen gebracht werden müssen, ein aktives Hinpumpen aber schwierig ist. Wenn etwa in miniaturisierten "Labs-on-a-Chip" Flüssigkeiten weitertransportiert werden müssen, könnte der Effekt auch hilfreich sein.