Die neuen Gesichter der TNF

Gleich elf neue Professor*innen forschen und lehren an der TN-Fakultät der JKU. Hier stellen wir sie vor - heute Luca Gerardo-Giorda.

Professor Luca Gerardo-Giorda
Professor Luca Gerardo-Giorda

Seit Februar 2020 ist der italinische Mathematiker Luca Gerardo-Giorda Professor für Mathematical Methods in Medicine and Life Sciences. Welchen Beitrag er zum Kampf gegen Gehirntumore leistet und warum er die JKU als "game changer" betrachtet, erklärt er im Interview.

In welchem Bereich forschen Sie?
Luca Gerardo-Giorda: Ich arbeite in der angewandten Mathematik und arbeite seit mehr als 15 Jahren an biomedizinischen Problemen. Meine Forschung liegt an der Schnittstelle zwischen mathematischer Modellierung und numerischer Simulation und sucht nach quantitativen Antworten auf praktische Probleme aus der Medizin, Biologie und Physiologie. Unser Ziel ist es, Brücken zwischen der Mathematik und anderen Life-Science-Disziplinen zu schlagen und Mediziner*innen innovative Simulationswerkzeuge zur Verfügung zu stellen. Damit wollen wir die helfen, die richtigen klinischen Entscheidungen zu treffen.

Was begeistert Sie an diesem Bereich?
Luca Gerardo-Giorda: Die Möglichkeit, eine Lösung für Probleme des wirklichen Lebens zu finden. Das Spannendste ist die Interaktion mit Wissenschaftler*innen mit unterschiedlichem Hintergrund: Eine gemeinsame Sprache zu finden, um mit ihnen zu diskutieren, ist an sich schon eine zusätzliche Herausforderung. Das ist alles andere als trivial, aber gleichzeitig auch extrem lohnend.

An welchem Projekt arbeiten Sie momentan konkret?
Luca Gerardo-Giorda: Ich arbeite an einer Reihe von Projekten, die sich mit der Modellierung des kardiovaskulären Systems und der Evolution von Gehirntumoren beschäftigen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Untersuchung der Radiofrequenzablation hervorheben, eine gängige Behandlung für Arrhythmien, die darin besteht, einen elektrischen Strom anzuwenden, um bestimmte Regionen des Herzgewebes zu verbrennen. In Zusammenarbeit mit Kardiolog*innen haben wir ein Berechnungsmodell entwickelt, das das bei der Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit aktueller Protokolle verwendet werden kann und bei der Entwicklung innovativer Protokolle hilft. Außerdem beschäftige ich mich mit dem Wachstum, der Ausbreitung und Infiltration von Gliomen, dem aggressivsten Hirntumor, wo wir die verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen dieser komplexen Dynamik kombinieren und versuchen, ihre Entwicklung in einem patient*innenspezifischen, aus medizinischer Bildgebung rekonstruierten Gehirn vorherzusagen. Schließlich, dank eines Zuschusses des Linzer Instituts für Technologie (LIT), begannen wir mit der Untersuchung der Dynamik von Covid-19: Wir analysieren die österreichischen Fälle und schätzen die Unsicherheit über das tatsächliche Ausmaß der Epidemie im Land. Das Modell lernt aus den verfügbaren Daten und bezieht Mobilitätsdaten mit ein, um das Ausmaß der Interaktion zwischen den Individuen zu schätzen, und wird derzeit auf eine größere Anzahl von Ländern angewendet.

Wofür ist diese Forschung überhaupt notwendig bzw. wie verbessert sie unser Leben?
Luca Gerardo-Giorda: Wir helfen Ärzt*innen und Gesundheitsbehörden dabei, fundiertere Entscheidungen zu treffen. Der Vorteil fortschrittlicher virtueller Modelle liegt in der Möglichkeit, eine Vielzahl von möglichen Szenarien zu simulieren. Indem man verschiedene Parameter des Modells ändert, kann man viele Auswirkungen durchspielen. Ärzt*innen können von effektiven und zuverlässigen nicht-invasiven, patient*innenspezifischen Instrumenten profitieren, um Diagnose und Prognose zu verbessern.

Warum haben Sie sich für die JKU entschieden?
Luca Gerardo-Giorda: Ich habe bei der JKU den unbedingten Willen gespürt, in interdisziplinäre Forschung zu investieren - ein Aspekt, den ich als grundlegend für eine Institution betrachte, die ein "game changer" sein möchte. Die Mathematik an der JKU und am RICAM (wo ich eine gemeinsame Berufung als Gruppenleiter habe) ist auf höchstem Niveau, und die junge medizinische Fakultät ist das perfekte Umfeld, um Spitzenforschung in Richtung In-silico-Modellierung und -Bewertung zu betreiben.

Warum sollten sich Studierende Sie als Lehrenden wünschen?
Luca Gerardo-Giorda: Ich habe Spaß am Unterrichten und ich glaube, das spiegelt sich in meinen Kursen wider. Mathematik ist die gemeinsame Sprache der Wissenschaft und ich versuche immer, die Mathematik in die Perspektive ihrer Anwendungen zu stellen. Ich halte diesen Ansatz für äußerst wichtig, wenn man Student*innen aus der Biologie, Chemie oder den Ingenieurwissenschaften unterrichtet: Mathematik nicht als stumpfes Instrument zu sehen, das man halt lernen muss, sondern als Rahmen, in dem man ein Modell aufbauen kann, um das physikalische (oder biologische) Problem, mit dem man sich beschäftigt, besser zu verstehen.

Welche Hobbys haben Sie?
Luca Gerardo-Giorda: Ich mag Musik, Wandern im Freien und Tango tanzen, obwohl ich bei letzterem vielleicht etwas eingerostet bin. Außerdem mag ich Essen und Fußball (ich bin ja schließlich Italiener...).

Was wollen Sie in Ihrem Leben unbedingt noch machen oder erreichen?
Luca Gerardo-Giorda: Ich habe noch einige Projekte auf meiner Bucket List, aber ich gehe sie gerne eins nach dem anderen an. Mein unmittelbarstes Ziel ist sicherlich, Deutsch zu verstehen (und anständig zu sprechen).