Mit Fingerspitzengefühl zum OP-Erfolg

Komplexe Uni-Chirurgie: Linzer Professor entfernte Angiom bei 24-Stunden-Eingriff.

Andreas Gruber
Andreas Gruber

Keine Eile: Wenn der Linzer Neurochirurg Andreas Gruber einen komplexen Eingriff plant, geht es oft nicht darum, so schnell wie möglich zu sein. „Bei der Operation eines Patienten waren wir mehr als 24 Stunden im OP. Ich selbst habe um 12 Uhr zu Mittag begonnen und bis 9 Uhr am nächsten Tag operiert. Dann hat ein Kollege fortgesetzt“, sagt der Universitätsprofessor für Neurochirurgie der Johannes Kepler Universität (JKU). Konkret ging es um ein sogenanntes Angiom, das im Gehirn des Betroffenen so ungünstig lag, dass kein anderer Chirurg sich über diese Operation wagte.

Epilepsie und Gehirnblutung
Für Josef Müller (Name geändert) ging es um viel: Mit 16 Jahren traten bei ihm epileptische Anfälle auf. Die dafür verantwortliche Veränderung an einem Blutgefäß lag im Gehirn jedoch so ungünstig, dass eine Operation von den Spezialist*innen als zu risikoreich eingestuft wurde. „Mit 18 Jahren wurde bei mir in der Schweiz eine erste Embolisation gemacht“,  erinnert sich Müller. Dabei wird versucht, das defekte Gefäß mit einem Wirkstoff zu verschließen. Ein zweiter Eingriff folgte, brachte aber keine Heilung. So lernte der mittlerweile verheiratete Familienvater mit der Krankheit zu leben. 2017 trat eine Gehirnblutung auf und machte den Handlungsbedarf sichtbar. Schweizer Ärzt*innen machten den Patienten dann auf die Expertise von Professor Gruber aufmerksam und stellten den Kontakt her. „Seit der Operation 2020 kann ich ein ganz normales Leben führen.“ Dieser einfache Satz von Müller drückt so viel aus, was der heute 47-jährige Patient seit seiner Pubertät durchgemacht hat. Denn nicht nur epileptische Anfälle und die Auswirkung der unzureichenden Durchblutung prägten seit damals sein Leben. „Es war immer die Angst da, dass etwas passiert. Heute fühle ich mich viel freier“, sagt Müller. Dass er in Linz so freundlich empfangen und behandelt wurde, war nur ein Zusatznutzen zu der großen Leistung des ganzen Teams von JKU und Kepler-Uniklinikum. „Dass sich Professor
Gruber das getraut hat, finde ich toll“
, so der Patient, bei dem dieser Eingriff an der Uniklinik für Neurochirurgie dank innovativer High-End-Technik durchgeführt werden konnte.

Das Angiom, ein Parasit
Warum der Eingriff besonders schwierig war, erklärt der Neurochirurg so: „So ein Angiom ist wie ein Parasit, der alles Blut wegsaugt. Venen und Arterien sehen gleich aus. Zuerst müssen die zuführenden, tiefer liegenden Gefäße verschlossen werden, dann erst die abführenden. Wenn man die falsche Ader verletzt, kommt es zu einer starken Blutung. Deshalb ist es nicht sinnvoll, sich bei so einer Operation zu beeilen. Jeder kleine Fehler kann sofort fatale Folgen haben.“  Ob man bei einer so langen Operation viel Kaffee oder Cola braucht? „Auf keinen Fall, durch aufputschende Mittel leidet die Feinmotorik. Wenn man so konzentriert ist, treten alle körperlichen Bedürfnisse komplett in den Hintergrund. Auch viele Stunden lang.“