Lernen von den Besten: JKU Forscher*innen nutzen Nanofaser-Verarbeitung von Spinnen

Spinnen lösen bei Menschen zwiespältige Reaktionen aus – bei Forscher*innen der Johannes Kepler Universität Linz vor allem Faszination.

Federfußspinner; Credit: JKU/Christoph Stecher, BSc
Federfußspinner; Credit: JKU/Christoph Stecher, BSc

Besonders die Frage, warum die Tiere nicht an ihren eigenen Netzen festkleben, hat die Wissenschaftler*innen beschäftigt – und in einem internationalen EU-Projekt zu einem Durchbruch in der Nanofaser-Forschung geführt.

Wie jede Fliege weiß, sind Spinnfäden äußerst klebrig. Spinnen selbst sind dagegen auch nicht immun und mussten Methoden entwickeln, um sich nicht in ihren eigenen Netzen zu verfangen. Im Laufe der Evolution wurden sie so zu Expert*innen für Nanofaser-Technologie. Einige Arten haben das Calamistrum entwickelt: eine Struktur an den Hinterbeinen, die wie ein Kamm aussieht und durch seine Oberflächen-Beschaffenheit dafür sorgt, dass die Spinne beim Weben des Netzes nicht an ihren eigenen Nanofaser-Spinnfäden hängenbleibt.

Arbeiten im kleinsten Maßstab
Das weckte die Neugier der JKU Forscher*innen des Instituts für Medizin- und Biomechatronik und des Instituts für Angewandte Physik. In einem interdisziplinären Projekt entschlüsselten Studierende der Studienrichtungen Mechatronik, Mathematik und Medical Engineering gemeinsam mit DI Sebastian Lifka und weiteren Forscher*innen die Mechanismen.

„Nanofasern sind weltweit immer häufiger in Anwendung, wie zum Beispiel in elektronischen Bauteilen, Osmoseanlagen zur Meerwasserentsalzung, in Brennstoffzellen oder auch in Hochleistungsfiltern“, erklärt Lifka. „Sie sind leicht und strapazierfähig, haben aber den Nachteil, dass sie wegen der sogenannten Van-der-Waals-Kraft sehr stark an Oberflächen haften bleiben.“ Damit umzugehen ist schwierig: Die industriell verwendeten Fasern sind zwischen 10 und 800 Nanometer dick. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von ca. 70.000 Nanometern.

Die Orientierung an der Spinnen-Methode brachte die Lösung des Problems. Gemeinsam mit Partner*innen aus der EU konnten die Oberflächen von Metallen und Kunststoffen so gestaltet werden, dass Nanofasern trotz der wirkenden Van-der-Waal-Kräfte nicht haften bleiben.

„Dazu haben wir uns vom Calamistrum der Federfußspinne Uloborus plumipes inspirieren lassen. Allerdings haben Spinnfäden andere Durchmesser und Eigenschaften als Industriefasern. Aber uns ist es gelungen, das Prinzip umzusetzen und auch entsprechend für technisch genutzte Fasern zu skalieren“, sagt Lifka.

Massive Reduktion der Haftung

In einem Pilotversuch hat sich der Ansatz bei einer Elektrospinnanlage schon bewährt. Bisher musste man kostspielige Zwischenschritte einbauen, um die fertigen Fasern von der Maschine ablösen zu können. Mit der neuen Methode können diese Schritte eingespart werden – eine Verbesserung, die auch in der Medizin Anwendung finden könnte.

In verschiedenen Versuchen zeigten die Forscher*innen, dass die Haftung der Nanofasern mit der neuen Methode zwischen 60 und 95 % geringer ausfällt. „Es kommt natürlich immer auf das Material an. Spinnt man zum Beispiel die Kunstfaser Polyamid auf Stahlelektroden, hat man eine Reduktion von 80 %“, so die Forscher*innen.

Die Forschungsergebnisse wurden publiziert – und beweisen einmal mehr, wie der Einfallsreichtum der Natur auch vom Menschen genutzt werden kann.